Hecken wie die Hasen
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ZWEIFELSOHNE ein sehr großes Hoppelhäschen (Bühne von Rebekka Dornhege) in Harneits gleichnamiger Kurzoper
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Will nichts anderes besagen, dass ein Hase (siehe PARSIFAL vom Schlingensief) mitunter schon für gute Laune oder ausgelassne Stimmung sorgt. So auch Rebekka Dornheges gigantisch aufblasbarer ungelenker Hoppelhase... wie er endlich dann, nach anstrengenden 10 Minuten oder früher oder später, aufgerichtet auf den Brettern "steht": als kulminantes Haupt- und Mittelteil in ihrem Bühnenbild zu Harneit's Nonsens-Öperchen mit Titel ZWEIFELSOHNE. Hierin haben die Gebrüder-Grimm-Figuren Rotkäppchen, Schneewittchen, Zwerg, Prinz, Froschkönig so eine Art von Stelldichein, sie singen oder deklamieren singend ein paar schneidermeckmeckartig aufgezwirnte Sätzelchen, die nur bei prononciertest vorgegebnem Sach- und Fachverstand gewisse Sinn und Logik in/aus dem Gehalt erkennen lassen; allermeistens aber bleibt das Hirn - man fühlt die Schmerzen regelrecht - umsonst bemüht; Verstehendes gesellt sich leider nicht in es hinein. Wenigstens wird erkennbar und mit äußerst großem Impetus gespielt, gesungen, musiziert. Unter dem Dirigat von Tammin Lee brilliert wohl meinender und überzeugend dargebotener Ensemblegeist. Das impliziert recht freilich auch die Inszenierung Sarah Kosels, die man frisch und munter als die bunteste und frecheste und kurzweiligste nennen durfte, sah man letzten Endes doch von ihrer merkwürdigen Vorlage dann ab.
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Wir haben also weder Lust noch Muse, alle abgespielten Kurzopern des Abends - "K.O.5. ES JUCKT SO." hieß das engagierte Schaufenster-Projekt von den Studierenden der UdK sowie der HfM (Komische Oper und das HAU warn die "erwachsenen" Ermöglicher) - im Nachhinein dann abzuhandeln, dafür stehen sie in Qualität und Anspruch voneinander allzu weit entfernt. Nein, wir beschränken uns dann (außer der bereits erwähnten Hasen-Chose) auf die folgenden zwei Werke: Arneckes ERSTARRUNG sowie Neuwirths KÖRPERLICHE VERÄNDERUNGEN:
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Zur ersteren. Die schien uns dann, vom Musikalischen gesehen, am gelungensten zu sein. Jörg Arnecke, der Komponist, bedient sich eines breiten und um breite Ausdauer bemühten Grundgefühles in Gestalt eines à la Chopin herbeigequälten "Lamentierens"... so als wenn man einer Endlosschleife mit den Eingangstakten aus dem Regentropfen-Prelude - das ist der Teppich, ist die Unterlage - quälendquälerisch zu lauschen unendlicher Weise fort und fort gezwungen wäre; das macht Eindruck, das erzeugt "gefühlten" Sinn. Die nach und nach benutzten Textauszüge Wilhelm Müllers oder Eichendorffs wirken mit diesem Mittel fast noch stärker als sie so schon sind. Annika Ritlewski (Sopran) und Uwe Schmieder (Sprecher) halten wir als adäquates und sehr schönes Paar in der Erinnerung.
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KÖRPERLICHE VERÄNDERUNGEN sind gut möglich nach dem flott-fröhlichen Gruppenfick in Neuwirths gleichnamiger Oper auf den schönen Text der Jelinek - Foto (C) Sebastian Laraia
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Das schier bekannteste und auch "berüchtigtste" der vorgestellten Werke, Olga Neuwirths Oper nach dem Text Elfriede Jelineks (denn Texte Jelineks sind immer wieder, immer wieder gern: bekannt, "berüchtigt"... weil sie echt & wahr sind!!), fand doch eine äußerst lebensfrohe Gruppensicht. Aurélien Bello dirigierte, Miriam Salevic führte Regie. Und in dem Stück, wo es (wie stets bei Jelinek) ums Nichtverstehen und -begreifen Frau zu Mann bzw. Mann zu Frau dann geht, wird frisch drauf los geheckt... getreulich auch dem schwerelosen Weltmotto geschlechtsreifer Studenten: "Wir sind jung, und wir sind geil." Sehr hübsch geschlossen, doch. Vor allem aber Markus Vollberg (Tarzan) und Ulrike Schwab (Jane) könnten heute schon, und übers Häschenspielen noch hinaus, für eines der drei Opernhäuser hier im Hiesigen gewonnen werden; ihre Stimmen lassen Einiges (!!) verahnen.
Sehr erquicklich!!!
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Andre Sokolowski - 30. September 2006 ID 2689
http://www.andre-sokolowski.de
K.O.5 Es juckt so.! (HAU 1, 29.09.2006)
Eine Koproduktion der Komischen Oper Berlin mit der Universität der Künste Berlin, der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" Berlin und dem Hebbel am Ufer (HAU EINS)
Olga Neuwirth: Körperliche Veränderungen (1990)
Aurélion Bello (ML), Miriam Salevic (I), Merle Vierck (B)
Besetzung: Gerke, Schwab, Vollberg, Lange, Wenzel, Mailänder, Lemberg
Jörn Arnecke: Ariadne (1999) / Erstarrung (2000)
Timon Kreuser (ML), Franziska Kronfoth (I), Susanne Jakob (B)
Besetzung: Schmieder, Ritlewski, Kluß, Backhaus
Benjamin Schweitzer: Informaionen über Bartleby (2003)
Yordan Kamdzhalov (ML), Mareike Mikat (I), Maike Storf (B)
Besetzung: Saleh, Slade, Böhm, Kaminsky, Krämer u.a.
Johannes Harneit: Zweifelsohne (2005)
Tammin Lee (ML), Sarah Kosel (I), Rebekka Dornhege (B)
Besetzung: Bisgiel, Pech, Yilmaz, Can, Bauditz
Premiere am 27. September 2006
Nächste Vorstellungen waren am 28. und 29. 9. 2006
Weitere Infos siehe auch: http://www.hebbel-am-ufer.de
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