Autorentheatertage Berlin 2016
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Lupus in Fabula von Henriette Dushe
Schauspielhaus Graz
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Bewertung:
„Der Tod, der Tod, der Tod… ist eine blöde Sau.“ heißt es in Lupus in Fabula von Henriette Dushe. Die junge deutsche Dramatikerin wurde 2013 für ihr Stück mit dem Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts ausgezeichnet. Regisseurin Claudia Bossard hat im Januar 2016 am Schauspiel Graz die österreichische Erstaufführung besorgt. Am letzten Wochenende gastierte ihre Inszenierung bei den gerade begonnenen AUTORENTHEATERTAGEN im Deutschen Theater Berlin. Der sprichwörtliche Wolf, den man hier beim Namen nennt und somit herbeiruft, ist nichts anderes als der Tod, „die schreckliche Begegnung, die für das Subjekt ironisch erscheinende Vereinigung von Konkretem und Absolutem, und der Gipfel der Ironie ist, das dies noch nicht einmal erfahrbar ist, für das Subjekt.“ Jedenfalls keine Erfahrung, die man später nutzen könnte.
So weit, so philosophisch, so ironisch und gut. Ganz konkret befasst sich der Abend dann mit der Auseinandersetzung dreier Schwestern mit dem bevorstehenden Tod ihres erkrankten Vaters. Mit Krankheit, dem Sterben und dem Tod an sich beschäftigt sich unsere Gesellschaft kaum. Nis Momme Stockmann hat das 2011 in seinem am Deutschen Theater uraufgeführten Stück Die Ängstlichen und die Brutalen recht drastisch getan. Da war der Vater allerdings schon verschieden. Man spricht nicht gern über dieses Thema und verdrängt den Gedanken an den Tod. Und so verarbeitet jede der Schwestern das Dahinsiechen des einst ganz stattlichen Erzeugers auch auf ihre eigene Weise.
Die Älteste (Evamaria Salcher) hat sich ganz der Pflege des Vaters verschrieben, kommentiert seinen körperlichen und geistigen Verfall hin zu einem Riesenbaby, das man wieder wickeln muss, und widmet sich ansonsten der Ausformulierung einer möglichst perfekten Grabrede. Die Mittlere (Veronika Glatzner) versucht das Leben mit Naturträumereien festzuhalten, was letztendlich um ein sich ständig änderndes Bild des Werdens und Vergehens kreist, und hält dem sterbenden Vater ihr eigenes, gerade erst geborenes Kind entgegen. Die Jüngste bastelt eher erfolglos an ihrer Karriere, schaut mit dem Fernglas in die Zukunft und wünscht sich die Anerkennung des Vaters.
Katharina Trajceski hat drei verschiedene Schränke auf die Bühne gestellt, aus oder hinter denen die Schwestern hervorkriechen. Sie telefonieren mit alten Tastenapparaten, monologisieren oder streiten miteinander und bauen dabei die Schränke um und auseinander. Darinnen befinden sich Küchenutensilien, Medikamente und Wärmflaschen, die nach und nach von der Ältesten auf die Spielfläche geworfen werden, oder Musikkassetten, die die Mittlere immer wieder in einen Rekorder steckt, um die Erinnerung an die Kindheit und Jugend zu wecken.
Drei verschiedene Charaktere - pragmatisch, verträumt, unsicher - finden sich am Bett des Vaters zusammen. Sie sprechen über vergangene Kindheitserlebnisse und auch mal über eigene Probleme. Wissensspiele mit dem Vater, Nordseeurlaub, Arbeit, Baby, Stuhlgang-Philosophien - die Schilderungen der drei Frauen verweben sich zu einem langen gemeinsamen Betttuch aus persönlichen Erinnerungen, das sie später dann bildlich über die ganze Szene ziehen. Sie suchen nach Erklärungen für das eigene Leben und das unvermeidliche Ende, die ihnen der Vater in seiner Verwirrtheit nicht mehr geben kann.
Ein schweres Thema, das Henriette Dushe in eine eindrückliche, bildhafte Sprache fasst, und das von Claudia Bossard mit leichter Hand und tollen Schauspielerinnen inszeniert wird. Ein recht mutiger Versuch mit dem Wolf zu tanzen und zu heulen - gegen die eigenen Zweifel und Ängste.
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Lupus in Fabula | Foto (C) Lupi Spuma / Schauspielhaus Graz
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Stefan Bock - 14. Juni 2016 ID 9383
LUPUS IN FABULA (DT-Box, 12.06.2016)
Regie: Claudia Bossard
Bühne: Katharina Trajceski
Kostüme: Susanne Leitner
Dramaturgie: Jennifer Weiss
Mit: Evamaria Salcher (die Älteste), Veronika Glatzner (die Mittlere) und Vera Bommer (die Jüngste)
Uraufführung beim Heidelberger Stückemarkt 2014
Österreichische EA am Schauspielhaus Graz: 21.01.2016
Gastspiel des Schauspielhauses Graz zu den Autorentheatertagen Berlin 2016
Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielhaus-graz.com
Post an Stefan Bock
blog.theater-nachtgedanken.de
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