Bayreuther Festspiele 2015
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Marke mal
als Arschloch
- warum nicht?!
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Georg Zeppenfeld als König Marke in Tristan und Isolde bei den Bayreuther Festspielen 2015 | Foto (C) Bayreuther Festspiele/Jörg Schulze
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Bewertung:
Mit Tristan und Isolde revolutionierte Richard Wagner (1813-1883) die Musik und stieß mit ihnen - insbesondere wegen des buchstäblich gewordenen Tristan-Akkords - in eine Art von Neuzeit. Halbtönige Klangfolgen gab es bis dahin nicht bzw. nicht in dieser kompositionellen Konsequenz; als insgesamter Auswuchs einer "unendlichen Melodie" bietet das handlungsarme Werk gleichwie den Anlass und das Futter es durch (szenisch) aufblasbare Überdeutungen und eine (musikalisch) extraordinäre Darreichung zu verlebendigen: dieses Durch-Nacht-zum-Licht als eine bloße Urnatürlichkeit zwischen dem jeweiligen Aufleuchten des Abend- und des Morgensternes sozusagen kosmisch zu begreifen...
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Regisseurin Katharina Wagner resp. ihre beiden Bühnenbilderer Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert hatten sicherlich ganz Großartiges mit dem Tristan in 2015 vor. Dass sich der Aufbau (mit zig Treppenelementen, fahrradständerähnlichen Vergatterungen, gleichschenkligen Dreieckspyramiden) unverhältnismäßig stark verselbständigen wollte oder sollte, ohne dass der Inszenierung damit irgendwie gedient gewesen wäre, war dem Trio, als es seine insgesamte Groß-Art konzipierte, irgendwie vielleicht nicht klar geschweige denn bewusst - die zufälliger (oder lästiger?) Weise in dem über fünfstündigen Sing-Stück auch noch mitwirkenden SängerInnen in das großartige Bau-Gerüst zu integrieren, tat sich jedenfalls als echtes Hemmnis oder Hindernis manifestieren; kurz und gut: Keiner von denen schien da richtig reinzupassen / gottseidank vermochte Christian Thielemann dann wenigstens das Eine und das Andere mit ihnen anzustellen, und obgleich es sängerische Abstriche bei alldem gab; jedoch: Von unten, quasi aus dem Graben, konnte das Wegweislerischste dieses insgesamt lichtscheuen und sodurch mitunter gar ermüdenden und langweilenden Abends ausgemacht werden - das Festspielorchester wonnte und weinte, was das Zeug herhielt. Die fundamentale Klangmatte tat über das rein optische Debakel triumphieren und es, halbwegs immerhin, ohrlich mit ihm versöhnen...
Georg Zeppenfeld (als textverständlicher, tonkultivierter König-Marke-Darsteller) ragte als Alles übertreffende und maßstäbliche Attraktion der Aufführung heraus!! Die Regisseurin stellte die Figur ins Zentrum ihrer neuen (wahrlich neuen!) Rollen-Sicht. Besitzergreifend trieb hier Einer seine provinzielle Biedernis bis in das für ihn unausweichlich Abseitige. Marke schien gewiss ins liebestranksüffige Paartreiben der anerwählten Braut mit ihrem/seinem Brautwerber voreingeweiht - ja und ob mit oder ob ohne Liebestrank; für ihn war klar, dass er Isolde so und so nie richtig kriegen würde, ein Instinkt verriet ihm das. Also verübte er Totalkontrolle über sie und ihren Macker/seinen Konkurrenten. Der gesamte zweite Akt spielte daher auch in 'nem hoch ummauerten Gefängnishof, von dessem Oberhöhe aus er das Geschehende mit Suchscheinwerfern ausleuchtete. Schließlich zerrte er - kurz nach dem Abklingen des sog. Liebestods - Isolde von dem Toten weg ins Hinterland und würde dort den diesbezüglichen Besitzanspruch gebührlich auszukosten wissen - Macho = Arschloch, alle gleich und alle wie sie sind; so oder ähnlich... Von K. Wagner war das hochgenial geschlossen, konsequent durchdacht, parteiisch abgefühlt gewesen!
Evelyn Herlitzius - als Elektra und/oder Brünnhilde weltweit eine der vorzeigbarsten Instanzen, die es gibt - mit der Isolde kurzfristig besetzt zu haben, muss [obgleich sie, wie man las, diese Premiere somit überhaupt erst rettete] als irrwegiger Fehlgriff angemahnt sein. Monoton und scharf vibrierend und forcierend, quasi ohne Unterlass, verbreitete sie, was die Angelegenheit betraf, vielmehr den Willen durchzuschreien als der Rolle "rein-gesanglich" auf den Grund zu gehen. Leise jedenfalls konnte Herlitzius mitnichten.
Stephen Gould hatte es da gewohnheitsmäßig leichter - seine bärige Gemütlichkeit paarte sich auf das Idealste mit dem durchweg warmen, uneckigen Klang seines Baritonaltenors. Die Fieberfantasien aus dem Dritten Aufzug klangen "kugelrund"; er hatte sie, allein vom Stimmtechnischen und Stimmökonomischen her, unter der Kontrolle.
Christa Mayer gab Brangäne, Ian Paterson den Kurwenal.
Die andern Mitwirkenden: unauffällig.
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Bühnen-Treppen-Chaos für den Ersten Aufzug von Tristan und Isolde bei den Bayreuther Festspielen 2015 | Foto (C) Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath
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Hinterher - während des Fußmarsches vom Grünen Hügel runter in das schlichte Bayreuthtal - griffen bei mir mit einem Mal die Bilder/Klänge aus den Festspiel-Tristan-Aufführungen Heiner Müllers/Daniel Barenboims (1997) und Christoph Marthalers/Peter Schneiders (2009) erinnerungsträchtig den wohlwollendsten Raum. Ich bleibe, vorerst jedenfalls, einzig besetzt von ihnen.
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Andre Sokolowski - 3. August 2015 ID 8785
TRISTAN UND ISOLDE (Festspielhaus, 02.08.2015)
Musikalische Leitung: Christian Thielemann
Regie: Katharina Wagner
Bühne: Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert
Kostüme: Thomas Kaiser
Dramaturgie: Daniel Weber
Licht: Reinhard Traub
Chorleitung: Eberhard Friedrich
Besetzung:
Tristan ... Stephen Gould
Marke ... Georg Zeppenfeld
Isolde ... Evelyn Herlitzius
Kurwenal ... Iain Paterson
Melot ... Raimund Nolte
Brangäne ... Christa Mayer
Ein Hirt / Junger Seemann ... Tansel Akzeybek
Ein Steuermann ... Kay Stiefermann
Festspielchor und Festispielorchester
Premiere bei den Bayreuther Festspielen war am 25. Juli 2015
Weitere Termine: 7., 13., 18. + 23. 8. 2015
Weitere Infos siehe auch: http://www.bayreuther-festspiele.de
Post an Andre Sokolowski
http://www.andre-sokolowski.de
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