25. März 2012, Premiere am Nationaltheater Mannheim
DIE WALKÜRE
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Die von Achim Freyer inszenierte Walküre am Nationaltheater Mannheim - Foto (C) Hans Jörg Michel
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In seinem köstlichen Sketch An der Opernkasse lässt Loriot über die Gattin fragen, ob es diese Woche Opern mit Hunden gäbe, was der Kassierer mit einem trockenen „Nein... und nächste Woche auch nicht...“ quittiert. Für den Fall, dass die Frage nach einer Hunde-Oper mal an der Kasse des Nationaltheaters Mannheim gestellt werden sollte, kann das Personal ab sofort auf Die Walküre verweisen. Es konnte zwar weder ein Riesenschnauzer noch ein Mops ausgemacht werden, dafür aber viele andere Vierbeiner, die als Wölfinge über die Rampe wuseln. Was aber schon im ersten Aufzug für ungewollte Komik sorgt, kann auch im zweiten Aufzug, wenn die Hundeschau zum sechsten Mal startet, als Metapher nicht überzeugen. Sofort kommt einem da eine der ältesten Theater-Weisheiten in den Sinn: Wenn der Regie nichts mehr einfällt, dann schickt man eben Kinder oder Tiere auf die Bühne. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Nun passiert es ja nicht zum ersten Mal, nein, man kann sogar von einer sogenannten „Walküren-Falle“ sprechen: Was als Ansatz im Rheingold noch ganz wunderbar funktioniert, kann in der Walküre bereits erste Abnutzungserscheinungen offenbaren. Was heißt das im Fall von Achim Freyers Inszenierung? Wieder gibt es den mit verschwurbelter Symbolik vollgestopften Raum, wieder führen die Charaktere statische Bewegungen aus, schleppen sie Puppen, recken sie Arme, und wieder dreht die Scheibe emsig ihre Runden, bleiben Schnürboden und Seilwinden im Dauereinsatz. Doch diesmal kommt der Abend überhaupt nicht vom Fleck weg, er zirkuliert, kreiselt ins Nichts. Der erste Tag des Bühnenfestspiels als endzeitliches Traumspiel? Wagner als Schnarchnase? Wer hätte das gedacht...
Wirklich ärgerlich ist aber, dass Freyer in Bezug auf eine Botschaft weit hinter seine Rheingold-Interpretation zurückfällt. Politik spielt allenfalls noch eine marginale Rolle (zweiter Aufzug, zweite Szene), es bleiben zu viele Handlungsstränge im Ungenauen, Ungefähren. Da trommelt der Regisseur ein riesiges Figurenarsenal zusammen, kreiert die tollsten Kostüme (genial: der Flügelhelm Brünnhildes in Gestalt eines Raben) und vergisst darüber eine packende Personenführung. Zwei Beispiele hierzu: Loge dreht sich in halbstündiger Regelmäßigkeit von links ins Bild, zieht zwei Züge an seiner Zigarre und verschwindet wieder so nebulös, wie er gekommen war. Wirklich Sinn macht das aber nur beim Feuerzauber, der insgesamt besten Szene des Abends. Auch das mit Scheinwerfergestellen ausgestattete Walküren-Geschwader rattert - mitunter völlig frei von dramaturgischer Relevanz - durch Akte und Leitmotive.
Musikalisch war das Rheingold ebenfalls deutlich besser. Dan Ettinger streckt die Tempi aufs Äußerste, was den Klang immer wieder aus einem einheitlichen Fluss wirft. Das Blech leistet sich die ein oder andere Beule, viele Zwischenspiele geraten zu knallig, zu unsauber. Das mitunter arg dick aufgetragene Forte lässt diesen Wagner zu pathetisch und damit nicht sehr zeitgemäß wirken. Endrik Wottrich enttäuscht als vokal verhärteter Siegmund, Karsten Mewes singt den Wotan mit kraftvoller Autorität, und alle Damen haben das gleiche, mal mehr (ausgeleiert: Edna Prochnik), mal weniger (abgesehen von den "Hojotoho"-Quietschern recht ordentlich: Judith Németh) ausgeprägte Problem - die Höhe. Als eine echte Entdeckung entpuppt sich der Hunding von Manfred Hemm. Jubel für Sänger und Orchester, Bravobuhs für Achim Freyer.
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Die Walküre am Nationaltheater Mannheim - Foto (C) Hans Jörg Michel
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Heiko Schon - 26. März 2012 ID 00000005828
DIE WALKÜRE (Nationaltheater Mannheim, 25.03.2012)
Musikalische Leitung: Dan Ettinger
Inszenierung / Bühne / Kostüme / Lichtkonzept: Achim Freyer
Licht: Ralph Schanz, Sebastian Alphons
Dramaturgie: Regine Elzenheimer
Mitarbeit Regie: Sebastian Bauer
Konzeptionelle Mitarbeit Regie: Tilman Hecker
Mitarbeit Bühne, Kostüme: Petra Weikert
Besetzung:
Siegmund … Endrik Wottrich
Hunding … Manfred Hemm
Wotan … Karsten Mewes
Sieglinde … Heike Wessels
Brünnhilde … Judith Németh
Fricka / Schwertleite … Edna Prochnik
Helwige … Cornelia Ptassek
Gerhilde … Ludmila Slepneva
Ortlinde … Marina Ivanova
Waltraute … Marie-Belle Sandis
Siegrune … Katrin Wagner
Rossweiße … Anne-Theresa Møller
Grimgerde … Andrea Szántó
Orchester des Nationaltheater Mannheim
Premiere war am 25. März 2012
Weitere Vorstellungen: 1., 22. 4. / 27. 5. / 24. 6. 2012
Weitere Infos siehe auch: http://www.nationaltheater-mannheim.de
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