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Premierenkritik

2. Mai 2012 - Junge Staatsoper in der WERKSTATT im Schiller Theater

MOSKAU TSCHERJOMUSCHKI

Musikalische Komödie von Dmitri Schostakowitsch


Zwei "Charlottengrader" bei der Probe zu der Schostakowitsch-Operette Moskau Tscherjomuschki in der WERKSTATT im Schiller Theater - Foto (C) Thomas Bartilla


Schostakowitsch-Operette mit "Charlottengradern"

"Seit den 20er Jahren ist Charlottenburg Anziehungspunkt für russische Emigranten. Die letzte Ausreisewelle in den 90ern hat etliche Spätaussiedler-Familien in die Paul-Hertz-Siedlung im Norden des Bezirks verschlagen. Dort entstanden soziale Spannungen. Die Staatsoper reagiert auf diese Situation mit einem Projekt, das die Suche von Jugendlichen aus diesen Familien nach Geborgenheit und Lebenslust in einem räumlich isolierten Stadtteil thematisiert. Ihre Wahrnehmungen, Wünsche und Ängste, ihre Kämpfe mit den Einheimischen, ihre Suche nach Heimat, Lebensraum und Wohnparadies fließen in den Inszenierungsprozess ein. Junge Sängerinnen und Sänger, Musiker der Orchesterakademie und Mitglieder der Staatskapelle Berlin werden dieses Werk gemeinsam mit dem Jugendklub der Staatsoper und den russisch-deutschen Jugendlichen aus der Paul-Hertz-Siedlung erarbeiten. Eigene Erlebnisse und Migrationserfahrungen der Familien werden in diesem Prozess aufgearbeitet, um die aktuelle gesellschaftliche Situation Berlins als interkulturelle Metropole widerzuspiegeln." - So stehts (unterm Zwischentitel CHARLOTTENGRAD – EIN PARTIZIPATIVES PROJEKT) auf der Homepage der Berliner Staatsoper.

Die jugendlichen Mitglieder des "Charlottengrad"-Projekts, die dann die Chorpasssagen (über alle Maßen professionell!) gesanglich wie gestalterisch darboten, waren wohl zudem der eigentliche Zieher und Magnet von Schostakowitschs sogenannter Sowjet-Operette Moskau Tscherjomuschki, die nach beinah 50 Jahren wiederauszugraben eine ehrgeizige Tat der Jungen Staatsoper im Schiller Theater war - gestern erlebte sie ihre umjubelte Premiere!

Schostakowitsch ließ sich seiner Zeit vom Chefdirigenten des Moskauer Operettentheaters, dem er seit der Uraufführung seiner Oper Lady Macbeth von Mzensk verpflichtet und verbunden war, zu diesem hübschen Auftragswerk verleiten; und inmitten einer angebrochenen Tauwetter-Lage (Strichwort Chruschtschow) war es dann auch möglich und/oder geboten, Themen wie zum Beispiel Moskaus Wohnungsnot ironisch zu behandeln - und heraus kam "eine von Lebendigkeit und Witz nur so sprühende, punktgenau gesetzte Musik", wie es Operndramaturg Detlef Giehse, der auch für die Fassung der Sprechdialoge verantwortlich zeichnete, in dem Programmheft schrieb; "ein origineller Stilmix, wie er für die 'Sowjet-Operette' der Zeit typisch ist: Anleihen aus der reichen russischen Musiktradition (etwa aus Werken von Glinka, Borodin oder Tschaikowsky) lassen sich ebenso finden wie Anklänge an sowjetische Massen- und Propagandalieder, an Jazz, Promenaden-und Unterhaltungsmusik sowie an Broadway-Musicals. Und nicht zuletzt zutiert Schostakowitsch eine ganze Reihe seiner eigenen Werke, spielt augenzwinkernd mit Verweisen und verschlüsselten Botschaften."

Neco Çelik hatte in der WERKSTATT inszeniert. Er brauchte lediglich paar Plasterohre und Verbindungsstücke, um das Unfertige des und im System(s) bidlich zu kennzeichnen; Stephan von Wedel lieferte dann diese Bühnenbild-Idee mit jenem "undichten" Wasser-/Gasableitungssystem. Der Chor war außerdem in einer nur nuancenmäßig-abwechselnden Einheitstracht, so ungefähr
wie's Staudamm-Bauarbeiter-Heer im Eingangsbild des Hollywood-Schiwago-Films, gesteckt - aber bei ohnehin ansehlich-jungen Menschen stören die Klamotten so und so nie; sie sehen halt immer gut aus, weil sie jung sind...

Die Besetzungsliste ist vom Feinsten! Ganz zuvörderst müssen wohl Evelin Novak (Lido), Adriane Queiroz (Ljusja) oder Kap-Sung Ahn (Boris) genannt sein. Aber auch die Anderen -superb!! Michael Rapke und Maraike Schröter als Sascha & Mascha lieferten sich, nach der Pause, einen kammerspielreifen Gehörbehinderungen-Dialog; zum Brüllen!!

Namhafte Mitglieder der Staatskapelle Berlin verliehen der Musik zudem und überhaupt die interpretatorisch auf dem Allerhöchstniveau gespielte, musizierte Daseinsweise; dirigieren ließen sie sich von Ursula Stigloher .

Amüsanter Abend.



Herzliche Probeatmosphäre der "Charlottengrader" in der WERKSATT im Schiller Theater / Schostakowitsch-Operette Moskau Tscherjomuschki mit der Jungen Staatsoper - Foto (C) Thomas Bartilla


Andre Sokolowski - 3. Mai 2012
ID 00000005903
MOSKAU TSCHERJOMUSCHKI (Wertkstatt im Schiller Theater, 02.05.2012)
Musikalische Leitung: Ursula Stigloher
Inszenierung: Neco Çelik
Ausstattung: Stephan von Wedel
Licht: Irene Selka
Arrangement und Bearbeitung: Ralf Böhme
Fassung der Sprechdialoge / Dramaturgie: Detlef Giese
Besetzung:
Sascha ... Michael Rapke
Mascha ... Maraike Schröter
Baburow ... Andreas Neher
Lidotschka ... Evelin Novak
Boris ... Kap-Sung Ahn
Sergej ... Fritz Feilhaber
Ljusja ... Adriane Queiroz
Drebednjow ... Kai Wegner
Wawa ... Friederike Harmsen
Barabaschkin ... Bernhard Hansky
Tänzerin ... Tamara Zeman
Tänzer ... Marten Baum
Mitglieder des Projekts »Charlottengrad«: Anouk Aich, Jodie Blank, Friederike Bruß, Chun-Way Dang, Giulia Giammona, Viktoria Giesbrecht, Luisa Glock, Isabelle Hannotier, Cristina Holstein, Anne-Marleen Kalkbrenner, Jelena Kittke, Nastassja Kreft, Philipp Lange, Maximilian Mandery, Anne-Katrin Meyer, Maxim Novikov, Maria Peters, Christina Radke, Karina Repova, Rihard Rerih, Katharina Schwenzer, Tatjana Unruh, Sergey Valter und Henrik Willun
Mitglieder der Staatskapelle Berlin
Premiere in der Werkstatt im Schiller Theater war am 2. Mai 2012
Weitere Termine: 4. - 6., 8./9., 11., 13., 15., 17. 5. 2012


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de



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