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Konzertkritik

Sehr, sehr

ambitioniert



Bewertung:    



Gustav Mahler stand in einer schweren Lebenskrise, als er sich zu seinem 48. Geburtstag nach Südtirol zurückzog. Kein Wunder vielleicht, dass er sich die von Todeshauch durchwehte Nachdichtung Die chinesische Flöte von Hans Bethges als Vorlage für ein neues Stück wählte. Das Lied von der Erde – eine Sinfonie für eine Tenor- und eine Alt- (oder Bariton) Stimme und Orchester - wurde zu einem Inbegriff für Mahlers Schaffen. Mahler verbindet hier seine bevorzugten Gattungen: die Sinfonie und das Lied. Schmerzlich werden die Schönheiten des Lebens und der Natur in Musik gesetzt, es geht um Abschiede, um den Tod.


„...daß ich einfach mit einem Schlage alles an Klarheit und Beruhigung verloren habe, was ich mir je errungen; und daß ich vis-à-vis de rien stand und am Ende eines Lebens als Anfänger wieder gehen und stehen lernen muss.“ (Gustav Mahler an Bruno Walter, 1908)


*

Die Junge Kammerphilharmonie Berlin mit ihrem Dirigenten Aurélien Bello trifft mit ruhigem kontemplativem Ton ganz die Stimmung der Entstehungszeit des Werkes. Bello scheint Mahler gut zu kennen, ohne Partitur dirigiert er das mehr als einstündige Opus. Und er scheint Mahler auch zu lieben. Mit knisternder Empathie motiviert er das Orchester zu fanfarenhaften Tuttis, gleich darauf bändigt er es und lässt die zauberhaften Harfen-, Celesta- und Glockenklänge hell schimmern. Und auch dem wunderbaren Alt von Katharina Kammerloher und dem schlackenlosen Tenor von Yiwei Xu lässt er genug Raum sich zu entfalten. Welch schönes Bild am Ende: Die drei Solisten aus dem ersten Teil des Konzertes musizierten gemeinsam mit den jungen Musikern der Jungen Kammerphilharmonie Berlin. Die jungen Musiker bedanken sich herzlich bei den „Profis“.

* *

Vor der Pause hören wir drei Uraufführungen, welche sich mit Mahlers Werk beschäftigen. Vorab Toshio Hosokawas Spell Song für Oboe, welches Dominik Wollenweber lückenlos der Uraufführung von Hosokawas Stück "Still ist mein Herz und harret seiner Stunde" für Solo-Englischhorn vorangestellt hat. Ein wunderbarer Kontrast ergibt sich da zwischen Oboe und Englischhorn. Nathan

Nathan Curriers Vom Leid der Erde arbeitet neben der Harfe mit effekthaften Einspielungen von Äolharfe, Virginia-Uhu, Rotflügelstärling und Amerikanischer Kröte. Die Harfe von Marie-Pierre Langlamet verliert sich leider etwas im Großen Saal der Philharmonie.

Ganz anders Nurit Stark an der Violine bei der Uraufführung von Peter Eötvös´ Adventures oft he dominant seventh chord. Nachdem sie ihre Schuhe an der Bühnenkante abgestellt hat, lässt sie sich kraftvoll ein auf eine Partitur, welche genial moderne Elemente mit tonalem Material verbindet.

* * *

Ein sehr inspirierendes Konzert mit hochmotivierten jungen Musikern. Sehr, sehr ambitioniert das Projekt des Orchesters um Mahlers Lied von der Erde; der Große Saal der Philharmonie entsprechend gut gefüllt.
Steffen Kühn - 10. Oktober 2019
ID 11737
JUNGE KAMMERPHILHARMONIE BERLIN (Berliner Philharmonie, 09.10.2019)
Toshio Hosokawa: Spell Song für Oboe
- "Still ist mein Herz und harret seiner Stunde" für Solo-Englischhorn (UA)
Nathan Currier: Vom Leid der Erde für Harfe, Äolharfe, Virginia-Uhu, Rotflügelstärling und Amerikanische Kröte (UA)
Peter Eötvös: Adventures oft he dominant seventh chord für Violine (UA)
Gustav Mahler: Das Lied von der Erde
Marie-Pierre Langlamet, Harfe
Nurit Stark, Violine
Dominik Wollenweber, Oboe und Englischhorn
Katharina Kammerloher, Alt
Yiwei Xu, Tenor
Junge Kammerphilharmonie Berlin
Dirigent: Aurélien Bello


Weitere Infos siehe auch: http://www.jkp.berlin/


Post an Steffen Kühn

https://www.hofklang.de

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