Berliner Philharmoniker
Peter Eötvös
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Bewertung:
Alhambra ist als Auftragswerk des Internationalen Tanz- und Musikfestivals in Granada, der Stiftung Berliner Philharmoniker, der BBC Proms und des Orchestre de Paris entstanden. Das dritte Violinkonzert von Peter Eötvös ist von der Architektur und Geschichte von Alhambra in Spanien inspiriert. „Musik ist gefrorene Architektur“ – dieses Zitat geht auf Schopenhauer zurück.
Peter Eötvös geht den Weg jetzt wieder zurück, er dechiffriert die Architektur von Alhambra wieder in Musik. Isabelle Faust startet das Konzert mit schroffen Klangkaskaden. das Soloinstrument ist sowas wie der Erzähler, der Dechiffrierer des Stückes. Assoziative Aktionen vom Soloinstrument ausgelöst erzählen dann die Geschichte von Alhambra. Die fanfarenhaften Hörner erinnern an den Armeebetrieb in einer Festung. Harfe und Xylophon singen von der bezaubernden Landschaft. Richtig „modern“ wird es, wenn sich sirrende Obertöne der Solovioline mit Piccolo Flöte, Harfe und Xylophon treffen. Großartiges Stück, der Saal ist begeistert, und Isabelle Faust im expressiv blumigen Outfit verzaubert uns mit einer kurzen Zugabe, einer Art Superglissando.
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Dann Xenakis' Shaar für großes Streichorchester, ein Sprung, wie er größer nicht sein könnte: Keine polyphonen Entwicklungen, das Stück ist eine ständige Eruption. Die Kontraste sind groß und bauen riesige Spannungsbögen auf, wobei die Übergänge von horizontalen zu vertikalen Flächen, von singenden zu grummelnden Passagen fließend vor sich gehen. Nach dem sirenenhaften, fast kreischenden Beginn lösen sich immer mal wieder assoziative Fetzen aus dem Glissando-Dickicht. Linien werden leicht verschoben, man spürt den naturwissenschaftlichen Ansatz des Ingenieurs und Architekten Xenakis. Brachial gestrichen entstehen rhythmische Attacken gegen zarte auf- und abwärtslaufende Linien. Überraschend die große Begeisterung des Publikums für dieses schroffe Stück, auch Isabelle Faust mittlerweile im Publikum sitzend, applaudiert kräftig.
Für Edgard Varèses Amériques müssen nochmal viele Stühle auf die Bühne geholt werden. 140 Musiker inklusive Fernorchester fordert die Partitur. Acht Schlagzeuger neben den vier großen Pauken, Sirenen, Bootspfeifen und allerlei weitere Alltagsgeräuschmacher werden gebraucht. Sehr geräuschhaft geht es auch zu, die Wogen überschlagen sich schon zu Beginn des Stückes. In den Tuttis verliert der Klang heute leider seine Struktur. Wohltuend wie das Fernorchester im Backstage Bereich die Aktionen dann immer wieder entschleunigt.
Das sorgfältig ausgewählte und reduzierte Programm mit den drei Stücken des heutigen Abends geht voll auf. Es gibt sie die modernen Stücke, mit denen man einen ganzen Abend im großen Saal der Berliner Philharmonie gestalten kann!
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Das ist der Komponist und Dirigent Peter Eötvös | (C) Klaus Rudolph
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Steffen Kühn - 9. September 2019 ID 11666
MUSIKFEST BERLIN (Berliner Philharmonie, 08.09.2019)
Peter Eötvös: Alhambra, Konzert für Violine und Orchester Nr. 3
Iannis Xenakis: Shaar für großes Streichorchester
Edgard Varèse: Amériques (1. Fassung von 1918 - 1922, rev. 1997)
Isabelle Faust, Violine
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Peter Eötvös
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/de/musikfest-berlin/start.html
Post an Steffen Kühn
https://www.hofklang.de
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