Mühsame
Aktualisierung
IN DEN STRASSEN KEINE BLUMEN von Charlotte Roos nach Texten von Federico García Lorca
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In den Straßen keine Blumen am Münchner Volkstheater | Foto (C) Gabriela Neeb
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Bewertung:
In den Straßen keine Blumen hat Charlotte Roos ihre theatralische Collage nach Texten von Federico García Lorca genannt. Und dabei spielen so viele Blumen in dieser Uraufführung mit, wird soviel durch die Blume gesagt bzw. gezeigt! Vor allem durch blutrote Rosen. Die „Rosa mutabilis“ gibt es wirklich. Sie blüht nur einen einzigen Tag, währenddessen sie ihre Farbe wechselt: von rot zu weiß. Und sie spielt eine zentrale Rolle in der dramatischen Romanze Donna Rosita bleibt ledig oder die Sprache der Blumen, die Lorca 1931 schrieb.
Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Auch Donna Rosita, die Waise, die bei ihrer Tante und dem Onkel lebt, einem Blumenzüchter. Er ist der Herr eines symbolischen Gartens. Er richtet die Pflanzen zu, er wässert sie. Keine Blüte darf ohne sein Einverständnis gepflückt werden. Was zur Zierde des Hauses in der Vase welken darf, entscheidet allein er. Was das Haus verlässt auch. Das gilt für Blumen und für Frauen. Donna Rosita muss drinnen bleiben und vertrocknen. Wer flieht, kommt nicht weit. Ihr Pech, dass ihr Verlobter sie verlassen hat, um in der Ferne sein Glück zu machen und nie zurückzukehren - entgegen seinem Versprechen.
Frauen aber sind wie Pflanzen, dazu verurteilt an einen Ort gebunden zu bleiben. Charlotte Roos´ Rosita aber, die 25 Jahre auf ihren Geliebten wartet, nimmt sich im Schutz der Verlobung immerhin einige sexuelle Freiheiten, vor denen auch der Postbote mit Migrationshintergrund nicht sicher ist. Eine der gelungensten Szenen der Inszenierung, tragisch-komisch.
Überhaupt viele brillante Bilder: die Töchter (von den männlichen Darstellern gespielt) als Bonbons mit Fächer. Die aufblasbare Riesenmuschel im Pool, mal Luftmatraze, mal Männer verschlingende Vagina. Oder war's doch ein Waffeleisen, das zuklappt und seinen Inhalt toastet? Alles wird aufgefahren, was man von Lorca kennt und mit wilden, teils grausamen Videos hinterlegt. Herausgerissene Herzen, blutende zerquetschte Rosen. Zitate aus den großen Tragödien Bluthochzeit, Yerma und Bernarda Albas Haus. Die Verzweiflung der Bräute, Mütter, Töchter. Sie haben einen Mann, meist den falschen oder auch keinen, ein paar Kinder oder auch nicht - und eine Mauer zum Rest der Welt.
Johanna Stenzel hat sie in Szene gesetzt auf einer leeren, sandgefüllten Bühne, eingezäunt von einreißbaren Vorhängen, die Gitterstäbe freilegen. In der Mitte dieses Gefängnisses ein Pool – ohne Wasser. Keine Blüte möglich, nur Blut kann fließen.
Die Botschaft: Nie mehr Blume! Frauen raus. „Auf die Straße mit uns!“ ruft Rosita am Ende des letzten Aktes, und ihre Tante pflichtet bei: „Solange wir leben, müssen wir dafür kämpfen.“ Auf zur Freiheit, zu eigenen Rechten und unverblümter „Pussypower“! So die Regisseurin Pinar Karabulut, die sich derzeit vor allem mit der Rolle der Frau beschäftigt.
Doch lässt sich Lorcas Protest gegen eine falsche und heuchlerische Moral, gegen eine auch für ihn tödliche patriarchale Gesellschaft, so eins zu eins auf unsere Gegenwart übertragen? Charlotte Roos, die mit Juli Zeh zusammen das Merkel-Stück Mutti schrieb, liebt es, ihn ihren Stücken disparate Themen, Geschichten und Sprachen einander gegenüberzustellen, „Stimmen-Mobiles“ zu schaffen. Sie hat für dieses aufwändige Projekt keine Mühe gescheut und Lorcas Texte sogar selbst neu übersetzt, um deren Ton zu treffen und das „Koordinatensystem seiner Frauenfiguren“ zu entschlüsseln.
Viele brillante Regie-Einfälle und Szenen, großartige schauspielerische Leistungen - und dennoch, das „Stimmen-Mobile“ scheint nicht ganz frei zu schwingen, sich immer mal wieder zu verheddern in der mühsamen Aktualisierung (allzu) vieler großer Texte.
Für mich stellte sich allerdings ein sehr aufschlussreicher Bezug her. Mir wurde klar, warum Eugen Gomringers Gedicht Avenidas („Avenidas y flores y mujeres“ - „Straßen und Blumen und Frauen“) in Berlin und dem Rest der Republik so heftige Diskussionen hervorrufen konnte. Nach dieser Aufführung will wohl keine Frau mehr mit einer Blume verglichen werden.
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In den Straßen keine Blumen am Münchner Volkstheater | Foto (C) Gabriela Neeb
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Petra Herrmann - 22. Juni 2018 ID 10771
IN DEN STRASSEN KEINE BLUMEN (Münchner Volkstheater, 21.06.2018)
von Charlotte Roos nach Texten von Federico García Lorca
Regie: Pınar Karabulut
Bühne: Johanna Stenzel
Kostüme: Claudia Irro
Musik: Daniel Murena
Video: Leon Landsberg
Licht: Björn Gerum
Dramaturgie: Rose Reiter
Mit: Luise Deborah Daberkow, Margot Gödrös, Carolin Hartmann, Pola Jane O´Mara, Laina Schwarz, Nina Steils, Jonathan Hutter, Oleg Tikhomirov und Timocin Ziegl
Uraufführung war am 21. Juni 2018.
Weitere Termine: 29., 30.06. / 04., 12., 13.07.2018
Weitere Infos siehe auch: http://www.muenchner-volkstheater.de
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