schlammland
gewalt
von Ferdinand Schmalz
|
Foto (C) Arno Declair
|
Bewertung:
Der österreichische Dramatiker Ferdinand Schmalz ist bekannt für seine poetischen, sprach- und bildgewaltigen Texte, die an Elfriede Jelinek oder Werner Schwab erinnern. Nachdem der Autor in diesem Jahr den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt gewinnen konnte, wird er wohl auch bald seinen ersten Roman vorlegen. Zunächst hat er aber für die Box des Deutschen Theaters mit schlammland gewalt wieder einen seiner mit Wortspielereien reichen Theater-Text vorgelegt. Das Stück läuft in der Reihe „Limited Edition“, in der sich junge DramaturgInnen und RegisseurInnen in recht kurzer Vorbereitungszeit dem Publikum präsentieren können.
„Bierzeltluft, Brathendl und Blasmusik: In dieser Atmosphäre spielt der neue Text des Bachmann-Preisträgers Ferdinand Schmalz.“ heißt es in der Vorankündigung. Schmalz schaut wieder einmal in die österreichische Provinz, in der sich das Zusammentreffen von Natur- und menschlicher Gewalt zu einer Katastrophe entwickelt. Auf einem Dorffest mit Bierzelt und entsprechender Musi sorgen der Bauer Zeiringer und sein Knecht Scheuersberger dafür, das alles so bleibt wie es war. Während sein Sohn Toni sich draußen mit der nicht standesgemäßen Sandra trifft und auch der als Erzähler fungierende Brathendlverkäufer sich mit der Frau vom Scheuersberger in seinem Kühlanhänger verlustiert, versuchen die beiden Alteingesessenen die alte Ordnung mit Gewalt wieder herzustellen.
Schmalz schickt seinem kleinen Stück einen poetischen, vom Schauspieler Thorsten Hierse vorgetragenen Monolog voraus, indem wie in einer alten Sage die im Nebel verirrten toten Wanderer des Teufelsfelds beschworen werden. Eine mystische Naturbeschreibung, in der es um den Verlust der Orientierung, das Ungewisse in der Nebelwand und das Im-Kreis-Laufen geht. Zusammen mit dem braunen Schlamm, in den sich im dauernden Regen das Land um das Dorffest verwandelt, ergibt das eine recht gute Metapher für die sich momentan in Auflösung befindliche Gesellschaft. Die Gewalt, die sich im Stück Bahn bricht und vom Zeiringer als Gottesgeschenk empfunden wird, schlägt als Naturkatastrophe einer Schlammlawine auf die Dorfbewohner zurück.
Der Autor arbeitet wie schon in seinem Stück dosenfleisch mit Fleischmetaphern. So werden hier etwa die nackten Hendl im Kühlwagen mit den Leibern der sich dort Liebenden verglichen. Oder die Gesellschaft versinkt ähnlich wie im herzlfresser in einem stinkenden Sumpf. Schmalz verdichtet Öko- und Gesellschaftskrise zu schaurigen Sozialmärchen. Obwohl viel vom Fleischschneiden, von Dreck, Blut und spritzendem Bratensaft die Rede ist, bleibt die Inszenierung von Josua Rösing fast schon aseptisch rein. Die Bühne von Mira König besteht aus einer Plastikplane in deren Mitte Sebastian Deufel sein Schlagzeug zum Takt der Worte bedient. Thorsten Hierse, Caner Sunar, Olga Wäscher stecken wie nackte Hendl in beigefarbenen Kapuzenanzügen mit Gummischürzen. Sie pellen sich aus Folienverkleidungen und sprechen den Text sehr bedächtig die Worte dehnend. Josua Rösing verlässt sich hier ganz auf die Wirkung der deftigen Sprachbilder, ohne selbst bildend einzugreifen. Was das Spiel letztendlich aber so künstlich wie die Sprache selbst bleibt lässt.
|
schlammland gewalt am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Arno Declair
|
Stefan Bock - 23. Dezember 2017 ID 10439
SCHLAMMLAND GEWALT (DT-Box, 22.12.2017)
Regie Josua Rösing
Bühne / Kostüme Mira König
Musik Sebastian Deufel
Dramaturgie Ulrich Beck, Joshua Wicke
Live-Musik: Sebastian Deufel
Mit: Thorsten Hierse, Caner Sunar und Olga Wäscher
Uraufführung am Deutschen Theater Berlin: 22. Dezember 2017
Weitere Termine: 07., 24.01.2018
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutschestheater.de
Post an Stefan Bock
blog.theater-nachtgedanken.de
Premierenkritiken
Uraufführungen
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|