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Fritz & Grete


DER FERNE KLANG
von Franz Schreker


Franz Schreker um 1911 | Bildquelle: Wikipedia

Der ferne Klang ist eine Oper von Franz Schreker (1878-1934).

Schreker über sich: "Ich bin Impressionist, Expressionist, Internationalist, Futurist, musikalischer Verist; Jude und durch die Macht des Judentums emporgekommen, Christ und von einer katholischen Clique unter Patronanz eine erzkatholischen Wiener Fürstin 'gemacht' worden. (...) Ich bin Melodiker von reinstem Geblüt, als Harmoniker aber anämisch, pervers, trotzdem ein Vollblutmusiker! Ich bin (leider) Erotomane und wirke verderblich auf das deutsche Publikum (die Erotik ist augenscheinlich meine ureigenste Erfindung trotz Figaro, Don Juan, Carmen, Tannhäuser, Tristan, Walküre, Salome, Elektra, Rosenkavalier u.s.f.)."

Gut zu lesen! Spürt man gleich, also sofort: Der Mann hat Witz, er stellt sich einfach neben sich...

Der ferne Klang hat insofern mit ihm (dem Dichterkomponisten [der mit Wagner allenfalls, wie wenn man eine Birne mit einem Apfel "vergleichen" wollen würde, zu tun haben könnte; rein obsttechnisch vielleicht, mehr sicher nicht]) in rudimenter Art zu schaffen, dass er sich (als Komponist) den absoluten Seelen-Gau vor-vorzustellen wagte - schlichter ausgedrückt: Taug' ich am Schluss als Komponist? Genau diegleiche Frage, ungefähr, stellt sich nämlich sein Opernheld mit schlichtem Namen Fritz, also:

Fritz liebt die Grete. Grete stammt aus primitivem Elternhaus, so eine Art von Lieschen Müller, wie es leibt und lebt. Sie ist ihm, nach vollzognem ersten Liebesakt, verfallen. Aber Fritz hat Höheres als sie im Sinn, sucht nach dem Fernen Klang; und Grete findet sich mit dem Gedanken ab, sie haucht ihm freilich vor dem Abschiedskuss ins Ohr, so sinngemäß, 'wenn du den Fernen Klang gefunden hast, kommst du doch zu mir wieder, gell?' - 'Natürlich, Schatz, was dachtest du', antwortet Fritz der Grete, und so ungefähr... / Nach 15 Jahren (zwischenzeitlich hat sich Grete - ihre größte Heldentat im Übrigen - als Edelhure mannhaftigst emanzipiert gehabt) taucht plötzlich der Freund Blase wieder auf; Fritz' neue Oper fällt mit Pauken und Trompeten durch, er hat den Fernen Klang "nicht richtig" finden können, und obgleich der Ferne Klang, als Halluzination, in Fritz'chens Komponisten-Superhirn herumgeistert; aber der Mann ist halt am Ende seiner Tage angelangt und sucht jetzt nur noch nach der Übermutter, die ihn trösten täte für sein künstlerisches Scheitern allgemein - sein menschliches Versagen freilich im Besonderen!! (Moralkeulig gesprochen: Lebe nicht am Leben, wegen einer ungreifbaren "höheren" Geschichte [Ferner Klang und so], vorbei!) Gret'chen und Fritz'chen finden sich zurück. Sie wiegt ihn in den Schlaf. Schluss, Sense, aus, vorbei.




In Venedig ist sich Grete Graumann wahrlich nicht mehr sicher, wer denn nun der eigentliche Liebste ihres vormaligen Lieschen-Müller-Lebens war und ist; die beiden Männer sehen nämlich ziemlich gleich aus, wie man sehen kann. Szene aus Schrekers Oper Der ferne Klang, die jetzt wieder an der Deutschen Staatsoper Berlin zu sehen und zu hören ist - Foto (C) Ruth Walz


Michael Gielen initiierte vor zehn Jahren diese Inszenierung an der Deutschen Staatsoper Berlin. Hier hatte ganz zuletzt Der Schmied von Gent (1981) Premiere. Schreker-Opern standen allerdings, zur Lebenszeit des Komponisten, immer und sehr regelmäßig auf dem Spielplan in Berlin; bis Schreker, wie so viele seiner Leidensgefährten, von den Nazis als Jude verstoßen und als Künstler für "entartet" erklärt worden war; er geriet so in die Schockstarre, starb 1934.

Der Zauber dieser jetzt wiederaufgenommenen Produktion (Regie: Peter Mussbach) geht eindeutig von den Musikern der Staatskapelle Berlin (Dirigent: Pedro Halffter) aus. Sie sind schrekererfahren! Und obgleich schon Gielen, der die Inszenierung vor zehn Jahren musikalisch betreute, von einer gewissen Trivialität der Schreker'schen Musik zu sprechen sich genötigt sah, ist man doch völlig fasziniert von diesem insgesamt so uneinordbar-ungreifbaren Klang. Es gibt nicht annähernd ein Beispiel, wo man sagen wollen würde: Schreker klingt wie... Nein, diese Musik gehorcht wohl durch und durch den eigenen, selten zu dechiffrierenden "Gesetzen" ihres Komponisten, der darum wohl eigentlich (und außerordentlich sympathisch) als Persönlichkeit "mit Stil" zu uns herüberkommt...

Mit Burkhard Fritz und Anne Schwanewilms konnte ein Protagonistenpaar gewonnen werden, dem man diese Gallensüße Schreker'scher Verlautbarung im FERNEN KLANG glaubhaft-genussreich abzukaufen gern bereit gewesen war.

Sehr großer Jubel insgesamt.



Andre Sokolowski - 18. Januar 2010
ID 4525
DER FERNE KLANG (Deutsche Staatsoper Berlin, 17.01.2010)
Musikalische Leitung: Pedro Halffter
Inszenierung: Peter Mussbach
Bühnenbild: Erich Wonder
Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer
Besetzung: Anne Schwanewilms (Grete), Burkhard Fritz (Fritz), Hanno Müller-Brachmann (Der Graf, Rudolf), Stephan Rügamer (Der Chevalier, Ein zweifelhaftes Individuum), Bodo Brinkmann (Der alte Graumann, 2. Chorist), Yehudit Silcher (Seine Frau, Kellnerin), Andreas Bauer (Der Wirt, Ein Polizeimann), Klaus Häger (Ein Schauspieler), Wolfgang Newerla (Dr. Vigelius, Der Baron), Andrea Bönig (Ein altes Weib), Rinnat Moriah (Mary, Tänzerin), Evelin Novak (Mizi, Tänzerin), Rachel Frenkel (Mili, Tänzerin), Brigitte Eisenfeld (Eine Spanierin), Borjana Mateewa (Ein Mädchen, 2. Choristin), Peter Menzel (1. Chorist), Rinnat Moriah (1. Choristin), Dionysos Tsantinis (1. Gast) u. a.
Chor der Deutschen Staatsoper Berlin
(Choreinstudierug: Eberhard Friedrich)
Staatskapelle Berlin

Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de



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