Willy hustet sich Corona
aus dem Leib
DER VIROLOGE von Joachim Zelter
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Bewertung:
Auch die kulturellen Lockdowns, die die Pandemie seit mehr als einem Jahr "begleiteten", hatten es in sich, und die kulturellen Einrichtungen ließen sich Diverses einfallen, um letzten Endes nicht total ins (nicht nur kulturelle) Abseits zu geraten. Livestreams wurden zum Gebot der Stunde - ja und nicht dass es sie auch nicht vorher schon gegeben hätte. Aber jetzt, in den durch Zwangsabschottungen geprägten Ein- und Ausgesperrtheiten, kam's irgendwie doch wie gerufen, dass man wenigstens auf diese Art und Weise den Kontakt zur Außenwelt, sprich Publikum, behielt.
Jetzt öffnet alles nach und nach (bis wann?) dann wieder; und es stehen die Theater- und Konzertferien auch wieder an, d.h. die Häuser machen erst mal wieder (bis zum Herbst, wenn dann die Spielzeit 21/22 überall beginnt) vorübergehend zu.
Gottlob gibt es unzählig viele "abgelegte" Streams der letzten Monate, auf die das Publikum zur Überbrückung seiner sommerlichen Saure-Gurken-Zeit 'rückgreifen kann. Ein Klick genügt, und schon geht's los und man ist quasi mittendrin...
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Das Video heißt Der Virologe, und es fängt gut an, denn Heiner Müller wird zitiert:
"ANDERERSEITS IST DURCH NICHTS ERWIESEN,
DASS DER MENSCH AUF DER ERDE DAS HERRSCHENDE LEBEWESEN IST.
VIELLEICHT SIND ES JA DIE VIREN, UND WIR SIND NUR MATERIAL,
EINE ART KNEIPE FÜR DIE VIREN. DER MENSCH ALS KNEIPE -
AUCH DAS IST NUR EINE FRAGE DER OPTIK."
Willy Vogt (Andreas Ksienzyk) muss als Kneipenwirt - wegen Corona - seine Kneipe schließen, und dann stellt er einen Antrag auf Coronahilfe, und sein Laptop oder seine Leitung oder was auch immer tun versagen, weshalb die Coronahilfe, die er mühevoll beantragt hat, so bald nicht bei ihm ankäme; Verzagen auf der ganzen Linie. Aber Hannah, seine Frau (Christine Diensberg), macht ihm Mut und stachelt ihn zu kuriosen Taten an.
Nachdem er sich spontan und völlig unvermittelt als ein Spezialist aus Tübingen bei einem Virologischen Kongress in Münster - anstatt seine ortsberühmten Flammkuchen, weswegen er dann eigentlich dorthin gefahren ist, als Pausenbrote feilzubieten - anempfiehlt, und zwar in dem Moment, wo ihm auf hochbrutale Weise viele Kameras unter das Kinn gehalten werden, steht seiner blitzartigen Karriere nichts und niemand mehr im Weg:
Erst holt ihn Laschet (höchstwahrscheinlich war es Laschet, der hier als Ministerpräsident gemeint war) als Berater in sein Wahlkampfteam, und als der selber an Corona laboriert und daher erst mal ausfällt, springt der Willy als "Prof. Dr. Willy Vogt" mit seinem Hauptslogan "Nicht schimpfen, sondern impfen!" als Nothilfekanzlerkandidat ein und - gewinnt die Wahl haushoch; sein allererstes Brüssel-Statement lautet: "Nach dem Virus ist vor dem Virus" oder so.
Ja und schlussendlich steckt auch er sich mit dem Virus an und hustet sich Corona aus dem Leib - und zwar allein daheim in Ostwestfalen, aus der Traum! und sowieso hatte ihn seine Hannah zwischenzeitlich längst verlassen; o wie furchtbar traurig alles das!
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Andreas Ksienzyk als Der Virologe am Theater Gütersloh | (C) Kai Uwe Oesterhelweg
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Kai Uwe Oesterhelweg und Marwin Gansauge drehten den kurzweiligen Film im Auftrag des Theaters Gütersloh, und Schriftsteller Joachim Zelter hatte sich die leicht absurde und zugleich doch tiefsinnige Hochstaplergeschichte ausgedacht; man kann sie sich noch bis zum 31. des Monats kostenfrei auf Youtube anschauen.
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Andre Sokolowski - 6. Juli 2021 ID 13021
DER VIROLOGE (Theater Gütersloh, 05.07.2021)
Regie: Christian Schäfer
Co-Regie und Videoproduktion: Kai Uwe Oesterhelweg und Marwin Gansauge
Kamera: Marwin Gansauge
Ton: Henning Strandt, Lukas Schmidt und Tolga Yilmaz
Musik: Miriam Berger
Kostüme: Anna Sun Barthold-Torpai
Assistenz Ausstattung: Hannah Straßheim
Dramaturgische Mitarbeit: Ilka Zänger
Es spielen: Andreas Ksienzyk und Christine Diensberg
Online-Uraufführung war am 25. Juni 2021.
Stream auf theater-gt.de v. 05.07.2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-gt.de/
http://www.andre-sokolowski.de
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