20. Mai 2012, Schauspiel Köln
DIE RINGE DES SATURN
W. G. SEBALD / Eine englische Wallfahrt
|
Ruth Marie Kröger, Nikolaus Benda und Ruth Sullivan in den Ringen des Saturn am Schauspiel Köln - Foto © Stephen Cummiskey
|
Der mit nicht mal 57 Jahren im englischen Norfolk gestorbene deutsche Schriftsteller W. G. Sebald ist v. a. wegen seines großen Reisebericht-Romans Die Ringe des Saturn (1995 erschienen) einer breiten Leserschaft bekannt geworden. Dieses Werk hat dem Vernehmen nach auch der sehr experimentierfreudigen englischen Theater-Regisseurin Katie Mitchell, die mit ihrem eigentlich doch immergleichen Stil auch zwischenzeitlich in der Domstadt Köln schon paar mal etwas ausprobiert hatte, gefallen. Und so ist sie denn für uns - die wir uns als Noch-nicht-Die-Ringe-des-Saturn-gelesen-Habende begreifen - quasi stellvertretend auf die Mitsuche nach dem Extrakt des sicherlich nicht unschwierigen Prosastücks gegangen...
Sebalds Buch ist freilich autobiografisch, nicht nur nebenbei. Das gibt der Regisseurin eine schöne Möglichkeit, mit dem charakterlich-markanten als wie sprechenden Gesicht des Schauspielers XY [sein Name war dann leider nirgendwo auf dem Besetzungszettel auffindbar] zum Einen durch die ihr bekannten Nahaufnahmen mit den Video-Live-Einsprengseln und zum Anderen durch eben das gefilmte Live-Geschehen im hermetisch abgeschlossnen Extra-Raum zu spielen. Das soll also dann der Autor der Geschichte sein, der sich entschließt, zu Fuß nach Middleton zu reisen, weil das Ziel (dort) viel mit ihm als schlichtester Privatperson und viel, viel mehr noch mit Geschichtsbewältigungen seiner selbst zu tun hätte = lt. rezitierten Textauszügen. Unversehens wird er allerdings gesundheitlich-gravierend aus der Bahn geschleudert, und so muss er dann das Bett hüten und sich von krankenschwesterlichem Personal mehr schlecht als recht umsorgen lassen - dieser Zustand seines urplötzlichen Hingeworfenseins verleiht ihm allerdings die Initialzündung für den ab da in der Entwicklung stehenden Roman; und aus dem siechen Kranken (kranken Siechenden) wird justament der Ich-Erzähler. / Das erachten wir als menschlich nachvollziehbarste und auch berührendste Idee jener Performance, wo die Mitchell sich, im übertragnen Sinne, sorgend über den Patienten beugt.
Der Rest des überlangen Abends wird von uns dann mehr als spielerische Zumutung empfunden. Ja, und wir erinnern uns zum Beispiel, früher irgendwann mal in der Sendung mit der Maus erfahren oder beigebracht bekommen zu haben, wie beim Hörspiel oder in Synchronstudios Geräusche nachgemacht werden. Nichts Anderes passiert nun während der Zitiererei der Sebald'schen Roman-Stellen - und wir bewundern schon die Vielfach-Leistungen der monoton, aber sehr kultiviert und gut sprechenden Schauspielerkollegen (ihre Namen s. u.); also wenn da Eine oder Einer irgendwann während der Vorstellung den Anschluss gar verpatzt hätte, wäre der spielerische Fluss gestoppt gewesen. // Nichts wie Zittern oder Bangen um die lieben Mimen!
Neben dem Zitieren und Geräuschemachen sind dann auch noch Musiker (James Longford am Klavier zum Beispiel) in Aktion getreten.
|
Julia Wieninger, Nikolaus Benda, Ruth Marie Kröger und Ruth Sullivan in den Ringen des Saturn am Schauspiel Köln - Foto © Stephen Cummiskey
|
a. so. - 21. Mai 2012 ID 5963
DIE RINGE DES SATURN (Halle Kalk, 20.05.2012)
Regie: Katie Mitchell
Ausstattung: Lizzie Clachan
Director of Photography (Bildregie): Grant Gee
Video Design: Finn Ross
Sound Design: Gareth Fry und Adrienne Quartly
Licht: Ulrik Gad
Musik: Paul Clark
Dramaturgie: Jan Hein
Produktionskoordination: Pippa Meyer
Mit: Ruth Marie Kröger, Nikolaus Benda, Julia Wieninger, Renato Schuch und Juro Mikus
Foley Artist (Geräusche): Ruth Sullivan
Sonic Artist (Klangkünstler): Simon Allen und Julia Klomfass
Piano: James Longford
Additional Foley and Live-Camera: Frederike Bohr, Lily McLeish und Stefan Nagel
Uraufführung war am 11. Mai 2012 in der Halle Kalk
Weitere Termine: 21. - 23. 5. und 26., 28. 5. 2012
Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielkoeln.de
http://www.andre-sokolowski.de
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|