Der Nahost-
  konflikt als 
  Oper
LES MILLE ENDORMIS (THE SLEEPING THOUSEND)
 
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 Immer wieder einmal versuchen zeitgenössische Komponisten und Librettisten zu beweisen, dass sich aktuelle Stoffe im angeblich unzeitgemäßen Medium der Oper gestalten lassen. So auch der 36jährige israelische Komponist Adam Maor und sein Librettist Yonatan Levy, der bei der Welturaufführung von Les Mille Endormis (The Sleeping Thousand) in Aix-en-Provence auch Regie geführt hat. Die siebzigminütige Kurzoper handelt in der Form einer Science Fiction-Groteske von einem israelischen Ministerpräsidenten (Tomasz Kumięga), der ein Problem hat. Tausend palästinensische „Verwaltungshäftlinge“ sind in den Hungerstreik getreten. In der Landwirtschaft kündigt sich eine Katastrophe an. Der amerikanische Präsident teilt dem Ministerpräsidenten telefonisch mit, das die Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedet haben, die Regen über Israel verhindern soll. Man beschließt, die Häftlinge in Schlaf zu versetzen und im Büro des Ministerpräsidenten einzusperren. Ehe die eigentliche Oper beginnt, sieht man in einem eindrucksvollen Bild Statisten als diese schlafenden Gefangenen auf zwei Ebenen auf Liegen mit Tropfenfängerbeuteln am Arm.
 
 Jahre vergehen. Da erfährt der Ministerpräsident von Kindern, die epileptische Anfälle erleiden und plötzlich arabisch sprechen. Ganz Israel wird von Albträumen geplagt. Die tausend Schlafenden werden verdächtigt, sich Zugang zur jüdischen Traumwelt verschafft zu haben. Die Assistentin des Ministerpräsidenten Nurit (Gan-ya Ben-gur Akselrod) wird ausgesandt, um sich, als schlafende Araberin verkleidet, in die palästinensische Klartraumwelt einzuschleichen und eine vermutete Terroristenzelle zu zerstören. Aber Nurit wird von den Schlafenden bekehrt wie Tamino von Sarastro. Sie verfällt in einen Gesang, der an arabische Folklore erinnert. Ein ziemlich aufklärerischer Schluss, bedenkt man Netanjahus Wirklichkeit. 
 
 Für diese krause Story – ihr ornamental ausgestatteter Kern: die Unterdrückung der Palästinenser ist die Ursache für die Albträume der jüdischen Israelis – hat Adam Maor eine atonale, fast bruitistische Musik für acht Instrumente und Elektronik erfunden, die mit Anklängen an orientalische Harmonien und mit gestischen Elementen arbeitet. So wird etwas die Rechthaberei und die Paranoia des Ministerpräsidenten in lang anhaltende, flackernde Töne umgesetzt, die ebenso viel aussagen wie die Worte und die Mimik. Für die Rolle des automatenähnlichen Chefs des Sicherheitsdienstes (David Salsbery Fry) benützt der Komponist die Technik der elektronischen Verfremdung, die Klangwirkungen des Obertongesangs imitiert.
 
 Hervorzuheben gilt bei diesem in mancherlei Hinsicht gewagten Experiment mit internationaler Beteiligung das energische, präzise Dirigat von Elena Schwarz. Viel Applaus: in Aix-en-Provence unterschätzt man das Publikum nicht.
 
 
 
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 Les Mille Endormis von Adam Maor beim Festival d´Aix-en-Provence | Foto (C) Patrick Berger
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Thomas Rothschild - 7. Juli 2019 (2) ID 11552
 
LES MILLE ENDORMIS (Théâtre du Jeu de Paume, 06.07.2019)
 Musikalische Leitung: Elena Schwarz
 Inszenierung: Yonatan Levy
 Bühnenbild: Julien Brun
 Kostüme: Anouk Schiltz
 Licht: Omer Shizaf
 Dramaturgie: Amir Farjoun
 Mit: Tomasz Kumięga, Gan-ya Ben-gur Akselrod, David Salsbery Braten und Benjamin Alunni
 United Instruments of Lucilin
 Uraufführung beim Festival d’Aix-en-Provence war am 6. Juli 2019.
 Weitere Termine: 08., 10, 12.,14.07.2019
 
 
 Weitere Infos siehe auch: https://festival-aix.com
          
     
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