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nachDRUCK # 6

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Uraufführung

Mythen-Hurz!



Die Monosau an der Volksbühne Berlin | Foto (C) Apollonia T. Bitzan

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Die Ambitionen des bildenden Künstlera Jonathan Meese gehen schon immer auch in die Richtung darstellende Kunst. Er beschränkt sich dabei nicht nur auf Aktionskunst und Kunst-Happenings. Meese arbeitet seit 2004 auch immer wieder am Theater. Nun also nach fast 20 Jahren mal wieder an der Volksbühne. Hier schuf er 2004 das Bühnenbild für Frank Castorfs Inszenierung Kokain. Ein besonderes Faible entwickelte der Künstler aber für den Komponisten Richard Wagner. 2016 sollte Meese in Bayreuth den Parsifalinszenieren. Das Projekt kam dann aber, angeblich weil die Pläne des Künstlers nicht finanzierbar waren, nicht zustande. Meese inszenierte daraufhin 2017 seine eigene Opernfassung Mondparsifal für die Wiener Festwochen. In seiner Kunst beschäftigt sich Meese viel mit Deutschen Mythen und ist Verfechter einer möglichst ideologiefreien „Diktatur der Kunst“.

Mit dem Volksbühnenschauspieler Martin Wuttke verbindet Jonathan Meese ebenfalls eine längere Freundschaft. 2006 ruderten beide in Meeses Produktion Zarathustra. Die Gestalten sind unterwegs über den Schlossteich von Neuhardenberg. Schon damals arbeiteten sie mit Nina von Mechow zusammen, die nun für die neueste Volksbühnenproduktion Die Monosau die Bühne gestaltet hat. Der Text des Abends stammt aus einem um 1998 von Meese gestaltetem Künstlerbuch mit dem Titel Die Monosau (Goldmonull) ISM, einem sogenannten „Episodenroman on the Rocks”. Der Künstler wollte mit diesen aus teilweise selbstkreierten Wortschöpfungen bestehenden Texten, die Gattung des Romans revolutionieren. Da er keinen Verleger dafür fand, ist das Werk auf 10 Exemplare limitiert geblieben und im Eigenverlag herausgekommen. Es ist im Kunsthandel für etwa 3.000 Euro zu haben.

Zwanzig Jahre später ist im Verlag der Kunst-Buchhandlung König doch noch eine etwas preiswertere Paperback-Ausgabe der Monosau erschienen. Warum diese gerade nun auf die Bühne muss, erschließt sich aber nicht wirklich. Auch die Volksbühne übernimmt in ihrer Vorankündigung teilweise nur den Verlagstext. Meese wünsche sich „ein autonomes Kunstwerk, ein unschuldiges, ideologiefreies Spiel und einen regiefreien Abend“, ist da außerdem zu lesen. Als für den Abend verantwortlich gelten hier alle Beteiligten und ein ominöses Konglomerat namens K.U.N.S.T., das natürlich auch eine Wortschöpfung der selbsternannten „Ameise der Kunst“ Meese ist. Und wenn schon nicht die Bühne dann hat der Meister das faltbare Programmheft gestaltet, und gibt zumindest so einen Einblick in seine bildende Kunst, die immer schon mit beigestellten kurzen Texten zu seinen Bildern versehen war.

Neben Cowboy und Indianer zu spielen hat Meese wohl sehr viele Filme geschaut. Da geht es kurz mal auf die Bounty, und auch 007-Bösewichter wie Goldfinger oder Dr. No standen Pate. Im Großen und Ganzen geht es aber um mythische Gestalten der Kunst- und Kulturgeschichte von der Antike bis in die Popkultur der Gegenwart, auch wenn man sie nicht immer gleich erkennt. Es ist ja Karneval, und am Theater verkleidet man sich ja immer ganz gern. Im Orchestergraben sitzt eine dreiköpfige Live-Band, die zunächst zum Intro das Rheingold-Vorspiel anklingen lässt. Ein großer Goldklumpen liegt dazu auf der Bühne. Grégoire Simon an der Violine, Zoé Cartier am Cello und Arne Braun an der E-Gitarre haben sich als The Ramones verkleidet und rocken auch hier und da ganz gut ab. Aus dem Nebel der Bühne erscheint zunächst Martin Wuttke, als hätte er gerade in Drachenblut gebadet und schwenkt eine Doppelstreitaxt. Er rezitiert mit vollsten Ernst bei der Sache eine Art Geburtsgeschichte des „Unkaschperl“. Ihm folgt Benny Claessens als Meese‘scher Kunst-Kaschperl mit Napoleonhut. Eine doch recht ulkige Wagnerparodie auf alle möglichen Tyrannen.

Außerdem mit von der Partie ist Franz Beil, der als witzigste Nummer eine „hochfrequentierte Muschel“ mit großer Perle performt. Monosau ist hier gleich Rampensau. Jeder darf mal einen der vielen episodischen Nonsenstexte aufsagen. Wobei es weniger auf das Was als auf das Wie ankommt. Interpretieren lassen sich diese seltsamen Kunsttext-Miniaturen eh kaum. Immer wieder geht es dabei über einen langen Laufsteg durch den ganzen Theatersaal. Spaß haben hier auch Margarita Breitkreiz als Captain Cook, Susanne Bredehöft als güldene Barbarella und Rosa Lembeck als Bauchladenverkäufern. Tabea Braun als Kostümbildnerin hat da ganze Arbeit geleistet. Der ehemaligen Schlingensief-Darstellerin Kerstin Graßmann bleibt es überlassen, einen Monolog zur eigentlichen Monosau zu halten. Wunder gibt es immer wieder und Mr. Paul McCartney singt sie ebenfalls oder rüffelt die anderen an, als würde sie hier schon proletarische Kunstkritik üben.

Als Übervater schwebt der Erz-Wüterich der Kunst Jonathan Meese immer mal wieder als videoprojizierter Ballonkopf vom Bühnenhimmel und spricht als Zardoz zu seinen Auserwählten, den „Prolls der Kunst“, empfiehlt eindringlich den Film Mad Max und beschwört für 2023 ein sogenanntes „Gesamtkunstwerk Deutschland“. Aber bei allem Spaß an der Freud und abgefeuerten Konfetti-Kanonen ist hier nicht alles Gold, was glänzt. Weit über zwei Stunden lang zieht sich der Abend doch beachtlich, und auch die Souffleuse bekommt einiges zu tun. Das Fehlen des eigentlichen Hauptakteurs macht sich auf Dauer doch bemerkbar. Ohne Meese selbst ist seine „Welten-Gleichung“ nur die halbe Spaß. Die kollektiv geleitete Volksbühne macht zurzeit wieder Schlagzeilen wegen einer vom Künstlerkollektiv „Staub zu Glitzer“ angekündigten erneuten Besetzung des Hauses. Dem sollte René Pollesch gelassener entgegensehen. Viel besser werden die es auch nicht machen.



Die Monosau an der Volksbühne Berlin | Foto (C) Apollonia T. Bitzan

Stefan Bock - 18. Februar 2023
ID 14053
DIE MONOSAU (Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, 17.02.2023)
Text: Jonathan Meese
Bühne: Nina von Mechow
Kostüme: Tabea Braun
Dramaturgie: Henning Nass
Mit: Franz Beil, Susanne Bredehöft, Margarita Breitkreiz, Benny Claessens, Kerstin Graßmann, Rosa Lembeck, Martin Wuttke und weiteren Beteiligten
UA war am 17. Februar 2023.
Weitere Termine: 25.02./ 05., 19.03.2023


Weitere Infos siehe auch: https://www.volksbuehne.berlin


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