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Premierenkritik

DIE SIEBEN TODSÜNDEN



Das ist Dagmar Manzel in den Sieben Todsünden an der Komischen Oper Berlin - Foto (C) Monika Rittershaus


Anna = Aas

Die sieben Todsünden Brecht/Weill's dauern gerade mal so zwischen einer halben und Dreiviertelstunde, je nachdem wie schnell oder wie langsam man sie spielt - von der Musik her. Sie sind neunteilig, so eine Art Stationenstück, wobei die sieben Mittelteile (halt Die sieben Todsünden) von Prolog/Epilog umrandet werden. Es gibt eine Sängerin, ein Männerstimmenquartett sowie ein Sinfonieorchester; mehr gibts nicht zu hören. / Bei der Uraufführung 1933 (Théâtre des Champs-Élysées, Paris) - das war "Bedingung" - gabs noch zusätzlich die Einbindung von einer Tänzerin (Tilly Losch, die Frau des diese Uraufführung gesponsert habenden englischen Finanziers Edward James), weswegen Die sieben Todsünden auch als "Ballett mit Gesang" klassifiziert wurden.

Die durch die Tanz-Ergänzung aufgeblähte Handlung ging/geht etwa so: Zwei Zwillingsschwestern - beide heißen Anna - werden von ihrer amerikanischen oder exilamerikanischen Familie (Vater, Mutter und 2 Brüder; ansässig in Louisiana) "fortgenötigt", um für deren Unterhalt und wohnbauliches Auskommen zu sorgen. Und so reisen sie durch sieben US-Großstädte, und sie verdingen sich dort mehr oder weniger erfolgreich. Nach sieben Jahren Irrweg kehren sie zurück nach Louisiana, wo das Einfamilienhäuschen mittlerweile steht...

Und Barrie Kosky - der natürlich keine Tanzperformance auf die Bretter der Komischen Oper Berlin zu stellen willens war - hat sich mit Dagmar Manzel, die er sichtlich mag und fördert, jetzt also 'ne Doppel-Anna (was, allein vom Text her, nahe liegt) zur Brust genommen; und so singt und spielt und schmeißt die Schauspiel-Sängerin den Laden quasi fast für sich allein!

Doch um den Abend (zeitlich) auszudehnen resp. auszufüllen, werden justament Die sieben Todsünden mit einer kleinen Anzahl weiterer und zusätzlicher Weill-Songs auf diverse Texte Mehrings, Fernays, Nashs und Brechts am Anfang (7 Stück) sowie am Ende (1 Stück) komplettiert. Da macht vor allem dann die rechte Auswahl einen tiefen Sinn; in der Ballade vom ertrunkenen Mädchen zum Beispiel wird die lächerliche Quintessenz menschlicher Leben - also nicht nur von Ertrunkenen - in einer Aufeinanderlagerung von Aas zu Aas sinniger Weise auf den Punkt gebracht; mit andern Worten ausgedrückt: Was macht die ehrgeizige Abbemühung eines Showstars oder Sternchens eigentlich dann groß für'n Sinn, wenn wir am Ende doch alle zu lauter Scheiße werden?! / Ja, das fanden wir - von der Regie her - sehr, sehr hübsch geschlossen. Und wir haben es sogar verstanden, obendrein.

Die junge Dirigentin Kristiina Poska leitete - vom Podium aus - das Orchester der Komischen Oper Berlin, was samtig-weich, so samtig-weich wie man es bei der spröden Weill-Musik gar nicht für möglich halten würde, klang. / Der Pianist vor resp. nach den Sieben Todsünden: Frank Schulte. // Das vorzüglich singende Männergesangsquartett: Tim Klaski, Adam Cioffari, Manuel Günther und Sebastian Lipp. /// Das wir von Dagmar Manzel - insgesamt und sowieso - begeistert waren, wollen wir im Nachhinein trotzdem nicht unerwähnt gelassen haben; Otto Pichler hatte sich für sie Bewegungen und Tanzeinlagen ausgedacht.



Dagmar Manzel als Anna I und II in Brecht/Weills Die sieben Todsünden - Foto (C) Monika Rittershaus


Andre Sokolowski - 12. Februar 2012
ID 00000005761
DIE SIEBEN TODSÜNDEN (12.02.2012, Komische Oper Berlin)
Musikalische Leitung: Kristiina Poska
Inszenierung: Barrie Kosky
Choreographie: Otto Pichler
Ausstattung: Esther Bialas
Besetzung:
Anna ... Dagmar Manzel
Vater ... Sebastian Lipp
Bruder ... Adam Cioffari
Bruder ... Manuel Günther
Mutter ... Tim Klaski
Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere war am 12. Februar 2012
Weitere Termine: 22. 2. / 10. 3. / 9., 13. 6. / 2. 7. 2012


Weitere Infos siehe auch: http://www.komische-oper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de



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