AUTORENTHEATERTAGE BERLIN 2013
|
3. Juni 2013, AUTORENTHEATERTAGE BERLIN
STALLERHOF / 3D
von Franz Xaver Kroetz / Stephan Kaluza
|
|
Gestern haben die diesjährigen AUTORENTHEATERTAGE BERLIN begonnen. Es gibt sie, seitdem Ulrich Khuon nacheinander in Hannover, Hamburg und (jetzt) in der Hauptstadt Intendant gewesen war und ist; er hat sie einst erfunden, und somit sind sie sein Baby.
Sowieso gelten sie wohl zurecht als derzeit "wichtigstes Festival für deutschsprachige Gegenwartsdramatik" [Quelle: Deutsches Theater] und verweisen somit selbst das traditionsreiche Berliner Theatertreffen - wo zwar auch mitunter "Neues" auf dem Spielplan steht, wo aber mehr und mehr einer betulichen Eventpflege gehuldigt wird - auf einen Rang weit hinter sich.
In der zu Ende gehenden Spielzeit 2012/13 schauten sich Khuon und seine Dramaturgen zirka 50 Stücke (aus einem stattlichen Reigen von insgesamt 90 dargebrachten deutschsprachigen Uraufführungen an Theatern der BRD, Österreichs und der Schweiz) an, wählten 15 Produktionen aus und luden sie zu sich in das DT.
Parallel hierzu - auch eine von den verdienstvollen Errungenschaften der von Khuon kreierten AUTORENTHEATERTAGE - wird jedes Jahr dann ein Alleinjuror/eine Alleinjurorin festgelegt, die sich um einzureichende neue und noch unuraufgeführte Stücke kümmern sollen; diesmal hatte die österreichische Star-Kritikerin Sigrid Löffler dahingehend ein verschärftes Lesepensum abzuarbeiten. Von 87 eingereichten Texten nahm sie die ihrer Meinung nach 12 besten in die engere Auswahl - 3 davon blieben letztlich als allerbeste übrig, und dieselben werden nun bis zum 15. Juni in Werkstatt-Inszenierungen zu sehen und zu hören sein (Die Schweizer Krankheit von Uta Bierbaum, Exzess, mein Liebling von Olivia Wenzel sowie Schwäne des Kapitalismus von Matthias Naumann).
Das Alles (s. o.) war durch zwei zeitschindende Verantwortlichen-Referate im DT-Saal zu erfahren; Ulrich Khuon musste schließlich den Sponsoren danken - Sigrid Löffler tat ausgiebig über "Heterotropie" dozieren...
* * *
Zur Eröffnungsvorstellung reiste das Schauspiel Stuttgart an. Es präsentierte ein Doppelprojekt zum Thema "sexueller Missbrauch" (Inszenierung: Stephan Kimmig) - zum Einen wurde das über 40jährige Franz Xaver Kroetz-Stück Stallerhof, zum Anderen die Uraufführung 3D von Stephan Kaluza gezeigt.
Im Bayerischen Stallerhof lebt die minderjährige und geistig zurückgebliebene Beppi. Ihre Eltern haben sich mit ihrem Los längst abgefunden. Auch der Stallknecht Sepp zählt quasi mit zu der Familie. Abgeschiedenheit und Arbeit prägen das Gesamtgefüge und - die sexuelle Not. Sepp hat sich also an der Beppi sexuell vergriffen; doch "vergriffen" scheint in Anbetracht des allzu engen und de facto funktionierenden Kleinkosmos nicht der passende der Ausdrücke hierfür zu sein. Es kam und kommt, was kommen musste: Beppi wird schwanger. Sepp muss gehen. Ganz am Schluss beratschlagen der Staller und die Stallerin, wie man das Ungeborene am besten wieder los wird... / Silja Bächli, Martin Leutgeb, Marietta Meguld und Sebastian Kowski lassen Einem während der verlebten Zeugenschaft der Art von "Landliebe", wie sie sich hier entlarvte, schier das Blut gefrieren.
Nach der Pause dann das Zwei-Personen-Stück 3D mit einer so vorher nicht für möglich gehaltenen Plot-Wendung: Bette (Minna Wündrich) besucht nach 20 Jahren ihren alten Freund Albert (Elmar Roloff). Sie waren einst ein ungleiches Paar - er versuchte sie kraft seiner alterlichen Überlegenheit zu dominieren; sie verließ ihn bald darauf. Eine gemeinsame Tochter ging aus dieser Beziehung hervor. Der Vater lebte bisher in der Vorstellung, dass seine Tochter irgendwann tödlich verunfallt war; und jetzt rückt Bette damit raus, dass Klara (so der Tochtername) leben würde und dass Klara ihr erzählt hätte, wie Albert sie dereinst missbrauchte, also wäre sie nur deswegen zu ihm zurückgekehrt, um ihn - nach 20 Jahren - zur Rede zu stellen. Und dann schleudert Bette [Plot-Wendung!!] ihre Barbie-Perrücke von sich; und unter der Barbie-Perrücke gibt sich Bette-und-Albert-Tochter Klara zu erkennen; Albert denkt, die Tochter würde sich jetzt an dem Vater rächen. Doch sie will ihn nur erniedrigen! Albert muss sich vor ihr die Hosen ausziehen, und Klara will, dass er sie fickt... // So endet das zwar außerordentlich brillant geschauspielerte, aber umso unergiebiger und kläglicher von seinem Inhalt her daherkommende Stück.
|
Stallerhof von Franz Xaver Kroetz - Fotoquelle: Schauspiel Stuttgart (C) Sonja Rothweiler
|
Bewertung:
Andre Sokolowski - 4. Juni 2013 ID 6812
STALLERHOF / 3 D (Deutsches Theater Berlin, 03.06.2013)
Regie: Stephan Kimmig
Bühne: Oliver Helf
Kostüme: Annelies Vanlaere
Video: Oliver Helf
Dramaturgie: Kekke Schmidt
Besetzung Stallerhof:
Silja Bächli (Beppi), Sebastian Kowski (Staller), Martin Leutgeb (Sepp) und Marietta Meguid (Stallerin)
Besetzung 3D:
Elmar Roloff (Albert) und Minna Wündrich (Bette)
Uraufführung von 3D am Schauspiel Stuttgart war am 26. Oktober 2012
Gastspiel des Schauspiel Stuttgart zu den AUTORENTHEATERTAGEN BERLIN
Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspiel-stuttgart.de
http://www.andre-sokolowski.de
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|