Verwirkte Selbst-
verwirklichungen
PHOSPHOROS von Nis-Momme Stockmann
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Bewertung:
Der Titel (Phophoros) ist Scheiße - doch das Stück ist toll!
"In der Antike nannte man den Morgenstern Phosphoros (Lichtbringer) und den Abendstern Hesperos, obwohl es sich um ein und denselben Planeten handelt: die Venus. Die Venus, das nach Sonne und Mond hellste Gestirn unseres Sternensystems, steht gleichermaßen für Licht, Kraft, Schönheit und Liebe wie für Schatten, Finsternis, Rausch und Verzweiflung", werden wir (wg. des Scheißtitels) von deutschestheater.de kurzbündig aufgeklärt; okay, okay.
Dramatiker Nis-Momme Stockmann, der im Jahre 1981 auf der Insel Föhr geboren wurde, hat das tolle Stück geschrieben; meistens können Leute, die aus der Provinz stammen (Föhr ist nun mal nicht San Francisco), Stücke schreiben... also falls sie eingefleischte Stückeschreiber sind.
Aber zurück zum Stück, hopp-hopp:
Zwei Hauptfiguren lassen sich - vom Hören her - aus Stockmanns Personnage herauserkennen: Physiker Lew Katz (Johannes Zirner) und Kontrabassspieler Basil (Lukas Turtur). Beide treten in Beziehungen sozialig zementierter wie rein zufälliger Art. Lew Katz hat eine Frau (gespielt von Katrin Röver), eine Sekretärin & Verehrerin (gespielt von Katharina Pichler) und 'nen Hund, den seine Frau für sich wie ihn besorgte. Basil trifft auf einen schwulen Rezeptionisten eines ländlichen Hotels (gespielt von Thomas Gräßle [war'n die herrlich-schönen langen Haare echt? das sah schon megageil aus!]), wo er einen Auftritt hat, und wartet dort auf seinen Kontrabass, den seine Assistentin Eva (gespielt von Juliane Köhler) ihm nachbringen soll. Im ICE sind dann noch Zugbegleiter Jörg (gespielt von Arthur Klemt) und Minijobberin Marlene (gespielt von Genija Rykova). Außerdem gibt's Boris + Frank Seibl + das Lindenblatt (mit vielem "Husch" und "Hasch" gesprochen und herumgesprungen von Franz Pätzold)...
Alle sind sie mit sich unzufrieden also ausgehöhlte hohle Typen, weil sie nur an ihren Scheißkarrieren basteln und an nichts mehr Anderes (außer die Scheißkarrieren) denken können und darüber immer hohler werden. Das bewirkt, dass sie selbstredend nur mit sich höchstselbst beschäftigt sind und daher auch nur dementsprechend meistens lauter Scheiße von sich geben - die Vokabel (= "Scheiße"), übrigens, wird von dem Stockmann fast genauso oft [wie hier bei uns sprich bei KULTURA-ERXTRA] seinen Hohlkörpern sprich Hauptgestalten in den Mund gelegt; ja, sowas Unverblümtes tut uns immer stark gefallen.
Mit 3 Stunden Spieldauer hat dieser Gastauftritt des Residenztheaters München (Inszenierung: Anne Lenk) eine beachtlich-überlange Länge; hätte man die beiden grauenhaften und nicht enden wollenden Physik-Fachvorlesungen von Lew Katz zu streichen sich bemüht gehabt, wäre die Aufführung um eine halbe Stunde kürzer und das Stück im Inhaltlichen nicht gestutzt gewesen - dieses Fachgequatsche brachte so und so am Ende nix.
Alles in Allem: Stockmann hält mit seinem Stücktext der Gesellschaft (uns!) den Spiegel derart krachend vor, dass man schon wieder gut gelaunt nach Hause geht, weil irgendwie so etwas wie "Erkenntnis" kam: Karriere? Hä??
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Nachdem das Resi zum Theatertreffen seinen zwischenzeitlich längst Theatergeschichte gemacht habenden Castorf-Baal genüsslich vorführte, hatte es jetzt - bei seinem neuesten Berlin-Trip - einmal mehr unter Beweis gestellt, was es doch für ein querulantes, quirliges Theater ist.
Ihr kommt doch hoffentlich bald wieder, gell?!
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Andre Sokolowski - 21. Juni 2015 ID 8716
PHOSPHOROS (Deutsches Theater Berlin, 20.06.2015)
Regie: Anne Lenk
Bühne: Judith Oswald
Kostüme: Silja Landsberg
Musik: Jan Faszbender
Licht: Uwe Grünewald
Dramaturgie: Andrea Koschwitz
Mit: Johannes Zirner (Lew Katz), Juliane Köhler (Schäfer-Werle, Eva), Katrin Röver (Anne Katz), Genija Rykova (Marlene), Franz Pätzold (Boris, Frank Seibl, Lindenblatt, Alte Frau ), Lukas Turtur (Basil, Jonas ), Thomas Gräßle (Schröder, Martin), Katharina Pichler (Berle, Frau Kadow, Sprechstundenhilfe) und Arthur Klemt (Jörg, Dekan)
Uraufführung bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen war am 31. Mai 2014
Gastspiel des Residenztheaters München
AUTORENTHEATERTAGE BERLIN 2015
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutschestheater.de/
Post an Andre Sokolowski
http://www.andre-sokolowski.de
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