When There´s Nothing Left To Burn
You Have To Set Yourself On Fire
Im Rahmen der AUTOR:INNENTHEATERTAGE bringt Tom Kühnel im Innenhof des Deutschen Theaters Chris Michalskis Konsum- und Gesellschaftssatire zur Uraufführung
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Bewertung:
Wie im letzten Jahr müssen die AUTOR:INNENTHEATERTAGE am Deutschen Theater Berlin wegen der Corona-Pandemie in den Herbst verlegt werden. Eines der drei Gewinnerstücke, die die Jury - bestehend aus dem Schriftsteller und Bühnenautor Lukas Bärfuss (Jurysprecher), der Theater- und Filmschauspielerin Fritzi Haberlandt und dem Musiker und Theatermacher Schorsch Kamerun - aus über 200 Einsendungen ausgesucht hat, ist When There's Nothing Left To Burn You Have To Set Yourself On Fire von Chris Michalski. Der Regisseur Tom Kühnel hat es nun als Open-Air-Inszenierung im Innenhof des DT uraufgeführt. Keine schlechte Idee, beginnt doch gerade das Wetter schöner zu werden, und alles drängt nach Wochen des Lockdowns wieder hinaus ins Freie.
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Der ausgesprochen lange englischsprachige Titel weist bereits indirekt auf den Inhalt des Stücks hin. Es geht um die Selbstverbrennung des Afghanistanveteranen Jan L. im Einkaufzentrum seiner Heimatstadt. Die Tat scheint aber trotz der Drastik kaum jemanden wirklich interessiert zu haben. Viel weiß man nicht über die Beweggründe des ehemaligen Bundeswehrsoldaten, und so macht sich die Influencerin und Videobloggerin Petra daran, Verwandte und Bekannte von Jan L. nach den Hintergründen zu befragen und die Interviews live ins Internet zu übertragen.
Was nach einem durchaus ernsten Stoff klingt, ist aber von Autor Chris Michalski eher als knallige Gesellschaftssatire gedacht. Zumindest bringt es Regisseur Tom Kühnel so auf einer von Jo Schramm im Innenhof aufgestellten schwarzen Hüpfburg vors durchweg gut gelaunte Open-Air-Publikum. Katrin Wichmann legt ihre Petra als 100prozentigen Social-Media-Profi an. Ihre Ansprachen ans Publikum sind mit Werbeinformationen nur so gespickt. Ihr Interesse gilt den Läden und Produkten des Paunsdorf-Centers am Rande Leipzigs. Eine Feine Konsum- und Medienkritik. Teils direkt vor dem Publikum, teils auf einem länglichen und wie ein Smartphone gestalteten Videoscreen trägt Petra ihre Recherche-Show vor. Sie spricht mit der Mutter des Toten, seinem Bruder und seiner Ex-Frau. Ein paar Live-Songs peppen die Inszenierung noch zusätzlich auf.
Anja Schneider und Manolo Bertling, beide schon am Schauspiel Leipzig engagiert, schlüpfen beherzt in die wechselnden Rollen. Ein Panoptikum seltsamer und kaputter Typen, die vergeblich ihren Platz in der modernen Konsumgesellschaft suchen. Die etwas ahnungslose Mutter, die schräge Ex, die Anja Schneider betont stark sächseln karikiert, oder der Bruder Chris, der Geschichten aus der Kindheit erzählt, niemand bekommt die Beweggründe von Jan L. wirklich zu fassen. Ein eher ruhiger und nachdenklicher junger Mann und Ex-Soldat, der eine ungeklärte Leerstelle hinterlässt. Nicht nur das erinnert an den jungen tschechischen Idealisten Zdeněk Adamec, der sich 2003 auf dem Prager Wenzelsplatz angezündet hatte und von Peter Handke mit einem gleichnamigen Stück bedacht wurde, das 2020 ebenfalls hier am DT zur Aufführung kam.
Michalskis Sprache ist aber wesentlich expliziter und näher am Volk, was die drei DarstellerInnen für einiges an komödiantischer Übertreibung nutzen. Dennoch bleibt ein Rest von Ernst, der die Inszenierung nicht vollends in die Farce treiben lässt. In den Beschreibungen eines Vorgesetzten und einer Kameradin werden der Charakter Jans deutlich und dass ihm die Hintergründe seines Dienstes in Afghanistan und die Einheimischen nicht völlig gleichgültig waren. Er sei nicht hart genug für den Job, was auf ein Posttrauma schließen lässt. Fast schon poetisch wirkt die Erzählung über die Schaffung einer Heim- und Feindesarmee durch den jungen Jan. Ein ausgeklügeltes System des strategischen Gleichgewichts. Am Ende singt Anja Schneider noch Marlene Dietrichs viel gecoverten Hit Sag mir, wo die Blumen sind. Michalskis humorige Gesellschaftssatire wurde sicher nicht zu Unrecht prämiert und dürfte sich zu den ATT im Herbst auch in den Kammerspielen gut machen.
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When There´s Nothing Left To Burn You Have To Set Yourself On Fire von Chris Michalski am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Arno Declair
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Stefan Bock - 8. Juni 2021 ID 12960
WHEN THERE'S NOTHING LEFT TO BURN YOU HAVE TO SET YOURSELF ONE FIRE (Innenhof, 06.06.2021)
von Chris Michalski
Regie: Tom Kühnel
Bühne: Jo Schramm
Kostüme: Juliane Kalkowski
Video: Bert Zander
Licht: Kristina Jedelsky
Dramaturgie: Juliane Koepp und Franziska Trinkaus
Mit: Manolo Bertling, Anja Schneider und Katrin Wichmann
Uraufführung am Deutschen Theater Berlin: 5. Juni 2021
Weitere Termine: 23., 26., 27.06.2021
AUTOR:INNENTHEATERTAGE 2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de/
Post an Stefan Bock
AUTOR:INNENTHEATERTAGE
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