Der Erbschleicher
USHER-Oper frei nach Edgar Allan Poe
|
David Oštrek (als Roderick Usher) und Ruth Rosenfeld (als Lady Madeline) | Foto (C) Martin Argyroglo
|
Bewertung:
Nachdem Claude Debussy die Baudelaire'sche Übersetzung Histoires extraordinaires [dt.: Unheimliche Geschichten] von Edgar Allan Poe gelesen hatte, tat er sich sofort als Fan des US-amerikanischen Meisters der Krimi-, Horror- und Schauerliteratur begreifen. Auf den Untergang des Hauses Usher hatte er es ganz besonders abgesehen; diesen wollte er dann unbedingt, wozu er sich auch lange Zeit an der voraussetzenden Abfassung eines entsprechenden Librettos (3 Versuche, die dann irgendwie ins Leere stießen) bis zu seinem Krebsleiden verschliss, verkomponieren - lediglich anderthalb Szenen schaffte er gerade mal...
Die Komponistin Annelies Van Parys und die Librettistin Gaea Schoeters sichteten das Material und alle seine Quellen resp. Überlieferungen, um infolgedessen "ihre" Oper Usher zu kreieren. Ja und insbesondere Van Parys wollte allergrößten Wert darauf gelegt haben, dass es sich in dem vorliegenden Fall bei ihrer anderthalbstündigen Kammeroper - einem Auftragswerk der Staatsoper Unter den Linden - keinesfalls um "rekonstruierte" Debussy-Noten handeln würde. Dass "es" dennoch und schlussendlich irgendwie total nach Debussy klingt, dürfte wiederum der individuellen Wahrnehmung des einen oder andern Hörers zuzuschulden sein.
*
Das im Alten Orchesterprobesaal uraufgeführte Werk wurde enttäuschend-unatmosphärisch von Philippe Quesne ausgestattet, inszeniert. Null Krimi-, null Horror-, null Schauerfeeling. Auf einer kuschelweichen Teppichauslegware stehen eine Ledercouch, zwei Ledersessel; vorn ein Schreibtisch mit drei mehr oder weniger dilletantisch zusammengebastelten Papphäusern; eine Seitentreppe führt hinauf zu einer Seitentür; zwei der (realen) Saalfenster werden in ungefährer Mitte des Stücks geöffnet, um zur allgemeinen Auffrischung Gewitterblitz und Regen zu zitieren - Letzteres sowie die Auswahl der auf sieben Fernsehbildschirmen älterer Bauart aufflimmernden Videos mit zusammenstürzenden Fassaden, einem brennenden Haus und/oder Fluchtbewegungen durch Wald & Wiese attestierte ihren Machern eine wenigstens noch etwaige Poe-Affinität.
Von den vier Protagonisten jener wundersamen Poe-Erzählung [The Fall of the House of Usher] ist die Arzt-Gestalt - die von Dominic Kraemer auf das Toll-Tückischste angelegt und ausgestaltet wurde - die für diese Kammeroper dechiffrierendste: Le Médecin lebt wohl schon immer und seit Ewigkeiten in dem Hause Usher, wo er angelegentlich, quasi als Gott in Weiß, die Strippen zieht und die Patientfiguren (die Geschwister Roderick & Madeline) vollkommen beherrscht; sein vordergründig Erbschleichendes wird sodurch geradezu perfekt entlarvt.
Die Dirigentin Marit Strindlund leitete ein gutes Dutzend Mitglieder der Staatskapelle Berlin, auch David Oštrek (als Roderick Usher), Martin Gerke (als L'Ami) oder Ruth Rosenfeld (als Lady Madeline) wurden brav von ihr geführt.
Alles in Allem allerdings:
Schon ziemlich öde.
|
Usher an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Martin Argyroglo
|
Andre Sokolowski - 27. Oktober 2018 ID 10997
USHER (Alter Orchesterprobesaal, 26.10.2018)
Musikalische Leitung: Marit Strindlund
Inszenierung, Bühnenbild und Licht: Philippe Quesne
Kostüme: Christin Haschke
Dramaturgie: Roman Reeger
Besetzung:
Roderick Usher ... David Oštrek
L´Ami ... Martin Gerke
Lady Madeline ... Ruth Rosenfeld
Le Médecin ... Dominic Kraemer
Mitglieder der Staatskapelle Berlin
Uraufführung an der Staatsoper Unter den Linden: 12. Oktober 2018
Weiterer Termin: 30.10.2018
Auftragswerk der Staatsoper Unter den Linden und der Folkoperan Stockholm
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de
http://www.andre-sokolowski.de
Konzertkritiken
Neue Musik
Opernpremieren
Rosinenpicken
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|