Junge Deutsche Philharmonie
Jonathan Nott
|
|
Bewertung:
Die Junge Deutsche Philharmonie ist auf Tournee u.a. mit einem Stück von Helmut Lachenmann und MIT Helmut Lachenmann. Auch heute in Berlin ist er dabei und wird zu Beginn des Konzertes von Leonie Reinecke interviewt. Die historische Musik sei wie „musikgewordene Sofakissen“ - was Helmut Lachenmann denn dagegensetzt, fragt sie ihn. Lachenmann ist ein sehr, sehr empathischer und freundlicher Zeitgenosse. Mit viel Geduld versucht er zu erklären, dass er das Publikum einladen und nicht spalten möchte. Er möchte, dass es eigenständig neue und spannende Klangerlebnisse macht. In seinem Stück Tanzsuite mit Deutschlandlied nutzt er bekannte Lieder und Melodien wie Skelette für seine Töne. Einige Beispiele werden während des Interviews angespielt: das namensgebende Deutschlandlied, "Schlaf Kindlein, schlaf" und das Hirtenlied aus dem Weihnachtsoratorium. Für ihn geht es aber weniger um die konkrete Musikalität dieser Vorlagen. Für ihn repräsentieren diese Stücke Heimat und Verbundenheit und sollen im ungewohnten Hörerlebnis die audiovisuellen Antennen anregen und anknipsen. Er will auch gar nicht so viel erklären, sagt er immer wieder, sondern das Publikum soll die Erfahrung unbedingt selbst und unvoreingenommen machen.
Das 30minütige Stück ist sehr heiter ohne dass die vielen Effekte ins Lustige abgleiten. Und Effekte gibt es viele: da wird an der Trompete geräuschhaft vorbeigeblasen, die Pianistin fasst mehr in die Saiten als dass sie die Tasten bedient, das Xylophon wird mit dem Bogen gestrichen, Violinen und die anderen Streichinstrumente werden perkussive eingesetzt, indem der Bogen auf- und abspringt auf den Saiten. Es ist bewundernswert, wie Jonathan Nott in diesen Geräuschwolken Linien und Zusammenhänge herausarbeitet. Das JACK Quartet musiziert präzise, folgt den komplizierten Spielanweisungen Lachenmanns. Tolles Stück!
*
Nach der Pause dann ein so ein musikgewordenes Sofakissen. Man vergisst immer leicht, dass Richard Strauss´ Ein Heldenleben für die damaligen Zuhörer auch ein neues Klangerlebnis war. Strauss´ naturalisierter Klangprozess ähnelt gar dem von Lachenmann, nur heute nach 120 Jahre und unzähligen Aufführungen ist das Neue komplett verschwunden. Eingekuschelt auf dem Sofa mit einer warmen Decke sollte man das heute genießen. Die Musiker der Jungen Deutschen Philharmonie bemühen sich redlich. In den Einzelstimmen, vor allem bei den Hörnern, hört man schon Profiqualitäten. In den Tuttis geht manchmal die Transparenz etwas verloren. Freilich hört man das nur, weil man das Stück vorher schon von etlichen Spitzenorchestern gehört hat und automatisch Vergleiche anstellte.
Insgesamt - vor allem im Zusammenhang mit dem Erlebnis Helmut Lachenmann - war das ein sehr einprägsames Konzert, dem leider nur sehr wenige gefolgt sind. Lag es an der Zeit 11 Uhr, am Orchester oder am Programm? Das Format sollte man unbedingt überdenken.
|
Junge Deutsche Philharmonie | (C) Achim Reissner
|
Steffen Kühn - 16. September 2019 ID 11682
MUSIKFEST BERLIN (Berliner Philharmonie,15.09.2019)
Helmut Lachenmann: Tanzsuite mit Deutschlandlied, Musik für Orchester mit Streichquartett
Richard Strauss: Ein Heldenleben
JACK Quartet
Junge Deutsche Philharmonie
Dirigent: Jonathan Nott
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/de/musikfest-berlin/start.html
Post an Steffen Kühn
https://www.hofklang.de
Konzertkritiken
MUSIKFEST BERLIN
Neue Musik
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|