MASSE
Choreographien von Tim Plegge, Nadja Saidakova und Xenia Wiest / Musik von Henrik Schwarz, Dettmann & Wiedemann und DIN
|
Plakatmotiv © Norbert Bisky / VG Bild-Kunst Bonn 2012
|
Berghain, Bisky, Berlins Staatsballett
|
Im Ostberliner Berghain - einer wahren Kultstätte nicht nur der internationalen Club- und Technoszene - geht die Post seit eh und je so richtig ab. An der Adresse kam und kommt wohl Keiner, der entsprechend "auf sich hält", vorbei. Als Ende März, kurz vor der Winter/Sommer-Zeitumstellung, eine Riesenmännerschlange vor dem legendären und so überimposant sich präsentierendem Gemäuer nicht zu übersehen war, konnte man nachträglich den Anlass dieser maskulinen Aufwartung herangoogeln; eine der weltweit größten Sexveranstaltungen (pervy party, play safe, men only!) war der kommenswerte Anlass dieser Tausenden. Und sowieso; neben dem Berghain, vielmehr linkerseits und etwas unter ihm, befindet sich das Lab.Oratory, wo bei vielfältigen "Themenabenden" (heute z.B., Samstag, die bei Jung und Alt beliebten Yellow Facts) sich bis zum Morgengrauen aufzuhalten durchaus lohnte...
Hier also, in dieses scheinbar sündenbabelartige Terrain, hat es nunmehr das Staatsballett Berlin mit einem ausschließlichen Uraufführungs-Abend hin verschlagen; das allein finden wir schon genial!!!
Aber im Ernst jetzt, und ganz offiziell: Der Hauptgrund, warum diese heutige Premiere so zentral und wichtig eingestuft wurde, war - außer den im Anschluss noch zu kommentierenden drei Tanzstücken - der Tatsache geschuldet, dass nämlich Berlin mit der ab diesem Tag neu aufgeschlossnen Halle Berghain (s. u.) eine neue kulturelle Spielstätte bekommen hat. Die unter Denkmalschutz stehende Heizkraftwerksruine hat die Dimensionen eines ausgehöhlten Industrietempels! Die angerichtete Tribüne mit den (wieviel hundert?) Klappstühlen geht steil also amphitheatermäßig in die Höhe. Blickt man dann von seinem Sitz noch weiter höher, wird es Einem schon mitunter schwindlig, denn die Decke ist so derart weit entfernt, dass man auf die Vermutung käme, dass dort oben, irgendwo, noch Vögel, die man freilich dann nicht sieht, in jenen überhohen Wänden brüten könnten oder so...
* * *
Der Künstler Norbert Bisky hat sich für die große Einzugsfete (mit dem/für das Staatsballett Berlin) ein ausgebranntes Bus-Wrack von der BVG besorgt. Das hat er rechts, nur bis zur Hälfte, etwas schräg und hochkant installiert. Es sieht schon sehr bedrohlich aus, und es dient gleichsam als einziger Aufbau seines Bühnenbildes. Außer dem Vehikel existiert die weiträumige Tanzfläche, die hinten eine Art von Rutschbahn aufweist, auf der die Agierenden, wie aus der Ziegelwand, je nach dem Stück und ob sie tatsächlich für so etwas gebraucht würde, herausfallen; riesige Lautsprecher und Scheinwerfer sind außerdem, obgligatorisch, auszumachen.
|
Quinque viae - dynamics of existence von Xenia Wiest - Foto © Bettina Stöß
|
Boson von Nadja Saidakova - Foto © Bettina Stöß
|
They von Tim Plegge - Foto © Bettina Stöß
|
Drei junge Choreografen (2 Frauen und 1 Mann) machten sich ernst zu nehmende Gedanken zu dem Schlüssel-Thema dieses Uraufführungsabends, der da MASSE hieß.
Wir wollen kurz an dieser Stelle Das vermerken, was uns (Tanz-Laien) von den drei dargebotenen Tanzstücken in markantester Erinnerung geblieben ist:
Bei Quinque viae - dynamics of existence (Choreographie: Xenia Wiest) gibt es eine Momentaufnahme, wo ein allgemeingültiges Bild wiedererkennbar wird - diese Entwicklungsabschnitte bis zum aufrechten Gang, also vom Ur-Neandertaler bis zum "vollkommenen" Menschen...
Boson (Choreographie: Nadja Saidakova) zeigt uns reptilige Gestalten, die sich irgendwie dann yogahafter Weise (meistens in sich selbst verschlingend) fortbewegen. Ein Gekrieche und Gekrauche. Und zudem fließt wie in Zeitlupe ein sirupartiges Gemisch (aus unsichtbaren Leimkanistern), welches Bisky's Buswrack währenddessen aus sich lässt...
In They (Choreographie: Tim Plegge) hört man "richtige" Musik, es sind so ein Klavier, ein Cello, ein paar Geigen und eine Gitarre zu vernehmen. Dazu tanzen ein paar Paare (höchstwahrscheinlich Liebespaare) miteinander. Und nachdem sie mit dem Tanzen fertig sind, hört (höchstwahrscheinlich) ihre Liebe, die sie miteinander zelebrierten, nach und nach dann wieder auf...
Nur lose Eindrücke von uns; mehr nicht.
Halle war/ist wohl angenommen!
Tosende Begeisterung!!
|
Andre Sokolowski - 5. Mai 2013 ID 6737
MASSE (Staatsballett Berlin, 04.05.2013)
Bühnenraum: Norbert Bisky
Kostüme: Julia Mottl
Quinque viae - dynamics of existence
Choreographie: Xenia Wiest
Musik: DIN (Efdemin & Marcel Fengler)
Es tanzen: Elisa Carrillo Cabrera, Weronika Frodyma, Ilenia Montagnoli, Caroline Bird, Christiane Pegado, Ibrahim Önal | Leonard Jakovina | Gauthier Dedieu, Federico Spallitta, Alexander Korn, Martin Arroyos, Giacomo Bevilacqua, Sacha Males und Sven Seidelmann
Boson
Choreographie: Nadja Saidakova
Musik: Marcel Dettmann & Frank Wiedemann
Es tanzen: Iana Salenko, Anastasia Kurkova, Iana Balova, Maria Boumpouli, Vladislav Marinov, Dominic Hodal, Kévin Pouzou und Aymeric Mosselmans
They
Choreographie: Tim Plegge
Musik: Henrik Schwarz
Es tanzen: Shoko Nakamura, Krasina Pavlova, Anissa Bruley, Soraya Bruno, Haley Schwan, Michael Banzhaf, Arshak Ghalumyan, David Simic und Alexander Shpak
Uraufführungen in der Halle am Berghain waren am 4. Mai 2013
Weitere Termine: 7. - 10., 14., 16., 18., 22., 24. + 25. 5. 2013
Halle am Berghain
Am Wriezener Bahnhof 1
10243 Berlin
"Die Halle am Berghain ist ein ehemaliges Heizkraftwerk, das 1954/1955 im Rahmen des Nationalen Aufbauprogramms der DDR im Zusammenhang mit dem Ensemble der Karl-Marx-Allee errichtet wurde. Seit Anfang der 90er Jahre steht das Gebäude leer. Das Berghain nimmt sich mit dieser Kooperation ebenso der Verantwortung gegenüber dem Denkmalschutz an, indem das Gebäude durch notwendige Baumaßnahmen vor dem Verfall geschützt wird und als wesentliches Industriedenkmal der DDR erhalten bleibt." (Quelle: staatsballett-berlin.de)
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsballett-berlin.de
http://www.andre-sokolowski.de
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|