Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Neue Musik

Caligula

Komposition: Detlev Glanert

Libretto: Hans Ulrich Treichel (nach Albert Camus)


Ashley Holland (Caligula), Martin Wölfel (Helicon) | © Klaus Lefebvre

Mit einer Art Urschrei beginnt und endet der Abend. Das klingt zwar im wahrsten Sinne des Wortes schauderlich, Tatsache ist aber, dass sich zwischen den beiden Schreien Musiktheater vom Feinsten entspinnt. Detlev Glanert und sein Librettist Hans-Ulrich Treichel haben sich die Geschichte des römischen Kaisers Caligula vorgenommen, der im ersten Jahrhundert nach Christus das römische Weltreich regierte und Legenden zufolge ein Schreckensregime errichtete. Ihm wird nachgesagt, er solle Feinden rücksichtslos aus dem Weg geräumt, Frauen vergewaltigt und sein Pferd zum Konsul ausgerufen haben. Im ersten Akt der Oper verkündet er großtönig – um die finanziellen Nöte des Staates zu lösen –, dass alle Römer ihr Geld dem Staat vererben müssen und dass sie dafür sorgen müssen, dass dieser Erbfall sofort eintrete. Im Klartext: Seine Untertanen müssen sich auf der Stelle umbringen. Logisch, dass die obersten Patrizier um Caligula herum der Meinung sind, er sei verrückt geworden, und planen, ihn hinterrücks umzubringen.



Ashley Holland (Caligula) | © Klaus Lefebvre


Das ist wahrlich Stoff für eine große Oper, und als solche ist Caligula auch angelegt. Vier Akte, dazu kommen zwei orchestrale Zwischenspiele. Das Stück sei aus der Physis Caligulas heraus komponiert, wird Glanert im Opernmagazin o-ton zitiert. Und weiter: „Das Orchester selbst ist Caligula. Das sind seine Venen, seine Gehirnzellen, das ist sein Klangkorpus.“ So ist gelegentlich auch Caligulas Herzschlag zu hören. Und in der Tat scheint die Musik, die Glanert komponiert hat, zu pulsieren. Sie zieht den Zuhörer in Bann und lässt ihn keine Sekunde los. Sie ist ungemein sinnlich und hat so gar nichts spröde Akademisches an sich, und das, obwohl die Oper laut Programmheft auf einem einzigen Akkord basiert, der aus 25 Tönen besteht. Musik und Theater gehen an diesem Abend zwingend Hand in Hand.



Ashley Holland (Caligula), Anthony Sandle (Mereia) | © Klaus Lefebvre


Das Konzept der Komposition wird von Christian Pade stimmig auf der Bühne umgesetzt. Er hat Caligula von der römischen Historie befreit und sich ganz auf die Figur selbst konzentriert. Es gibt im Zentrum der Bühne einen weißen Raum, der dem Kaiser als Rückzugsraum dient. Hier ist er ganz für sich. Hier werden Videoaufnahmen von seiner Schwester projiziert, hier reißt er zu Beginn die Spiegel von der Wand und hier steht ein Gegenstand, durch der Kaiser die Welt betrachtet, was sein Gesicht für den Zuschauer ins Übergroße verzerrt. In diesem weißen Raum träumt Caligula zu Beginn davon, den Mond zu bekommen, was ihm aber am Ende der Oper versagt bleibt.
Der Rest der kaiserlichen Welt ist eine kalter hoher Kubus, der kaum Möbel enthält. Dafür sind einige überdimensionale Klappen in die Wände eingelassen, die wie Ladeklappen für Frachtflugzeuge anmuten und aus denen Statisten hervorklettern. Alles in allem ist das eher ein Raum, der wie ein Maschinenraum als wie ein Repräsentationsraum aussieht. Im 2. Akt gibt es dann eine lange Tafel auf der Bühne und drei Drahtkäfige, in denen Menschen ausgestellt sind.



