Ausklang von Helmut Lachenmann
Bamberger Symphoniker
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Bewertung:
Das Mädchen mit den Schwefelhölzern ist vielleicht das wichtigste, v.a. aber populärste Werk des Komponisten Helmut Lachenmann (79)!
Der war jetzt anlässlich eines MUSIKFEST-Gastspiels von den Bamberger Symphonikern persönlich in Berlin und führte - im Gespräch mit Olaf Wilhelmer - in seinen Ausklang ein. Bei der Gelegenheit, von Wilhelmer danach befragt, ließ Lachenmann sich kurz zu Strauss "vernehmen" (weil Vier letzte Lieder seinem Ausklang vorgerückt gewesen waren), und er meinte also, dass mit Strauss das endgültige Ende der Tonalität erreicht war; und es wäre wie bei einem auslaufenden Füller, der, sobald dann die Patrone alle sei, kleckst oder ausläuft - ganz genauso wie bei Richard Strauss! Das letzte großartige C-Dur (jenes abgeschloss'nen Zeitalters tonalen Komponierens) wäre in der Alpensinfonie, in jener Szene auf dem Berggipfel, notiert gewesen...
Lachenmann hegte und hegt enormes Misstrauen zu sog. schönen Klängen.
Ausklang ist ein fast 1stündiges Klavierkonzert, salopp gesprochen. "Neben allen Varianten des Pedalgebrauchs und des stummen Niederdrückens von Tasten" sei es (lt. Programmheft-Text von Olaf Wilhelmer) "von rasanten Tonrepetitionen, von Skalen und Arpeggien bestimmt, die jenseits ihrer kompositorischen Funktion die Virtuosität der sinfonischen Klavierkonzerte heraufbeschwören, die immer wieder in zusammenhanglosen Überbleibseln hervorzuklingen scheinen, ohne dass ein Zitat auch nur ansatzweise erkennbar wäre. Hinzu kommen erweiterte Spieltechniken wie das Anreißen von Klaviersaiten mit den Fingernägeln, das Glissando über die Tasten hinweg mithilfe von zwei oder drei Plastik-Töpfchen von 4-8 cm Durchmesser (so die Erläuterung der Partitur) sowie das Bearbeiten des Flügel-Stahlrahmens mit einem Hammer (der ebenfalls aus schonend anwendbarem Kunststoff besteht)."
Der Pianist (Pierre-Laurent Aimard) kann sich der tatkräftigen Unterstützung und Korrespondenz eines Riesenorchester (Dirigent: Jonathan Nott) erfreuen resp. sicher sein. Den Musikern scheint dieser Sonderfall sinfonischen Servierens zu gefallen; jedenfalls sieht der Betrachter reihum gutgelaunte Mienen, die das Alles dann für Helmut Lachenmann (und uns, das Publikum) in Töne und Geräusche übersetzen.
Und beim Hören muss ich unaufhörlich an den Hollywoodstar Kiefer Sutherland, der den besorgten als wie hilflos scheinenden Familienvater in Melancholia Lars von Triers gespielt hatte, und der - von der Idee des absolut stattfindenden Weltuntergangs besessen - derart keinen Ausweg letztlich weiß, dass er sich selber umbringt, denken; und so dachte ich mir halt (während des Ausklang-Hörens), dass das irgendwie doch immer wiederkehrende In-mich-hinein-Gehämmere per Tastatur und "Schläge" eine Art von Innenzustand Kiefer Sutherlands, der diesen urplötzlichen Suizid bei ihm zur Folge hatte oder so, gewesen hätte sein können. [Jeder denkt meistens nur für sich.]
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Genia Kühmeiers Vier letzte Lieder-Interpretation kann nachgerade als ein vollmondlichtenes Vorzeigebeispiel geistreichen UND Schöngesangs bezeichnet sein; ihr Timbre weist (für mich) so einen tollen Mischfonds aus Studer & Janowitz aus, nur noch viel viel unnachahmlicher - ja und man will sich einfach nicht (so zum Vergleich) an das vor ein paar Tagen stattgefunden habende Geplärre von Netrebko (die Vier letzte Lieder unter Barenboim als ihre Welterstdarbietung zum Besten gab) erinnern; nicht nach Dem, wie wir das heute Abend dargereicht bekommen hatten! Traumhaft, schön.
Das Orgelwerk von Reger (s.u.) schien im Kontext doch verzichtbar, aber prima auch, dass Christian Schmitt extra nur seinetwegen kurz mal dagewesen war.
Alles in Allem: Ausnahmekonzert!!!
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Helmut Lachenmann beim MUSIKFEST BERLIN 2014 - Foto (C) Kai Bienert
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Andre Sokolowski - 9. September 2014 ID 8074
MUSIKFEST BERLIN (Philharmonie, 08.09.2014)
MAX REGER: Fantasie und Fuge für Orgel d-Moll op. 135b (1915)
RICHARD STRAUSS: Vier letzte Lieder (1948)
HELMUT LACHENMANN: Ausklang - Musik für Klavier mit Orchester (1984/85)
CHRISTIAN SCHMITT, Orgel
GENIA KÜHMEIER, Sopran
PIERRE-LAURENT AIMARD, Klavier
BAMBERGER SYMPHONIKER
Dirigent: JONATHAN NOTT
Weitere Infos siehe auch: http://www.musikfestberlin.de
Post an Andre Sokolowski
http://www.andre-sokolowski.de
MUSIKFEST BERLIN
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