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ohne Sinn



Sören Wunderlich in Love you, Dragonfly am Theater Bonn | Foto (C) Thilo Beu

Bewertung:    



Drachen gibt es nicht. Auch nicht im Theater. Aber es gibt hochfliegende Gedanken. Verwinkelt und verwoben lauern darunter Textflächen, die man liebevoll ausbreiten kann. Und ausspeien kann man sie auch, sodass die Spucke fliegt. Wie in einem flirrenden Fiebertraum eröffnen sich in Fritz Katers Love you, Dragonfly [6 Versuche zur Sprache des Glaubens] rauschhaft unglaubliche Geschichten, ein Sammelsurium grenzenloser Phantasie. In den Bad Godesberger Kammerspielen versetzen sich fünf tapfere Darsteller in diese Textwut hinein und schreien und brüllen in einem wilden Durcheinander theoretischer Bezüge. Es eröffnen sich dem geneigten Zuhörer irrwitzige Monologe, denen oft auch mimisch und gestisch Nachdruck verliehen wird, ohne dass eine Handlung oder ein Konzept erkennbar werden.

Die zum Publikum hin abschüssige, karge und halbkreisrunde Bühne fährt im Stückverlauf mal nach unten und mal nach oben. Auf sie regnet es erst in verschiedenen Größen ausgeschnittene Buchstaben, dann Kunstschnee und bald Papier. Auf den Boden verteilte Buchstaben sammeln die Darsteller während des Stückes auf. Sie tauschen sich lebendig über das zu eruierende Wort aus, und mit viel Geduld finden die Buchstaben so zueinander, dass sich aus der Buchstabensuppe ein Sinn ergibt. Jeweils zum Anfang einer neuen Szene werden so die Worte „Liebe“, „Familie“, „Fortschritt“ und „Gott“ aufgehängt. Später überschreiben die Darsteller mit Kreide großformatig die ganze Wand mit den Lettern des Begriffs „Freiheit“. Ganz am Ende wird noch „Leben“ auf die Wand projiziert. Dem Autor des Dramas geht es also [wie schon in seinem Werk Buch (5 ingredientes de la vida) am Schauspiel Stuttgart] darum, diese weitgefassten Begriffe mit Leben zu füllen und soziale Konzepte zu illustrieren. Es verlangt dann aber doch viel an Einfühlungsvermögen, um während des oft atemlosen Vortrages das Erzählte auf sich wirken zu lassen. Mal geht es um Sibirien in den 30er Jahren, dann um die Selbstverwirklichung eines vorgeblichen „self-made-man“, schließlich um Deserteure in Kirgisistan in den 40ern. Auch das Innere eines Panzers und eine Geschlechtsumwandlung darf man sich ausmalen. Die lebendig vorgetragen Erlebnisberichte wirken meist zu konstruiert und übersteigert, um tatsächlich nachvollziehbar zu erscheinen.

Fritz Kater ist das Alter Ego und Schriftsteller-Pseudonym des nicht ganz unumstrittenen Intendanten vom Stuttgarter Schauspiel. Dieses Jahr wurde er für die Uraufführung vom besagten Buch (5 ingredientes de la vida) zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Die ebenso wie Love you, Dragonfly wortgewaltige und anspielungsreiche Stuttgarter Inszenierung faszinierte vor allem durch atemberaubende Bühnenbildeinfälle, ausdrucksstarke Choreographien und spannungsreiches szenisches Spiel. Auch Alice Buddeberg, Regisseurin von Love you, Dragonfly, wurde dieses Jahr mit einer Uraufführung zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Ihre Inszenierung von Thomas Melles Bilder von uns fesselte aufgrund des psychologischen Gespürs für feine Nuancen der Geschichte. Für psychologische Nuancen oder szenisches Spiel fehlt es in Love you, Dragonfly an Raum. Halsbrecherische Geschichten werden monologisch monotone und einfallsarm inszenierte Geschütze. Selten horcht man im wüsten Textstrom auf, etwa wenn der auf der Bühne plötzlich beinah völlig entblößte Holger Kraft zeitgleich eine männliche und eine weibliche Figur aus sich sprechen lässt, indem er mal seine Brüste und mal seinen Bauch hervordrückt. Wie schade, dass die Darstellung zu oft auf den reinen Textvortrag reduziert wird. Es ist eine schöne Utopie, im Theater auf der Suche nach einer neuen Sprache zu sein. Doch man sollte sich auf dieser Suche nicht selbst verlieren.



Love you, Dragonfly am Theater Bonn | Foto (C) Thilo Beu

Ansgar Skoda - 8. Oktober 2016
ID 9609
LOVE YOU, DRAGONFLY [6 VERSUCHE ZUR SPRACHE DES GLAUBENS] | Kammerspiele Bad Godesberg, 07.10.2016
Regie: Alice Buddeberg
Bühne: Cora Saller
Kostüme: Emilia Schmucker
Musik: Stefan Paul Goetsch
Licht: Sirko Lamprecht
Dramaturgie: Jens Groß
Mit: Lena Geyer, Mareike Hein, Holger Kraft, Birte Schrein und Sören Wunderlich
Premiere am Theater Bonn: 7. Oktober 2016
Weitere Termine: 9., 21. + 27. 10./ 5. + 11. 11. 2016


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de

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