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Konzertkritik

Fantastisches

Das phänomenale Remix Ensemble Casa da Música gastierte in der Kölner Philharmonie


Bewertung:    



Man hätte es wohl gestern Abend auch als einen zwingenden Veranstalter-Trick deuten können, um die ca. 2.000 Sitzplätze fassende Kölner Philharmonie - mangels der Existenz eines für Köln dringend (!) erforderlichen Kammermusiksaals - wenigstens halb- oder ein Drittel voll zu kriegen:

Nimm zwei populäre Werke wie z.B. Beethovens Mondscheinsonate oder Mozarts Fantasia in c-Moll und kopple sie mit zeitgenössischer Musik von Julian Anderson (51), Daniel Moreira (35) und György Kurtág (92); die Klavierstücke von Beethoven und Mozart könnten u.U. magnetisch anziehen, ja und bei all dem "neuen Rest" bliebe dann nur noch Abwarten und Teetrinken o.s.ä.

Derart plump, also von der Idee her, war dann die Zusammenstellung des besagten Abends freilich nicht - im Gegenteil; seine Dramaturgie war durchaus "aufeinander angewiesen", und sie machte einen insgesamt schon weisheitlichen Sinn. Überhaupt zählen die diesbezüglich von der KölnMusik GmbH herausgegebenen Programmhefte zum Lesenswertesten und somit Brauchbarsten, was es - vergleichsweise zu anderen Konzerthäusern im deutschsprachigen Raum - als unterhaltendes und (nicht nur fachlich) 'ranführend-flankierendes Geleit so gibt!

*

Das phänomenale und im portugiesischen Porto ansässige Remix Ensemble Casa da Música war da und spielte drei durchaus im allgemeinen Fantasie-Umfeld - Dachthema dieses Abends war nämlich die "Fantasie" (als Genre und Gespinst) - einordbare Kompositionen der bereits erwähnten Tonschöpfer unserer Zeit.

Zur Darbietung der Mondscheinsonate (und der nach der Pause idealisch interpretierten Mozart-Fantasia in c-Moll) wurde ein Hammerflügel aufs Konzertpodium gestellt. Hierauf zu spielen zählt für Pianist Andreas Staier fast schon zur beruflichen Routine; insbesondere der altbekannte erste der drei Sätze tat ihm da auf das Vorzüglichste geraten.

Seine vierzehnte Klaviersonate in cis-Moll attribuierte Beethoven mit "quasi una fantasia" (= "gleichsam eine Fantasie"). Selbige Formel griff der Kurtág dann in seinem 30 Jahre alten gleichnamigen Werk "für Klavier und im Raum verteilte Instrumente" auf. Angeblich lag seine Idee zu diesem hochkomplexen fünfsätzigen Stück weitere 30 Jahre noch zurück, als er - in einer Psychokrise sich befindend - eine ungarische Psychologin in Paris aufsuchte, die ihm [lt. Programmheft] prompt dann riet, "erst mal nur mit sehr wenigen Tönen zu arbeiten", was er ab da wahrscheinlich für sein nachfolgendes Oevre weitgehend beherzigte.

Auf alle Fälle: Dieses Kurtág-Stück war sicherlich der Höhepunkt des aufhorchenden Abends. Es ist immer wieder faszinierend zu erleben, wie im Raum verteilte Instrumente ihren Klang gen Raumesmitte, wo das zuhörende Publikum dann i.d.R. sitzt, aufteilen und zu einem Ganzen bündeln; diese ausnahmsvolle Wahrnehmung erfolgt dann gleichzeitig von vorn, von hinten und/oder von rechts, von links...

Erst vor drei Tagen fand die Uraufführung von Moreiras Beethoven quasi una fantasia (ebenso auf Mondschein op. 27,2 fixiert so wie der alte Kurtág) in Porto statt - ein Auftragswerk von Remix sowie KölnMusik. Und gestern folgte dann die deutsche Erstaufführung auf den Fuß.

* *

Auch die Alhambra Fantasy von Anderson, gleich zu Beginn des anspruchsvollen Abends, wurde von den Remix'ern gespielt: ein stimmungsvolles und illustratives Stück, nach dem - wer dort schon jemals war - die schöne südspanische Stadt Granada mit der dortigen Alhambra in Erinnerung "gerufen" worden war.




Das Remix Ensemble Casa da Música | Bildquelle: casadamusica.com

Andre Sokolowski - 23. September 2018
ID 10934
REMIX ENSEMBLE CASA DA MÚSICA (Kölner Philharmonie, 22.09.2018)
Julian Anderson: Alhambra Fantasy – in memoriam Grisey für 16 Spieler
Ludwig van Beethoven: Sonate für Klavier Nr. 14 cis-Moll op. 27,2 Mondscheinsonate
Daniel Moreira: Beethoven quasi una fantasia für Ensemble
Wolfgang Amadeus Mozart: Fantasia c-Moll KV 475 für Klavier
György Kurtág: ...quasi una fantasia op. 27 Nr. 1 für Klavier und im Raum verteilte Instrumente
Andreas Staier, Hammerklavier
Jonathan Ayerst, Klavier
Remix Ensemble Casa da Música
Dirigent: Peter Rundel


Weitere Infos siehe auch: http://www.koelner-philharmonie.de


http://www.andre-sokolowski.de

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