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14. Dezember 2012,
Hebbel am Ufer

CLEAR HISTORY /
DUET



Veaceslav Sambriş in Clear History von Nicoleta Esinencu - Foto (C) Natalia Moraru


"Die im Oktober 2003 gegründete Internationale Kommission zur Erforschung des Rumänischen Holocaust, kurz Wiesel-Kommission nach ihrem Vorsitzenden, dem Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, benannt, hat ihren Abschlussbericht Ende 2004 vorgelegt. Darin wird von zwischen 280.000 und 380.000 ermordeten Juden und über 20.000 ermordeten Roma berichtet." (Quelle: Wikipedia)

Die rumänische Armee - was hierzulande weniger bekannt ist - war die haupttreibende Kraft einer ethnischen Säuberung ungeheuerlichen Ausmaßes.

"Auf Befehl von Antonescu wurden in den 1940er Jahren mehr als 250.000 rumänische und ukrainische Juden sowie etwa 20.000 Sinti und Roma ermordet. Dennoch wird der rumänische Marschall in Moldau immer wieder als 'Befreier vom bolschewistischen Joch' gefeiert. Die damaligen KZs in Transnistrien sind aus dem öffentlichen Bewusstsein so gut wie verbannt. Der Begriff Clear History steht für die Auslöschung historischer Fakten aus dem kollektiven Gedächtnis einer von der EU gewissermaßen aus Europa herausgedrängten Gesellschaft, der heutigen Republik Moldau, wo 'sich der Erhalt der rumänischen Staatsbürgerschaft allmählich zu einem profitablen Geschäft entwickelt', so Esinencu. 'Andererseits gibt es einfach niemanden, dem man die moldawische Staatsbürgerschaft verkaufen kann.'" (Quelle: Hebbel am Ufer)

*

Clear History von Nicoleta Esinencu (Text-Zusammenstellung und Regie) versuchte eine Art Geschichts- sowie Geschichtenaufarbeitung ihres Landes sowie ihrer Leute. Veaceslav Sambriş / Doriana Talmazan / Irina Vacarciuc zitierten aus dokumentarisch überliefertem Material wie Interviews, Zeugenaussagen, Archivlisten, statistischen Erhebungen u. a. m.

Vermeintlich "kalt" - aber durch das Gehörte in der nachgeraden Vollbewusstwerdung eines schier unsagbar-geglaubten Ungeheuerlichen nicht mehr "kalt" lassend - ließen die drei genannten Schauspieler (s. o.) ihre jeweiligen O-Texte über uns zuhörende Zuschauer ergehen; mittels Videoprojektionen hatte sich zu all Dem Schriftliches und Fotografisch-Filmisches quasi hineingestreut, und zwischen Ohr und Auge und mit stark rasendem Herzen wechselte und übersteigerte sich unser Auffassungsvermögen = ja, man sollte und man musste hart im Nehmen sein, um alles Das, was derart kam, verarbeiten und aushalten zu können...

"Die meisten von uns haben keine Ahnung davon, was in unseren Heimatdörfern damals passiert ist. Wir sind gewohnt, andere anzuzeigen, oder uns selbst als Opfer darzustellen. Neben der Wahrnehmung der antisemitischen Staatspolitik sollten wir auch die Verantwortung für die Beteiligung der heimischen Bevölkerung an den Massakern übernehmen." (Nicoleta Esinensu)

Der sogenannte Rumänische Holocaust - ein allenthalben von Historikern, und das mehr wissenschaftlich, abgehandeltes oder besetztes Phänomen?

Bisher vielleicht, denn die im HAU gastierenden Theaterleute räumten hiermit kreativ und kraftvoll auf!



* * *



Duet war künstlerisch und justament von gänzlich anderem Kaliber:

Der durch Sasha Waltz & Guests in der Berliner Tanzszene nicht unbekannte Sergiu Matiș tat sich mit dem Jazzmusiker Vlaicu Golcea zusammen.

"Die Darsteller sind von Mikrofonen, Lautsprechern, Instrumenten und ihren eigenen Stimmen umgeben. Musik scheint Kontrolle über die Körper zu gewinnen und verleiht dem Performer mit jedem Song ein anderes Gesicht." (Quelle: Hebbel am Ufer)

Doch viel mehr als eine Art betriebsweihnachtliches Vergnügen war diese Performance leider, leider wohl dann nicht...

Bedrohlich-komisch schien es schon erneuter Maßen festgestellt zu haben, dass (wie hier), wenn keine "zünftige Idee" vorhanden ist, ohnmachtsanfällige Protagonisten sich auf bloße Blödelei versteifen; ein Idiot steckt allemal in jedem von uns drin.

Schon dürftig so ein Kurzschluss.



Duet mit Sergiu Matiș - Foto (C) Adrian Piclisan


Andre Sokolowski - 16. Dezember 2012
ID 00000006447
CLEAR HISTORY (HAU 3, 14.12.2012)
Regie: Nicoleta Esinencu
Mit: Veaceslav Sambriş, Doriana Talmazan und Irina Vacarciuc
Produktionsleitung: Nora Dorogan
Übersetzung und Übertitelung: Luisa Brandsdörfer
Einrichtung der Übertitel: Yvonne Griesel
Eine Produktion des Theater Spălătorie Chişinău
In Kooperation mit dem Deutschen Kulturzentrum Akzente
Mit freundlicher Unterstützung durch die ERSTE Stiftung und das Goethe-Institut


DUET (HAU 2, 14.12.2012)
Von und mit: Sergiu Matiș und Vlaicu Golcea
Gefördert durch die Robert Bosch Stiftung, The National Dance Centre Bucharest, das Rumänische Kulturinstitut Berlin und The Romanian Association for Performing Arts
http://www.vlaicugolcea.ro


Weitere Infos siehe auch: http://www.hebbel-am-uferr.de


http://www.andre-sokolowski.de



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