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Premierenkritik

Vom hässlichen Deutschen

ZU UNSEREN FÜßEN, DAS GOLD, AUS DEM BODEN VERSCHWUNDEN von Svealena Kutschke

Bewertung:    



Auf der leeren Bühne eine lange Bank, darauf fünf Menschen, die dem Publikum den Rücken zuwenden. Nacheinander drehen sie sich um, erzählen ihre Geschichte. Der versoffene Holm war mal Gerichtsvollzieher. Der Anwalt Ahmed und die depressive Sarah waren mal ein Paar. Kim, Inhaberin eines „Späti“ und Darija, Pflegerin in der Psychiatrie, sind es noch. Alle wohnen zusammen in einem Mietshaus in Berlin-Pankow. Und alle haben eigene Probleme, mit denen sie nicht fertig werden. Da bietet sich als Sündenbock und Katalysator der an, der fehlt: Nabil, der syrische Flüchtling in der Wohnung parterre. Er löst Gefühle aus, gute und ungute. Schließlich wird er zum Opfer.

Svealena Kutschke, Jahrgang 1970, hat bislang vorwiegend Prosatexte geschrieben und etliche Auszeichnungen dafür erhalten, zuletzt 2019 den Förderpreis des Schiller-Gedächtnis-Preises. Im selben Jahr war ihr erstes Theaterstück zu den AUTORENTHEATERTAGEN am Deutschen Theater Berlin eingeladen. Ein guter, teils auch witziger Text, wenn auch kein Stück im engeren, szenischen Sinne. Es handelt sich um verschränkte Monologe, die vieles aussparen und sich doch gegenseitig steigern.

Nabil verhält sich freundlich und ruhig. Er grüßt alle Mitbewohner und lächelt. Kim gibt ihm ab und an einen Kaffee im Späti aus. Sarah, ansonsten völlig aus der aktiven Welt gefallen, hat ihm die Wohnung besorgt und ein Verhältnis mit ihm angefangen. Das beobachtet ihr Ex-Mann gegenüber. Als er aus Eifersucht Sarahs Designer-Klamotten an die Erstaufnahme verschenkt, aus der Nabil kommt, hält sie diesen für den Dieb. Mit der Zuwendung ist es vorbei. Holm ist traumatisiert von den ihm zugemuteten Zwangsräumungen und schämt sich für seinen verlotterten Zustand („Wenn ich mal duschen würde, würde ich auf meinem Sofa nicht mehr sitzen wollen.“). Das macht ihn aggressiv, vor allem gegenüber Nabil („Der räumt den Hof auf, als wär´ er was Besseres."). Er will das Gefühl des eigenen Ungenügens loswerden – und verprügelt den jungen Asylanten. Eine plötzliche Gewalttat, die ihm das Leben rettet. Er putzt, bringt die leeren Flaschen weg und weiß doch: „Es sind immer die anderen, die den Preis für mein Versagen zahlen.“ Nabil aber landet zwangsruhiggestellt in der Psychiatrie bei Darija, die ihm nicht helfen kann („Gewalt ist eine Lösung.“). Sie, die normalerweise schnell zuschlägt, war bei Holms Untat zugegen und hat nicht eingegriffen. Am Ende beginnt ihre selbstgerechte Härte aufzubrechen.

*

Matthias Grundig spielt den Holm so plastisch, dass man seinen ungewaschenen Zustand beinahe riechen kann, Mara Widmann glaubt man die überzogenen Ansprüche, die in ihre Depression führen. Ebenso überzeugend in ihrer verletzten Herzlichkeit Thorsten Krohn als Ahmed und Lucca Züchner als Kim. Sophie Rogall als wütende, türkischstämmige Darija zeigt, was hinter ihrer Aggression steckt: ihr Bruder wurde zum Fundamentalisten gemacht - in Deutschland. Jochen Schölch kann sich auf tolle Schauspieler verlassen und hat das Stück stringent und pur inszeniert. Fast ohne Requisiten. Es genügt die einfache Bank für einen zunehmend ergreifenden und durchaus erhellenden Abend.

„Schnee von Sternschnuppen, die die nackten, geschundenen Körper bedecken“, lautet der letzte Satz, breitet sich auf einem tristen Hinterhof in Pankow aus und legt sich über seine Stolpersteine.

Da war mal zu unseren füßen das gold, aus dem boden verschwunden, oder?




zu unseren füßen, das gold, aus dem boden verschwunden von Svealena Kutschke am Metropoltheater Müpnchen | Foto (C) Jean-Marc Turmes

Petra Herrmann - 10. März 2020
ID 12071
ZU UNSEREN FÜSSEN, DAS GOLD, AUS DEM BODEN VERSCHWUNDEN (Metropoltheater München, 08.03.2020)
Regie: Jochen Schölch
Kostüme: Sanna Dembowski
Licht: Hans-Peter Boden
Ton: Philipp Kolb
Dramaturgie: Katharina Schöfl
Mit: Matthias Grundig, Thorsten Krohn, Sophie Rogall, Mara Widmann und Lucca Züchner
Uraufführung am DT Berlin war am 8. Juni 2019.
Münchner Metropol-Premiere: 8. März 2020.
Weitere Termine: 09., 13., 16.-20., 24., 25., 27., 29.03. / 01.-04., 07.-09.04.2020


Weitere Infos siehe auch: https://www.metropoltheater.com/


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petra-herrmann-kunst.de

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