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Uraufführung

Adoleszenz



Der Mann aus Oklahoma von Lukas Linder am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold

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Mit Stücken von Wolfram Höll, Ferdinand Schmalz, Nolte Dekar oder Lukas Linder ist die kleine Spielstätte Diskothek unter dem Dach des Schauspiels Leipzig seit der Übernahme der Intendanz durch Enrico Lübbe auf Erfolgskurs. Ob Retzhofer Dramapreis, Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts oder Kleist-Förderpreis, die Bilanz der hier seit 2013 uraufgeführten jungen, deutschsprachigen Dramatik lässt sich durchaus sehen. Wolfram Höll wurde für sein Stück Und dann 2014 sogar mit dem begehrten Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet und zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen. Auch in der Spielzeit 2015/16 stehen insgesamt fünf Uraufführungen auf dem Leipziger Spielplan, die zum Teil bereits wieder Preise eingeheimst haben.

* * *

So auch Der Mann aus Oklahoma von Lukas Linder. Die Uraufführung des mit dem Kleist Förderpreis ausgezeichneten Stücks fand bereits im Juni bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen statt. Nach der Preisverleihung Anfang Oktober in Frankfurt/Oder ist die Adoleszenz-Komödie nun auch in der Diskothek Leipzig zu sehen.

Der 31jährige Schweizer Dramatiker beschreibt die Probleme des 13jährigen Fred, ohne eine männliche Identifikationsfigur erwachsen werden zu müssen. Er idealisiert seinen vor kurzem abgehauenen Vater Jack, verklärt die Erinnerung an ihn und träumt sich im Trenchcoat in die amerikanischen Kriminalromane von Raymond Chandler.

Hauptdarsteller Felix Axel Preißler gibt gleich zu Beginn eine Kostprobe der blühenden Fantasie des Jungen, indem er eine aufregende Doppelszene mit seiner Traumheldenfigur, dem Privatdetektiv Ray, und seiner Auftraggeberin in verteilten Rollen vorspielt.

Ansonsten gehört Fred in der Schule eher zur Gruppe der Niedlichen, für die es nie in Frage kommt, mit den Hübschen oder Coolen zu gehen. Seine Angebetete Cordula ist für ihn so unerreichbar. Ebenso wenig wie es für ihn möglich scheint, seine etwas überambitionierte Lehrerin (Annett Sawallisch) mit einem Vortrag zum Thema „Vater, Du Idol“ zufrieden zu stellen. Mit dem Thema scheitert auch die ebenso unscheinbare Mitschülerin Astrid (Runa Pernoda Schaefer), deren Vater, ein ehemaliger Ringer (Hartmut Neuber), beim Zerreißen ihres französischen Grammatikbuches versagt. Der absolute Tiefpunkt in Sachen heroischer Vaterfigur. Er tritt hier als liebenswerter, melancholisch philosophierender Trottel im roten Ringerdress auf.

Die Männer kommen insgesamt etwas schlechter weg, wogegen die Damenwelt völlig überdreht wirkt, und im Fall von Freds Mutter (Anne Cathrin Buhtz) wie ein 40er-Jahre-Hollywoodverschnitt von Lauren Bacall aussieht. Sie hat sich zur Ablenkung den erotomanischen Fitnesscoach Ehrlicher (Jonas Fürstenau) geangelt (auch nicht gerade ein Humphrey-Bogart-Typ), der Fred mit seiner Sammlung erotischer Grafik in die Welt der Männer einführen will. Bei diesem leicht übergriffigen Aufklärungsgespräch steckt der Ersatzpapa Fred einen Schnuller in den Mund, während vom Band der Rühmann-Klassiker La le lu erklingt.

Die sämtlich überzeichneten Figuren hat Autor Linder auch sonst stark am Klischee gebaut. Regisseur Marc Lunghuß setzt mit seiner Inszenierung noch einen drauf. Da versinkt doch manches zu sehr im Klamauk. Die Bühne von Tobias Schunck ist eine aufklappbare Waschbetonfassade, aus deren Öffnungen heraus die Figuren wie in einem Puppenhaus agieren. Die Villa des wohlstandsverwahrlosten Chris (Florian Steffens), hinter deren Fenstern Fred seinen Vater vermutet, ist ein Kitsch-Traumgebilde mit Triton-Brunnen, Pelikan und grünen Elefanten. Hier versucht Fred, gefolgt von Astrid, in einer Gewitternacht einzusteigen. Allerdings, der titelgebende Mann aus Oklahoma (ein alte Ringer-Anekdote von Astrids Vater) bleibt natürlich reine Jungs-Fantasie und das Ende relativ offen. Auch wenn Fred nach seinem Sturz von der Leiter leicht weggetreten in einen Krankenhauskittel gesteckt nochmal das Victory-Zeichen macht, ist ihm schon klar, dass es für seinen Traum von einer echten Vater-Sohn-Beziehung wohl irgendwann zu spät sein wird.



Der Mann aus Oklahoma von Lukas Linder am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold

Stefan Bock - 21. Oktober 2015
ID 8935
DER MANN AUS OKLAHOMA (Diskothek, 18.10.2015)
Regie: Marc Lunghuß
Bühne & Kostüme: Tobias Schunck
Musik: Simon Bodensiek
Licht: Carsten Rüger
Dramaturgie: Christin Ihle
Mit: Simon Bodensiek, Anne Cathrin Buhtz, Jonas Fürstenau, Hartmut Neuber, Felix Axel Preißler, Annett Sawallisch, Runa Pernoda Schaefer und Florian Steffens
Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen 2015 und dem Kleist Forum Frankfurt/Oder
Uraufführung bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen war am 9. Juni 2015
Leipziger Premiere: 11. 10. 2015
Weitere Termine: 29. 10. / 22. 11. 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspiel-leipzig.de


Post an Stefan Bock

blog.theater-nachtgedanken.de

Uraufführungen



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