Wolfgang Rihm
STABAT MATER
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Bewertung:
Kompositionen von Wolfgang Rihm (68) standen beim gestern Abend zu Ende gegangenen MUSIKFEST BERLIN, das diesmal ohne "seine" internationalen Spitzenorchester stattfinden und deswegen völlig umgedacht und umgestaltet werden musste, stark im Fokus; ja und eines der spektakulärsten Konzerte dürfte diesbezüglich das mit dem von Sir George Benjamin geleiteten Ensemble Modern gewesen sein, das Rihms ausufernde (und ewig unvollendete) Jagden und Formen darbot.
Sogar eine Uraufführung - in dem Rihmkonzert von gestern - gibt es zu vermelden: Stabat Mater für Viola und Bariton. Tabea Zimmermann (in dieser Spielzeit die Artist in residence bei den Berliner Philharmonikern) und Christian Gerhaher, den wir zuletzt im Livestream eines der Corona-Montagskonzerte aus der Bayerischen Staatsoper zu sehen und zu hören kriegten, waren die zwei ausführenden Stars.
"Für Christian Gerhaher schrieb Wolfgang Rihm vor zwei Jahren den Liederzyklus Tasso-Gedanken, für Tabea Zimmermann vor 20 Jahren das Bratschenkonzert Über die Linie IV: 'Da ist es nun. Wieder nichts Paganinieskes … Innerer Monolog von Anfang bis zum Schluss … Alles ist eben Linie, geschabt wird nirgends, gesungen immer', schrieb er an die Widmungsträgerin. Das Gesangliche sei die Stärke der Bratsche, so Zimmermann, und das ist es, was sie stets versuche: 'mein Instrument singen zu lassen'. So bringt Wolfgang Rihm in seinem neuen Werk zwei Stimmen zusammen, die schon immer einmal miteinander singen wollten, und zwar als Duo von Bariton und Bratsche. Entstanden ist ein Stabat Mater, ein groß dimensioniertes Duo zweier verschlungener Linien." (Quelle: Berliner Festspiele)
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Eine Viertelstunde durchkomponierter und (zumeist) hochexpressiver Männergesang mit ebenso durchkomponiertem und mal ruhigem, mal hektischem, mal innehaltendem, mal aus sich raus "schreiendem" Bratschenkommentar - eine unglaublich suggestive und die Hörer an der zwingenden Symbiose dieses ungeheuerlichen Klangakts teilhabenden Art paarhaften Musizierens! Selten oder nie ließ sich der Wortgehalt der höchstwahrscheinlich schönsten mittelalterlichen Lyrik, die den ausdrücklichen Schmerz der Jesus-Mutter über den am Kreuz dahinsiechenden und dahingesiechten Gottessohn zum Inhalt hat, so nüchtern und so distanzierend hinterfragen, wie das Rihm jetzt aktuell mit seiner Eins-zu-eins-Vertonung kalkuliert haben könnte.
Immer wieder gibt es so aus jeglicher Hermetik ausbrechende "Aufbrauser", am deutlichsten, wenn Gerhaher die Mutter Gottes dazu drängt, ihn (Jesus) und das unsägliche kreuzigungsbedingte Blutleid endlich hinter sich zu lassen, Abstand von dem Nicht-wieder-Lebendigmachenden zu nehmen mit der eindringlichen (Männer-) Botschaft, dass ihr fraulicher Verstand über ihr bloßes (Mutter-) Mitgefühl obsiegen sollte; möglichst - leichter gesagt als getan.
Sehr, sehr, sehr assoziationsgeladen.
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Tabea Zimmermann und Christian Gerhaher mit Stabat mater für Viola und Bariton von Wolfgang Rihm - uraufgeführt beim MUSIKFEST BERLIN am 23. September 2020 | Foto (C) Monika Karczmarczyk / Berliner Festspiele
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Flankiert wurde die Rihm'sche Uraufführung von dessen Sphäre nach Studie und Male über Male 2 (mit dem auch als Klarinettist Weltruhm genießenden Komponisten Jörg Widmann, der den ihm gewidmeten Solopart grandiosest meisterte) - tolles Konzert!!!
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Andre Sokolowski - 24. September 2020 ID 12487
MUSIKFEST BERLIN (Philharmonie Berlin, 24.09.2020)
Wolfgang Rihm: Sphäre nach Studie für 6 Instrumentalisten (1993/2002)
- Stabat Mater für Viola und Bariton (2020)
- Male über Male 2 für Klarinette und 9 Instrumentalisten (2000/2008)
Christian Gerhaher, Bariton
Tabea Zimmermann, Viola
Tamara Stefanovich, Klavier
Jörg Widmann, Klarinette
Mitglieder der Berliner Philharmoniker
Dirigent: Stanley Dodds
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/de/musikfest-berlin/start.html
http://www.andre-sokolowski.de
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