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Neue Musik

Eine ehrenwerte Gesellschaft

DIE ENGLISCHE KATZE von Hans Werner Henze an der Staatsoper Hannover

Bewertung:    



Es müsste einen schon skeptisch stimmen, wenn ausgerechnet Katzen eine Königliche Gesellschaft zum Schutz der Ratten (kurz K.G.S.R.) gründen und sich im Keller eine Hausmaus halten, die sie vor dem Tod gerettet haben und hegen und pflegen. Nicht nur der Landkatze Minette, die Lord Puff heiraten soll, und ihrer Schwester Babette kommt es komisch vor, dass Katzen Fleisch verweigern. Aber da im Laufe des Abends dann doch der eine oder andere mit blutigen Lefzen auftaucht, ist davon auszugehen, dass einfach nur heimlich gegessen und nach außen der Schein der moralischen Korrektheit aufrechterhalten wird.

Die Handlung von Henzes Oper Die englische Katze ist schnell erzählt: Lord Puff, die älteste und ehrenwerteste Katze im Haus von Mrs. Halifax, soll Minette, eine Katze vom Land heiraten. Das kommt ihm bei seinen Ambitionen, Präsident der K.G.S.R. zu werden, durchaus zupass. Minette allerdings wirft ein Auge auf den Straßenkater Tom. Auf Drängen der K.G.S.R. kommt es zu einem Scheidungsprozess. Tom entpuppt sich in der Folge zwar ebenfalls als Sohn eines reichen Adeligen, für seine Angebetete ist es da aber bereits zu spät: Auf Anordnung von Mrs. Halifax wird sie ertränkt. Tom tröstet sich mit ihrer Schwester Babette, wird kurz darauf aber ermordet, da die K.G.S.R. sein Geld gut gebrauchen kann.

Schräg kommen in der Inszenierung von Dagmar Schlingmann an der Staatsoper Hannover nicht nur die Katzen daher, sondern gleich das ganze Bühnenbild. Sabine Mader hat einen gekippten Raum entworfen, in dem die Katzen hausen. Das sieht spektakulär aus, wobei unklar bleibt, ob es sich um einen Außen- oder einen Innenraum handelt. Wenn Minette den Straßenkater Tom auf dem Dach trifft, fährt eine Feuerleiter vom Bühnenboden herunter. Die Ausstattung ist insgesamt ausgesprochen liebevoll geraten, ohne zu detailverliebt oder überbordend zu sein. Auch die Lösung für das Katzenspiel ist gelungen: Die Darsteller tragen zwar keine Tierkostüme, aber ihr Bewegungsrepertoire ist dem eines Tieres angepasst und gelegentlich ist auch Miauen zu hören.

Schlingmann und ihr Team hinter der Bühne können sich auf ein ausgezeichnetes Ensemble auf der Bühne verlassen. Bei allen Darstellern zeigt sich eine unglaubliche Spielfreude, die einzelnen Szenen sind klar gearbeitet. Sung-Keun Park gibt einen gemütlichen Lord Puff, mit dem bei aller Trägheit nicht zu spaßen ist, wenn es um seine Stellung in der Gesellschaft geht. Der böse Intrigant des Stückes (Puffs Neffe Arnold, der Spielschulden hat und auf das Erbe seines Onkels angewiesen ist) ist bei Daniel Eggert gut aufgehoben. Ania Vegry spielt eine sehr verführerische und zugleich verführbare Minette, die scheinbare Unschuld vom Lande, die in Matthias Winckhlers charmant abgehalftertem Tom ihre große Liebe findet und dennoch nicht von ihm gerettet werden kann.

Henzes Oper nimmt Anleihen bei der Populärmusik, ist aber natürlich auch unüberhörbar eine Komposition der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und daher nicht unbedingt leichtgängig. Es überwiegen komplexe Ensembleszenen, und die Oper ist musikalisch äußerst dicht und konzentriert, so dass man kaum zum Durchatmen kommt. Dennoch bleibt vieles überraschend gut im Ohr. Das ist auch der musikalischen Leitung von Mark Rohde zu verdanken, der das exzellent aufgelegte Niedersächsische Staatsorchester zielsicher durch die Partitur navigiert. Auch die sängerischen Darbietungen sind ohne Ausnahme auf hohem Niveau. Besonders erwähnenswert hier vor allem Ania Vegrys anrührende Charakterdarstellung der Landkatze Minette, die ohne Mühen ihre schwierige Gesangspartie meistert.

Kurz und gut: Diese Katze macht einfach Spaß, auch wenn der ehrenwerten Gesellschaft zum Schutz der Ratten natürlich nicht zu trauen ist. Henzes Oper ist nicht gerade ein Repertoirerenner, allerdings tut die Staatsoper Hannover mit dieser Aufführung einiges dazu, um für das Werk Werbung zu machen. Das Publikum war jedenfalls begeistert. Warum also nicht doch mal das Repertoire der gängigen Opern um Die englische Katze erweitern?
Karoline Bendig - 27. Januar 2017
ID 9807
DIE ENGLISCHE KATZE (Opernhaus, 20.01.2017)
Musikalische Leitung:  Mark Rohde
Inszenierung:  Dagmar Schlingmann
Bühne: Sabine Mader
Kostüme: Ellen Hofmann
Licht:  Susanne Reinhardt
Dramaturgie: Klaus Angermann
Mit: Sung-Keun Park (Lord Puff), Daniel Eggert (Arnold), Julia Sitkovetsky (Louise), Edward Mout (Mr. Keen, Peter, Verteidiger, Lucian, Pfarrer), Byung Kweon Jun (Mr. Jones, Mr. Fwan, Richter), Martin Busen (Mr. Plunkett, Staatsanwalt), Carmen Fuggiss (Miss Crisp), Stella Motina (Mrs. Gomfit), Mereike Morr (Lady Toodle), Ania Vegry (Minette), Hanna Larissa Naujoks (Babette) und Matthias Winckhler (Tom)
Statisterie der Oper Hannover
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Premiere war am 26. November 2016.
Weitere Termine: 27.01. / 03.02.2017


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatstheater-hannover.de/oper/


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