Mediokres Stück
DER OPTIMIERTE von Tilla Lingenberg
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Bewertung:
Die Geschichte von Der Optimierte ist schnell erzählt: Ellen (Sandra Kiefer) und Lutz (Stephan Arweiler) haben einen Sohn, der in künstlicher Befruchtung im Labor entstand. Seine Entwicklung wird bis ins Detail überwacht und protokolliert. Nun ist dieser Sohn Alex eigentlich recht wohlgeraten und in allem überragend, auch ist er immer nett und vermeidet Gewalt. Tara (Jasmin Buterfas) arbeitet in dem Labor für künstliche Befruchtung und war an der Entstehung von Alex beteiligt. Ihr Sohn Tobi ist der beste Freund von Alex und in allem etwas weniger überragend. Nun stellt sich heraus, dass irgendwie alle Alex zwar ganz toll und nett finden, aber irgendwie auch unnormal perfekt – was sie dann wieder aufregt. Insbesondere Lutz kann mit seinem Sohn wenig anfangen und weint sich darüber bei seinem Freund Fred (Tom Pidde), einem Journalisten, aus. Die Situation eskaliert, als Tobi aggressiv wird und seinen einstigen besten Freund mit physischer Gewalt quält. Dann das „kleine Aufregerchen“ der Geschichte, das Journalist Fred ans Licht bringt: Alex ist ein Experimentenkind, für das gezielt die optimalen Eltern(zellen) zusammengeführt wurden! Um diese pseudodramatische Wendung herum entspinnen sich sprachlich wenig tiefsinnige Dialoge mit nervenaufreibenden Redundanzen, die im Kern um das Thema kreisen, wie optimal optimal ist und wie normal das Außergewöhnliche.
Die Geschichte an sich ist nicht besonders einfallsreich. Leider aber verfügt die Verfasserin auch nicht über die sprachlichen Ausdrucksmittel, um aus einer simplen Geschichte ein interessantes Stück zu machen – es fehlt dem ganzen Stück an Raffinesse und Reflektiertheit. Auf diesem Niveau kann auch an jedem Kneipentisch über Eugenik räsoniert werden.
Peinlicherweise geht dann auch noch hier und da unter, dass ja Ellen und Lutz gar nicht die genetischen Eltern sind. So sprechen Ellen und Lutz darüber, dass sie die „optimierten Durchschnittseltern“ seien – das kann aber doch eigentlich nicht sein, denn sie sind ja bloß die Austräger und Erzieher eines optimierten Durchschnittskindes. Auch mit der Logik ist es also nicht weit her in diesem Stück.
Was auch immer das Sprechwerk bewogen haben mag, dieses bestenfalls mediokre Stück in ihre Reihe „Wortgefechte“ aufzunehmen: Sie haben das Beste daraus gemacht. Sich davon zu überzeugen, dass exzellente Schauspieler aus einem schlechten Text noch etwas zumindest einigermaßen Unterhaltsames zu machen, ist eigentlich der einzige Grund, sich diese Inszenierung anzuschauen.
Ebenfalls sehr gelungen: das Bühnenbild. Die kühle Ästhetik und Pedanterie des Optimierten spiegelt sich wundervoll in der Einrichtung des Wohnzimmers von Ellen und Lutz. Mit nur wenigen Mitteln entsteht auf der Bühne aus angestrahlten weißen Kugel und grünen Schläuchen das Labor, in dem Alex entstand. Denkwürdig inszeniert sind zudem auch die „Männerabende“ von Lutz und Fred – kleinbürgerlich und gänzlich unoptimiert, bilden sie einen wirkungsvollen Kontrast zur (scheinbar) perfekten Ehewelt von Ellen und Lutz mit ihrem (nur scheinbar) perfekten Sohn Alex.
Wäre nur das Stück ein besseres gewesen!
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Der Optimierte von Tilla Lingenberg im Hamburger Sprechwerk | Bildquelle: sprechwerk.hamburg
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Ann-Kristin Iwersen - 18. September 2016 ID 9557
DER OPTIMIERTE (Hamburger Sprechwerk, 15.09.2016)
Regie: Friederike Barthel
Kostüm: Sharon Rohardt
Bühne: Amelie Hensel
Mit: Sandra Kiefer, Stephan Arweiler, Jasmin Buterfas und Tom Pidde
Uraufführung war am 2. September 2016
Weitere Termine: 5., 7. 10. / 18. 11. 2016 // 14., 15. 1. 2017
Weitere Infos siehe auch: http://sprechwerk.hamburg/
Post an Dr. Ann-Kristin Iwersen
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