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28. April 2011, Uraufführung am FWT Köln

EIN LANGER, SÜSSER SELBSTMORD - DER FALL OSCAR WILDE (UA)

Von Inken Kautter & Kay Link


EIN LANGER, SÜSSER SELBSTMORD - DER FALL OSCAR WILDE mit Andreas Bittl, Marius Bechen und Sebastian Kolb (v. l. n. r.) - Foto © MEYER ORIGINALS


Leben und Sterben des Oscar Wilde

Das Jahr 1895 markiert einen Einschnitt im Leben des erfolgreichen englischen Schriftstellers Oscar Wilde. In diesem Jahr wird er von Lord Queensbury als „Sodomit“ bezeichnet, also als jemand, der nach damaligem Verständnis Geschlechtsverkehr mit Männern hat. Wilde verklagt Lord Queensbury und sein Sexualleben rückt so in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Das Pikante daran: Queensbury ist der Vater von Wildes Liebhaber Lord Alfred Douglas. Nachdem der Schriftsteller den von ihm angestrengten Verleumdungsprozess verliert, erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn. Wilde wird wegen seiner Homosexualität im gleichen Jahr zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt.

Inken Kautter, Dramaturgin am Freien Werkstatt Theater Köln (FWT Köln), und Regisseur Kay Link haben über diese Zeit in Wildes Leben ein Stück mit dem Titel Ein langer, süßer Selbstmord. Der Fall Oscar Wilde geschrieben, wobei die Gerichtsszenen den Protokollen der Prozesse entnommen sind. Das Ganze ist gut geschrieben und stringent konstruiert. Szenen im Gericht, in denen sein ehemaligen Schulkamerad Edward Carson Wilde verhört, wechseln sich ab mit Szenen, in denen Wildes Freunde ihm raten, zu fliehen, oder man als Zuschauer Einblicke in das Zusammenleben zwischen dem älteren Schriftsteller und seinem blutjungen Lebensgefährten erhält.

Die Schauspieler sind typgerecht besetzt: Sebastian Kolb ist ein attraktiver, ausgesprochen vitaler junger Bosie, der energisch gegen die seiner Meinung nach ungerechte Verurteilung Wildes vorgeht und damit erfolgreich dem Vorurteil widerspricht, er sei oberflächlich. Marius Bechen wechselt überzeugend zwischen seinen beiden Rollen hin und her: der loyale Wilde-Freund Robert Ross auf der einen, der Ankläger Edward Carson auf der anderen Seite. Andreas Bittl gibt einen eitlen, von sich selbst überzeugten Oscar Wilde, der gerne der Mittelpunkt jeder Gesellschaft ist. Er kann aber auch anders, wie er in der stärksten Szene des Abends beweist: Bittl erzählt als Oscar Wilde von der Arbeit, die er im Gefängnis verrichten muss. Hier bekommt man einen seltenen Einblick in das Seelenleben dieses zart besaiteten Menschen, der oftmals nur eine bestimmte Seite von sich zeigt bzw. seine Gefühle und seine Einsamkeit hinter geistreicher Geschwätzigkeit verbirgt.

So weit, so gut, das Problem ist allerdings: Der Abend kann sich nicht so richtig entscheiden, was will. Ein biografischer Abend über Oscar Wilde? Ein Plädoyer gegen die (Vor-) Verurteilung von Homosexuellen? Partei ergreifen für Wildes jugendlichen Liebhaber Bosie, der als Einziger seine und Wildes Lebensweise verteidigt und damit konsequenter zu sein scheint als der Schriftsteller und seine Freunde?

Die theatralen Momente kommen – von der oben erwähnten Szene einmal abgesehen – jedenfalls zu kurz. Für ein geistreiches Geplauder ist der Text zu behäbig und das Tempo zu langsam. Erschwerend kommt hier oft hinzu, dass aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt wurde. Auch die Gerichtsszenen wirken sehr brav. Dass hier vom Anwalt merkwürdige Formulierungen für den gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr verwendet werden, die nicht einer gewissen Komik entbehren, wird erst am Ende thematisiert – in einem Prozess aus dem Jahr 1952, in dem der britische Mathematiker Alan Turing der Homosexualität angeklagt wurde und der vermutlich aufgrund des offenen Umgangs des Angeklagten mit seiner Sexualität dem Wildeschen Prozess an die Seite gestellt wurde.

Trotz der oben erwähnten Unentschiedenheit ist Ein langer, süßer Selbstmord. Der Fall Oscar Wilde ein Abend, der unterhält und sich zudem mit einem sensiblen Thema beschäftigt. Wilde selbst hat sich von der zweijährigen Haft nicht mehr erholt. Er starb im Jahr 1900, drei Jahre nach seiner Entlassung.


EIN LANGER, SÜSSER SELBSTMORD - DER FALL OSCAR WILDE mit Andreas Bittl und Sebastian Kolb - Foto © MEYER ORIGINALS


Karoline Bendig - red. 15. Juni 2011
ID 5240
EIN LANGER, SÜSSER SELBSTMORD - DER FALL OSCAR WILDE (28.04.2011, FWT Köln)
Inszenierung: Kay Link
Dramaturgie: Inken Kautter
Bühne/Kostüm: Peter Lehmann
Mit: Marius Bechen, Andreas Bittl und Sebastian Kolb
Uraufführung war am 28. April 2011
Weitere Termine am: 17., 18., 21., 22., 30. 6. / 1. 7. 2011


Weitere Infos siehe auch: http://www.fwt-koeln.de


Post an Karoline Bendig



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