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Premierenkritik

Kein Glück

mit der

Liebe



Love Hurts in Tinder Times im Studio der Berliner Schaubühne | Foto (C) Gianmarco Bresadola

Bewertung:    



Nachdem Lars Eidinger sich nur noch in Filmen für die Holocaustforschung auszieht, ist nun Tatort-Kommissar Mark Waschke an der Berliner Schaubühne für ihn eingesprungen. Und er macht dabei im neuen Stück Love Hurts in Tinder Times von Planet-Porno-Erfinder Patrick Wengenroth gar keine so schlechte Figur als Body-Action-Painter. Stehen einige Farbeimer neben einem mit weißer Folie ausgelegtem Bühnenboden, der vermutlich schon bei den Proben etwas bekleckert wurde, dann weiß man eigentlich sofort, was gleich passieren wird. Und so lassen Lise Risom Olsen, Andreas Schröders und Mark Waschke auch zu den Klängen von Sades "Smooth Operator" sofort alle Hüllen fallen und matschen sich mit kindlicher Freude und Naivität von oben bis unten mit Farbe ein. Die Colours of Love sind hier überwiegend blau mit ein paar Spritzern rot und gelb. Die Yves-Klein-Körperabdrücke auf durchsichtigen Folien werden danach stolz an Traversen hochgezogen.

Zuvor durfte allerdings der Realisator des Stücks, Patrick Wengenroth, noch zeigen, dass ihm mittlerweile auch der engste Fummel passt. Auf Mega-High-Heels besingt der Regisseur mit "Love Is A Catastrophe" von den Pet Shop Boys das Motto des Abends. Statt in den titelgebenden Online-Tinder-Times steckt der dann doch verdammt tief in den analogen 80th und kommt auch sonst so ziemlich old fashioned daher. Das ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass die Liebe, oder die gute alte Beziehungskiste, eben eine uralte Story, wenn nicht die älteste überhaupt ist. Bis auf ein paar Tipps von Andreas Schröders für Online-Liebesspielzeug geht es dann erstmal um die liebe gute Eifersucht in der heteronormativen Zweierbeziehung, die in den Zeiten von Gender Studies und sonstigen Verwirrungen auch mal ein wenig polyamourös zu dritt daher kommen darf. Aber, das ist nicht etwa das, wonach es aussieht, versichern sich die drei, wenn sie immer wieder übereinander herfallen.

O Gott, o Gott. Das trieft in seiner Unbeholfenheit und nervtötenden Sexualratgeberprosa doch jedem x-beliebigen Rechercheabend am Maxim Gorki Theater um Jahre hinterher. Wenn man nicht wüsste, dass Wengenroth sich auf den ironischen Unterton verstünde, man müsste besorgt sein um den Zustand der liebebedürftigen Ü40-Generation. Die hat dann auch schon so einiges erlebt, was hier in ein paar persönlichen Beichten ausgebreitet wird. Und sind es nicht die eigenen Erlebnisse, dann die der fremdgehenden Eltern von Mark Waschke, oder Partyerinnerungen in der Gartenlaube. So palavert man zwischen Deutsch und Englisch über den Freiheitsbegriff in der Liebe, den handelnden Beziehungskörper, Grenzen und Vereinbarungen der offenen Beziehung und Achtsamkeit und Wahrnehmung. Kommunikation ist alles. Es wird von romantischer Liebe geschwärmt und über Liebesleid geklagt. „Use your suffering.“ ist der tröstende Ratschlag. Lise Risom Olsen meint, Sex sei auch wie gute oder schlechte Kunst machen. Manchmal eben auch eine große Katastrophe.

Zwischen Love hurts und Love heals gibt es also doch noch einiges Berichtenswertes. Ansonsten singt man "Careless Whisper" von Georg Michael, "Don't You Want Me, Baby?" von The Human League, oder "Greatest Love Of All" von Whitney Houston. Matze Kloppe spielt dazu die 80th-Schweineorgel. Auch wenn Mark Waschke in selbstironisch gespielter Wut den ganzen Zauber am Ende selbst für Quatsch erklärt, Patrick Wengenroth hat nach seinem Feminismus-Abend thisisitgirl auch mit der Liebe kein großes Glück. Es gab schon wesentlich Erkleck(s)licheres von ihm an der Schaubühne zu sehen.



Love Hurts in Tinder Times im Studio der Berliner Schaubühne | Foto (C) Gianmarco Bresadola

Stefan Bock - 29. Januar 2017
ID 9811
LOVE HURTS IN TINDER TIMES (Studio, 28.01.2017)
Realisation: Patrick Wengenroth
Bühne: Mascha Mazur
Künstlerische Mitarbeit Bühne: Céline Demars
Kostüme: Ulrike Gutbrod
Musik: Matze Kloppe
Dramaturgie: Sina Katharina Flubacher
Mit: Matze Kloppe, Lise Risom Olsen, Andreas Schröders, Mark Waschke und Patrick Wengenroth
Musik: Matze Kloppe
Premiere an der Schaubühne Berlin: 28. Januar 2017
Weitere Termine: 03.-08.02. / 21.-23.03.2017


Weitere Infos siehe auch: http://www.schaubuehne.de


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