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PAPA LIEBT DICH
von Sivan Ben Yishai


Foto © Esra Rotthoff

Bewertung:    



Licht aus einer Neonröhrenwand zuckt und blendet im Takte einleitender Beats (Musik: Ari Robey-Lawrence). Fünf Darstellerinnen setzen sich abwechselnd flüchtig auf davor platzierte Wartebänke. Sie verharren kurz und blicken starr ins Publikum. Sogleich verlassen sie den Raum wieder. Hell und Dunkel wechseln dabei schlaglichtartig. Die recht kalte und karge Szenerie (Bühne und Kostüme: Moïra Gilliéron) deutet Passagiere in einem Zugabteil an.

Im 75-minütigen Verlauf von Papa liebt dich erprobt ein energievolles Frauenquintett (auch choreographisch) recht eindringlich eine weibliche Identitätsfindung. Die israelische Autorin Sivan Ben Yishai verleiht in ihrem Werk mehrstimmigen, kämpferischen Bewusstseinsströmen Ausdruck. Voller Drive, Lässigkeit und Ironie beschäftigen sich die fünf Darstellerinnen mit patriarchalen Strukturen, der eigenen Weiblichkeit und der Schieflage im Machtverhältnis zwischen den eigenen Eltern. Genauso wie das Quintett im Laufe des Stückes mehr und mehr Neonröhrenleisten abhängt, weichen auch mehr und mehr zu Anfang ausgerufene feministische Utopien der grausamen und als monoton erlebten Wirklichkeit.

Suna Gürler, als Gorki-Schauspielerin aus Sebastian Nüblings Sibylle Berg-Inszenierungen bekannt, inszeniert das Drama mit allerlei gelungenen choreographischen Einfällen. Oft synchrone Bewegungen der Figuren unterstreichen die Musikalität, Dynamik und den Facettenreichtum des Textes. Es entstehen suggestive Bilder, etwa wenn das gesamte Ensemble sich hinter der Neonwand zurückzieht und sogleich mit nach unten gebeugtem Kopf leise wie im Gebet auf den Vater schimpft. Eine Gemeinschaft der Gruppenmitglieder, die sich enthusiastisch Königinnen oder Queens nennen, kontrastiert effektvoll mit der ungeteilten Ohnmacht des Einzelnen. So möchte etwa Vidina Popovs Figur mehrfach mit Tanz-Lektionen die Gruppe motivieren und auf andere Gedanken bringen. Die anderen befolgen ihre Instruktionen jedoch nur halbherzig bis gar nicht. In sogenannten "Werbepausen" erzählt dann Stella Hilb sexistische Witze, über die sie als einzige lacht: "Wie nennt man den Gynäkologen der alten Frauen? Archäologe."

Zu anfangs formulierte feministische Utopien, in der alte Rollenbilder umgekehrt wurden, weichen bald düsteren Erkenntnissen in der eigenen Familiengeschichte. Es wird deutlich, dass die Ich-Erzählerinnen ihre eigene Mutter für ihre Schwachheit verachten. Dabei liegen jedoch Liebe und Hass nahe beieinander. Die Ich-Erzählerinnen begreifen, dass der Vater in der Familie von der Mutter auf einen Sockel gestellt wurde. So blieb er unerreichbar, wenn es in seiner fortwährenden Abwesenheit immer hieß „Papa liebt dich“. Auch im Alter schützt die Mutter den Vater, indem sie die Tochter ihm als Pflegerin vorzieht. Die Ich-Erzählerinnen-Tochter ahnt bald, dass sie der Mutter bei allem Hass und Selbst-Hass diesen Wunsch nicht vorzuenthalten vermag.

*

Leider bleibt der oft synchron und rhythmisch vorgetragene Text recht diffus, etwa wenn es in einer historischen Inhaltsebene auch noch um Abtransporte in NS-Vernichtungslager geht. Lässigkeit und Dynamik der Gruppe lassen gegen Ende etwas nach. Auch die choreographischen Elemente erscheinen zuletzt etwas schematisch und sinnentleert. Immerhin wartet die insgesamt erfrischend freche Vorführung mit durchweg starken Darstellerinnenleistungen auf und macht auch das Anliegen der Autorin deutlich, die Wahrnehmung bei unterschiedlichen Verhaltensweisen der Geschlechter zu schulen.
Ansgar Skoda - 10. Mai 2019 (2)
ID 11406
PAPA LIEBT DICH (Studio Я, 06.05.2019)
Regie: Suna Gürler
Ausstatterin: Moïra Gilliéron
Musik: Ari Robey-Lawrence
Dramaturgie: Mazlum Nergiz
Ton: Vicki Schmatolla
Licht: Fritz Stötzner
Mit: Vanessa Berbo, Stella Hilb, Vidina Popov, Elena Schmidt und Linda Vaher
Uraufführung am Maxim Gorki Theater: 16. Februar 2018


Weitere Infos siehe auch: https://gorki.de


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