Glanert's Caligula
(frei nach Camus),
nun auch in London
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Christopher Ainsly (als Helicon) in der Oper Caligula des deutschen Komponisten Detlev Glanert als britische Erstaufführung an der English National Opera London - Foto (C) ENO
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Mit psychopathologisch durchgeknallten Kaisern hatte Rom - da es sich in den Zeiten vor und nach dem Herrn noch Weltenreich zu nennen glaubte - hin und wieder ein Problem. Als einer der Extremvertreter darf bis heute Gaius Caesar Augustus Germanicus (geb. 31. 8. 12 / gest. 24. 1. 41) gelten; selbiger ist auch unter dem "Kosenamen" des Caligula berüchtigt und bekannt. Antike Quellen, wie zum Beispiel Seneca, lassen den Typen als ein abartiges Zerrbild willkürlichster Machtausübung nachträglich erscheinen. Früh schon legte er sich mit den Senatoren, die er freilich auf die eine oder andre fiese Art und Weise auszuschalten sich entschlossen hatte, an und wollte (oder konnte?) - wegen seiner komplizierten Paranoia - nicht ermessen, dass sich "so was" irgendwann dann umkehrschlüssig rächen würde.
Es gab einige Versuche, dieses schillernde Objekt in künstlerischer Hinsicht zu verarbeiten - als ganz besonders kläglich tat sich da die Filmversion von Tinto Brass (Drehbuch: Gore Vidal) hervor, die 1979 einen ausnahmslosen Blut-und-Sperma-Streifen fabrizierte. Auch ein Musical, das in 2004 am Broadway seine Erstaufführung hatte, wollte seinen Beitrag zur Geschichts- oder Gesichtsbewältigung des Römisch-Angeklagten leisten...
1938 schrieb der 25jährige Albert Camus ein Drama, das dann philosophisch auf das Existentialistische, was zu der Zeit total in Mode war, abzielte und worin der Imperator mehr und/oder weniger aufs Individuale abgestellt gewesen war. Und diesen Text bekam (rein zufällig, so wie behauptet wurde) Detlev Glanert zu Gesicht, der wiederum Hans-Ulrich Treichel um die Abfassung eines Librettos für sich bat.
Zwei Jahre werkelte der Komponist an seiner über zweistündigen Oper, die 2006 in Frankfurt welturaufgeführt wurde und nunmehr an der English National Opera London ihre umjubelte britische Erstaufführung (in der englischen Textfassung von Amanda Holden) hatte!
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Regisseur Benedict Andrews verwies in seiner kostspieligen Deutung (Bühnenbild: Ralph Myers / Kostüme: Alice Babidge) auf "verwandschaftliches" Personalgut jüngerer Vergangenheiten; Hitler, Stalin, Kim Jong-Il, Mugabe, Idi Amin oder auch Mao Tse-Tung wurden mit Fotos und mit Namen im Programmbuch angezeigt. Das implizierte gleich, fast zwangsläufig, so einen bildnerischen Schwenk in Großstadien, in denen zur Erhuldigung besagter Größen Massenjubilate hände- oder fähnchenwinkend an der Tagesordnung waren/sind - vor einer solchen Grundkulisse spielte auch die Handlung des Caligula...
Glanert und Treichel reduzierten ihre Hauptfigur auf einen einsamen, verwirrten und der absoluten Surrealität verhafteten (Un-)Menschen, der die Traurigkeit und Trauer über den Verlust seiner geliebten Schwester (Zoe Hunn spielte Drusilla nackt und stumm) nur durch Hervorkehrungen von persönlicher Gewalt und Vorgaukeln absurdesten Theaters - Peter Coleman-Wright musste zum Beispiel nach der Pause fast die Hälfte seiner Auftrittszeit als Venus-Frau posieren - kompensieren konnte. Vor und auf den ausschnitthaft gezeigten Stadionrängen gaben sich die Untergebenen (= das Volk) oder der Hofstaat des Tyrannen abwechselnd ein Stelldichein.
Die beiden Stars des aufwühlenden Abends: Yvonne Howard als die letzte Gattin des Caligula; einprägsam auch die Szene, wo er sie am Schluss ganz unentgegen ihres Willens mit dem Seidenschal erstickte - und Countertenor Christopher Ainslie, der den Lieblingssklaven des Caligula verkörperte!!
Der junge Dirigent Ryan Wigglesworth konnte mit Glanerts expressiven als auch impressiven Klängen sehr viel anfangen. Diese Musik, die keiner zeitgenössischen Zwangsrichtung angehören will (gottlob nicht, nein!!!), vermochte, wie wohl allerseltenst heutzutage, auch dann zu berühren oder zu gefallen.
Tolles Werk.
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Peter Coleman-Wright hat es, so wie man sieht, nun bald geschafft, Caligula gewesen zu sein... - Foto (C) ENO
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Andre Sokolowski - 18. Juni 2012 ID 6038
CALIGULA (Coliseum London, 14.06.2012)
Musikalische Leitung: Ryan Wigglesworth
Inszenierung: Benedict Andrews
Bühnenbild: Ralph Myers
Kostüme: Alice Babidge
Licht: Jon Clark
Choreografie: Denni Sayers
Besetzung:
Caligula ... Peter Coleman-Wright
Caesonia ... Yvonne Howard
Helicon ... Christopher Ainslie
Cherea ... Pavlo Hunka
Scipio ... Carolyn Dobbin
Mucius ... Brian Galliford
Mereia/Lepidus ... Eddie Wade
Livia ... Julia Sporsen
Drusilla ... Zoe Hunn
Statisterie
Chor der English National Opera
(Choreinstudierung: Francine Merry)
Orchester der English National Opera
Uraufführung an der Oper Frankfurt war am 7. 6. 2006
Britische Erstaufführung an der English National Opera London war am 25. Mai 2012
Weitere Infos siehe auch: http://www.eno.org
Caligula (14.12.2006, Oper Köln)
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