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nachDRUCK # 6

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Uraufführung

Fucking

loneliness

IN STANNIOLPAPIER
von Björn SC Deigner


Foto © Thilo Beu

Bewertung:    



Wenn man seine Scham verloren hat, überschreitet man mitunter Grenzen, ohne dass dies einem selbst gut tut. Schamlosigkeit ist jedoch auch der Ehrfurchtslosigkeit nahe. Ehrfurchtslosigkeit kann den Mut eines Kindes stärken, das die Missachtung der Eltern und das einhergehende Alleinsein erlebt. Am Theater Bonn wurde jüngst Björn SC Deigners Drama In Stanniolpapier aufgeführt. Steiger verarbeitet in einer halbdokumentarischen Collage Erzählungen aus dem Leben einer Prostituierten, die bereits als Kind den Missbrauch durch einen Freund des Hauses erleidet. In Matthias Köhlers etwa 90-minütiger Inszenierung wird das Geschehen um jene Prostituierte Maria chorisch von drei Figuren erzählt. Sie verkörpern alle die Ich-Ebene der Maria, kommentieren jedoch zugleich auch das Vorgeführte.

Das Bühnenbild und die Kostüme von Ran Chai Bar-zvi unterhalten als illustre Hingucker. Birte Schrein, Sandrine Zenner und Manuel Zschunke tänzeln und stöckeln als Maria in kurzen weißen Felljacken und glänzenden Stöckelschuhen über eine beleuchtete, sich spiegelnde Drehscheibe. Sie zeigen dabei viel Bein und räkeln sich später gar in hautfarbenen Nacktkörperkostümen auf der nachtclubartigen Drehbühne. Ihre erotischen Verführungsstrategien sind durchaus apart, haben bald jedoch auch etwas drohend Verzweifeltes.

Schon früh ahnt man als Zuschauer, dass das Schwere im sogenannten leichten Gewerbe fernab vom spießigen Pretty Woman-Kitsch liegt. Als Running Gag wird Freitag der 13te als Geburtstag der Hauptfigur, deren Leben erzählt wird, genannt (übrigens ist auch die Uraufführung an einem Freitag, den 13.). Maria arbeitet tagsüber im Büro und schafft nachts an. Zärtliche und brutale Momente überlagern sich. Fakten und Daten zu Prostitution werden aufgezählt. „Sometimes I feel like a motherless child“ von Richie Havens erklingt von Band.

Die drei Marias sind selbstbewusste und selbstständige Frauen, die ihre Körper bei Zusammenkünften mit Freiern zu benutzen wissen. Mal heißt es lapidar: „80 Prozent der Zeit mit den Freiern ist das Reden, nur in zwanzig Prozent kommt man wirklich zur Sache.“ Dann wird jedoch auch der Verlust der Sprache und der Ausdrucksfähigkeit Marias thematisiert, wenn sie erfährt, dass sie von den Eltern enterbt und verstoßen wurde. Bald geht es auch melancholisch und mit feiner Ironie um die Sehnsüchte und Träume der Hauptprotagonistin. Ein besonderes Schmankerl der Aufführung ist es, dass auch den zahlreichen Freiern Marias ein vielfaches Gesicht verliehen wird. Die Senioren Ulrich Art, Jörg Bohnsack, Bernhard Hieronymi, Helge Ippendorf, Heinrich Siemens und Wilhelm Wolber treten mehrfach als singender Herrenchor auf (Musik: Philipp Pleßmann). Zu guter Letzt dürfen auch sie die Hüllen fallen lassen und den möglichen Objekten ihrer Begierde nahe kommen.

*

In Stanniolpapier wurde bereits in einer stark gekürzten Fassung von Sebastian Hartmann bei den AUTORENTHEATERTAGEN 2018 am Deutschen Theater Berlin gezeigt. Die offizielle Uraufführung in Bonn ist bewegend und bietet allerlei Schauwerte; manchmal ist sie jedoch auch ein bisschen brav und vorhersehbar. Notlagen wie Drogensucht und Armut, die viele Menschen zur Prostitution verleiten, werden nicht thematisiert.



In Stanniolpapier am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

Ansgar Skoda - 18. September 2019
ID 11687
IN STANNIOLPAPIER (Werkstatt, 13.09.2019)
Inszenierung: Matthias Köhler
Bühne und Kostüme: Ran Chai Bar-zvi
Musik: Philipp Pleßmann
Licht: Maximilian Urrigshardt
Dramaturgie: Male Günther
Leitung Männerchor: Ulrich Köhler
Besetzung:
Maria … Birte Schrein
Maria … Sandrine Zenner
Maria … Manuel Zschunke
Männerchor … Ulrich Abt, Bernhard Hieronymi, Helge Ippendorf, Heinrich Siemens, Wilhelm Wolber und Jörg Bohnsack
Premiere am Theater Bonn: 13. September 2019
Weitere Termine: 18., 22., 27.09. / 10., 18., 25.10.2019


Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-bonn.de


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