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nachDRUCK # 6

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Uraufführung

Menschen-

fresser



Jule Böwe in Die Anderen an der Schaubühne Berlin | Foto (C) Arno Declair

Bewertung:    



"Ein kleines, abgelegenes Dorf irgendwo mitten in Europa, an einem verregneten, düsteren Herbstabend. Es regnet oft, eigentlich ununterbrochen, seit Monaten schon. Alda V., die zusammen mit ihrem Mann René das Hotel 'Zum Alten Kontinent' betreibt, fährt einen Jungen auf der Landstraße an, nachdem sie von einer Besprechung mit dem Dorfobersten zurückkommt – zu allem Überfluss schwer angetrunken, denn bei der Besprechung gab es reichlich Schnaps. Der Junge ist auf der Flucht und möchte bloß schnell weiterziehen, allerdings ist er verletzt und kann nicht ins Krankenhaus gebracht werden, ohne dass Alda auffliegen würde. Also wird er im Dorf verarztet und im Hotel versteckt. Schon bald werden die anderen Dorfbewohnerinnen und -bewohner neugierig und argwöhnisch, richten sich Ressentiments, erotische Sehnsüchte, Forderungen und Rachefantasien auf den Fremden. Der Fremde gerät ins Spiel verschiedenster widersprüchlicher Interessen." (Quelle: schaubuehne.de)

*

Das [s.o.] ist der Plot zum Stück Die Anderen, das mir dann gestern Abend seine geistige Urheberin Anne-Cécile Vandalem, von ihr persönlich inszeniert, in der Schaubühne Berlin vorstellte. Und desweiteren gebe ich - weil ich sie bisher halt noch nicht kannte - das zu Protokoll:


"Mit ihrer Kompanie 'Das Fräulein' entwickelt sie eigene Geschichten, in denen sich Tragik, Groteske und skurriler Humor zu einem ganz eigenen Genre verbinden. Ihre beiden letzten InszenierungenTristesses und Arctique waren beim FIND an der Schaubühne zu sehen. Die Anderen ist ihre erste Arbeit mit dem Ensemble der Schaubühne. Vandalem entwirft eine aberwitzige, tragikomisch-düstere Parabel über das Fremdsein, das Leben mit ungelösten Fragen, tiefsitzende Traumata und verdrängte Schuldgefühle – und das nie ohne hintersinnigen, schwarzen Humor." (dto.)


Kann nachträglich von mir voll unterstrichen werden, ja, dieses zum Teil an Misery von Stephen King gemahnende Stück hat Aberwitz und Hintersinn, ist voll von tragikomischer Düsternis und schwarzem Humor.

* *

Wer hätte übrigens gedacht, dass sich gelegentlich der großen und gleichsam finalen Martinsgans-und-Festmahl-Szene justament herausstellte, dass es sich bei den im mitteleuropäischen Walddorf "abgehängten" sechs Hinterwäldlern um Menschenfresser gehandelt hatte?!

Hatte allerdings dann nicht so ganz verstanden, wie der doch recht umständlich und quasi post mortem erzählte Handlungsstrang um die das Stück zusätzlich noch bewegt habende Frage "Warum leben dort keine Kinder?" in ein gedanklich nachvollziehbares Geflecht gebracht werden wollte - wurden gar durch Stephanie Eidt-Marge's selbstgetöteten Gatten (welche?) Walddorfkinder umgebracht oder womöglich gar zuvor missbraucht, oder wie war das gleich nochmal - - auf jeden Fall konnte sich die Sozialarbeiterin Veronika Bachfischer-Suzanne, die nach ihrem unlängst abhandengekommenen Ausländer-Flüchtling Bernardo Arias Porras-Ulysses forschte, keinen Reim auf all das machen außer dass ihr plötzlich vollbewusst wurde, dass sie im Kreis der angeblicherweise Martinsgans verzehrenden sechs Hinterwäldler zufällig ihren zurechtgewürzten Ulysses zwischen den Zähnen hatte. Horror pur!!!

Und Jule Böwe besticht als alkoholisiert daher lallende Hoteliersfrau Alda.

Ja und selbstverständlich spielen auch die übrigen Walddorfbewohner (Kay Bartholomäus Schulze, Felix Römer, Lukas Turtur und die dreimal einen englischen Waldsong singende Ruth Rosenfeld) gern-lustvoll ihre schrägen Rollen.

Sehr atmosphärisch alles das, v.a. auch das Bühnenbild von Karolien de Schepper, Christophe Engels und die Live-Abfilmerei durch Florian Baumgarten, Lukas Friedrich, Moritz von Dungern, Anastasiia Gavrilova - - - und, trotz allem gesellschaftskritischen Seitenhiebs, ein unterhaltsamer Theaterbrüller sondergleichen.




Stephanie Eidt und David Ruland in Die Anderen an der Schaubühne Berlin | Foto (C) Arno Declair

Andre Sokolowski - 1. Dezember 2019
ID 11855
DIE ANDEREN (Schaubühne am Lehniner Platz, 30.11.2019)
Regie: Anne-Cécile Vandalem
Bühne: Karolien de Schepper und Christophe Engels (Ruimtevaarders)
Kostüme: Laurence Hermant
Bildgestaltung: Federico d’Ambrosio
Video: Guillaume Cailleau
Musik: Pierre Kissling
Dramaturgie: Nils Haarmann
Licht: Erich Schneider
Kamera: Florian Baumgarten / Lukas Friedrich, Moritz von Dungern / Anastasiia Gavrilova
Besetzung:
Alda ... Jule Böwe
René ... Kay Bartholomäus Schulze
Marge ... Stephanie Eidt
Owen ... Felix Römer
Jacques ... Lukas Turtur
Luise ... Ruth Rosenfeld
Ulysses ... Bernardo Arias Porras
Suzanne ... Veronika Bachfischer
Premiere war am 28. November 2019.
Weitere Termine: 29.11. / 01., 03.-05., 07., 08.12.2019 // 24.-27.01.2020
Koproduktion mit Das Fräulein (Kompanie), Brüssel, Théâtre de Liège, Lüttich, Kroatisches Nationaltheater Zagreb und Théâtres de la Ville de Luxembourg


Weitere Infos siehe auch: https://www.schaubuehne.de/


http://www.andre-sokolowski.de

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