10. März 2012, Freies Werkstatt Theater Köln
DAS WAR ICH NICHT
Nach dem Roman von Kristof Magnusson / Bühnenbearbeitung von Inken Kautter und Werner Tritzschler
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Foto © MEYER ORIGINALS / foto@meyeroriginals.com
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Jonglieren auf dem Finanzparkett
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Es dauert ein bisschen, bis man als Zuschauer versteht, worum es eigentlich geht in Kristof Magnussons Roman Das war ich nicht bzw. in der Spielfassung, die Dramaturgin Inken Kautter und Regisseur Werner Tritzschler für das Freie Werkstatt Theater in Köln erarbeitet haben: nämlich um diesen einen Punkt, an dem aus Spiel Ernst wird. Und darum, welche Rolle der Zufall spielen kann, welche Geschichten durch ihn ermöglicht werden.
Die Übersetzerin Meike Urbanski ist pleite, kratzt ihre letztes Geld für einen Flug in die Staaten zusammen und sucht den Schriftsteller Henry LaMarck, der angeblich an einem großen Roman arbeitet, den sie dann übersetzen soll. Henry LaMarck wiederum sucht nach Inspiration und findet sie – oder vielleicht auch noch etwas anderes – bei dem jungen Broker Jasper Lüdemann. Diese drei sehr unterschiedlichen Menschen treffen nun zufällig zusammen, ihre Lebensgeschichten werden miteinander verwoben. LaMarck macht Lüdemann zu seinem persönlichen Anlageberater samt Kontovollmacht. Dieser wiederum verliert die Kontrolle über eine finanzielle Transaktion, reißt seine Firma in den Ruin, weil er sich verspekuliert, verliebt sich zugleich in die komplizierte Übersetzerin und überweist ihr LaMarcks Geld, damit sie nach Deutschland zurückkehren kann – kurz bevor die Bank zahlungsunfähig wird.
Soweit zum Thema Zufall. Das Thema Spiel wird vor allem von Jasper Lüdemann bedient, der es liebt, die Aktienkurse zu durchschauen und Geld auf ihre Entwicklung zu setzen. Darauf zu spekulieren, dass eine Aktie an Wert verliert. Und irgendwann müssen selbst die Kurse der erfolgreichsten Firmen schließlich wieder fallen. Lüdemann versucht, seine Verluste mit immer gewagteren Spekulationen auszugleichen, und erhöht sie im selben Augenblick immer weiter – genauer gesagt die Verluste seiner Firma, in deren Namen er handelt, und zwar weit über seine Befugnisse hinaus. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hat Elke König, Chefin der Bafin, kürzlich den Ökonom John Maynard Keynes zitiert: „Märkte können länger irrational bleiben, als man selbst liquide bleibt.“ Das beschreibt Jasper Lüdemanns Situation und Handeln in Das war ich nicht ziemlich genau und damit auch den Parallelfall in der echten Welt, der augenscheinlich als Vorlage diente: die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers.
Inken Kautter und Werner Tritzschler gelingt eine klar strukturierte Bühnenfassung des Romans, in der die Figuren zunächst in einer kleinen Soloszene vorgestellt werden, bevor sie aufeinandertreffen. Die Bühne (Steffen Goth) hilft bei der klaren Strukturierung: Licht und eine Jalousie im hinteren Bühnenbereich grenzen die Wohnbereiche der drei Figuren voneinander ab. Das Freie Werkstatt Theater in Köln hatte in den letzten Spielzeiten einige Literaturbearbeitungen für die Bühne vorzuweisen: von Goethes Wilhelm Meister bis zu Maarten‘t Harts Das Wüten der ganzen Welt. Und häufig war das Ergebnis überzeugend. So auch dieses Mal. Das war ich nicht muss keiner der Verantwortlichen der Produktion sagen. Im Gegenteil: Der Abend nach dem gleichnamigen Roman von Kristof Magnusson ist gute Unterhaltung, überzeugend gespielt von den drei Schauspielern Valentin Stroh, Madeleine Niesche und Bernd Rieser, wobei es vor allem Letztgenanntem gelingt, einen schwulen Schriftsteller nahe am Klischee zu zeichnen, ohne ihn vollständig der Lächerlichkeit preiszugeben.
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Karoline Bendig - 13. April 2012 ID 00000005839
DAS WAR ICH NICHT (Freies Werkstatt Theater, 10.03.2012)
Regie: Werner Tritzschler
Dramaturgie: Inken Kautter
Bühne: Steffen Goth
Mit: Madeleine Niesche, Bernd Rieser und Valentin Stroh
Premiere war am 1. März 2012
Weitere Termine: 13., 14., 25. und 26. 4. 2012
Weitere Infos siehe auch: http://www.fwt-koeln.de
Post an Karoline Bendig
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