Ashley Holland (Caligula) | © Klaus Lefebvre


Caligula ist einsam, auch wenn er es selbst nicht wahrhaben will. Zu Beginn betrauert er den Tod seiner Schwester Drusilla. Caesonia, Caligulas Frau, ist die einzige Person, die Caligulas Nähe sucht. Aber sie erreicht ihn nicht. In einer sowohl musikalisch als auch inszenatorisch berührenden Szene am Ende des 2. Aktes lässt sich Caligula von Scipio, einem jungen Patrizier, ein Gedicht vortragen. Caesonia steht dabei und merkt mehr und mehr, wie sie aus dieser Zweisamkeit der beiden herausgedrängt wird. Aber auch die Gemeinsamkeit zwischen Scipio und dem Kaiser ist nicht von langer Dauer. Scipio, der Caligula vorwirft, seinen Vater ermordet zu haben, zieht sich zurück und der Kaiser flüchtet sich in Verachtung.

Ashley Holland verkörpert Caligula äußerst facettenreich: mal brutal, mal zynisch, mal Nähe suchend, dann wieder an den Stimmen in seinem Kopf verzweifelnd und immer auf dem Sprung, seinen Feinden gegenüber seine Macht zu demonstrieren. Jeder Zoll ein Kraftmensch. Daneben präsentiert er auch die weibliche Seite des Kaisers, wenn dieser sich als Venus anbeten lässt, ohne dass es tuntig oder lächerlich wirkt. Gesanglich ist Holland stets Herr der Lage und beherrscht das Geschehen, wie es sich für einen Kaiser gehört. Bemerkenswert ist darüber hinaus seine deutliche Artikulation des Textes.

Natürlich steht diese Partie im Mittelpunkt des Abends, der aber auch durch ein gutes Zusammenspiel des Sängerensembles überzeugt. Zu nennen sind hier etwa Ursula Hesse von den Steinen, die als Caesonia liebt und leidet, Andreas Hörl, der Cherea seinen gewaltigen Bass leiht, und Kristina Wahlin jugendlich unbeholfener, aber couragierter Scipio. Musikalisch beeindruckend auch der Chor, den man über weite Strecken des Abends nicht sieht, aber hört, und zwar mit einer ausgefeilten Dynamik zwischen piano und forte. Dabei wird er von Markus Stenz mit Umsicht und hoher Konzentration dirigiert.
Caligula ist ein Auftragswerk der Opern Köln und Frankfurt, das am 7. Oktober in Frankfurt aufgeführt wurde. Es wäre dem Werk zu wünschen, das es nicht wieder in der Versenkung verschwindet. Das Publikum in Köln spendete nach knapp vier Stunden Dauer jedenfalls begeistert Beifall und Bravos.


Karoline Bendig - 16. Dezember 2006
ID 2871
CALIGULA (Oper Köln, 14.12.2006)
Musikalische Leitung: Markus Stenz
Inszenierung: Christian Pade
Bühne und Kostüme: Alexander Lintl
Licht: Olaf Winter
Choreografische Mitarbeit: Lior Lev
Chor: Andrew Ollivant
Dramaturgie: Norbert Abels, Oliver Binder
Besetzung:
Caligula ... Ashley Holland
Caesonia ... Ursula Hesse von den Steinen / Michaela Schuster
Helicon ... Martin Wölfel
Cherea ... Andreas Hörl
Scipio ... Kristina Wahlin
Mucius ... Alexander Fedin
Mereia ... Werner Sindemann
Lepidus ... Anthony Sandle
Livia ... Katharina Leyhe
Erster Dichter ... Orlando Mason
Zweiter Dichter ... Andrès Felipe Orozco-Martínez
Dritter Dichter ... David Pichlmaier
Vierter Dichter ... Kevin Shen
Premiere war am 30. November 2006.
Weitere Termine: 14., 21. Dezember 2006; 5., 7., 14., 17., 20. Januar 2007

Weitere Infos siehe auch: http://www.buehnenkoeln.de/buehnenlite/operlite/index.htm




  Anzeigen:





THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)