Uraufführung | dark dreams von Georg Friedrich Haas
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Waldidyll und Echos in den Bergen und das Meer
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© Berliner Philharmoniker / Monika Rittershaus
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Die Konzerteinführungen Götz Teutschs zähle ich zu meinen Lieblings-Konzerteinführungen in der Philharmonie Berlin! Hier wird mit klarer Zunge und mit wamem Witz stets auf den Punkt gebracht, was unsereiner (der De-facto-Laie) hinsichtlich der Zeitgenössischen Musik bisher noch nicht so recht kapierte. Diesmal - anlässlich einer Beinterviewung des aus Graz stammenden Komponisten Georg Friedrich Haas (geb. 1953), dessen dark dreams kurz vor der Uraufführung standen - ging er richtig intensiv mit uns De-facto-Laien ins Gericht und appellierte zur "Öffnung in uns". Will also sagen, dass wir uns de-facto-laienmäßig nicht dem Neuen, das da kommen würde, groß verschließen sollten, und das wäre dann der generelle Schlüssel... Leicht gesagt.
Oder auch wieder nicht, denn:
In der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz kann man jetzt bis Mitte März ein neues, allerdings doch ziemlich altmodisch daherkommendes chorsinfonisches und viersätziges Werk, welches vorgestern seine deutsche Erst- und Uraufführung feierte, erleben; es ist mit Der Klang der Offenbarung des Göttlichen überschrieben und stammt von dem isländischen Komponisten Kjartan Sveinsson. Ja und - was den konkreten Fall betrifft - hatten wir anspruchsvollen Zeitgenössische-Musik-de-facto-Laien absolut dann kein Problem mit dem von Teutsch gemahnten Öffne-dich - - also es gibt demnach auch schlichte und sehr leicht verständlich-nachvollziehbare ZG-Beispiele; oder waren wir dann vorgestern vielleicht am falschen Ort? Obwohl uns diese Sinfonie dort sehr vereinlullte??
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Haas' dark dreams dauern nicht mal eine halbe Stunde.
Hören sich total effektvoll an!
Ein stark beunruhigendes Auf- und Abwabern eines die Klang- und Spielregister voll beanspruchenden Streicherapparates nimmt - fast bis zur Hälfte dieses Stücks - den Saalraum ganz für sich in Anspruch. Assoziativ wird mein sodurch reinkarniertes Denk- oder Erinnerungsvermögen auf die Goya'schen Caprichos oder meinetwegen auch den Shining-Film von Kubrick (Autofahrt nach oben Richtung Berghotel; der Kubrick tat hierzu, wenn ich mich recht entsinne, Bartók oder Ligeti benutzen [nur so zum Vergleich]) gelenkt.
Es riecht nach Bergen, insbesondere nach hohenfrischer Bergluft! Echos sind in einer großen Anzahl "Brüchen" auszumachen und (= Themen mit Variationen) unendliche Male zu vernehmen. Ein sich sonach wiederholendes, vervielfachendes und verewigendes Martinshorn entwickelt sich zum Hauptmotiv des prächtig-großzügigen Mittelteils. Ein Dauerklopfen steckt im Ohr und martert sehr. Bedenkliche Alarmzeichen für einen allzu hohen Blutdruck? Herzinfartkgefahr?? Das Martinshorn versinnbildlicht gottlob das baldige Herannahen der SMH. Doch bis die dann über die Serpentinen bis zu mir und meiner plötzlichen Verunfallung gelangt sein würde - DAS ist doch die Frage, die mich quält.
Auch wird die Art von auftretender Panik nicht zuletzt durch eine zusätzliche Angstvorstellung ausgelöst, dass mir im Zuge einer allgemein belustigend-berauschenden Spezial-Performance Hermann Nitschs die Eingeweiden peu à peu entnommen werden könnten... Es wird höchste Zeit, dass ich aus diesem Alptraum schnell wieder erwache!
Und so kurz vor Stückschluss spielen Sophie Dartigalongue, Janne Saksala und Alexander von Puttkamer auf ihren tiefen Instrumenten noch drei kleine Soli je für Kontrafagott, Kontrabass und Tuba... Unverbindlich-harmlos kommen wir abrupt zum Ende.
Der in puncto Zeitgenössische Musik als wahrer Anwalt und weltweit gefragte Dirigentenkoryphäre geltende Lothar Zagrosek, der am Uraufführungsabend hinter mir gesessen hatte, wollte vor Begeisterung über dark dreams schier aus dem Häuschen fahren... Diesen Enthusiasmus konnte ich so adäquat nicht teilen, und obgleich mich dennoch das Gehörte irgendwie gefangen nahm.
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Die Wald- und Wasserkomponenten kosteten vor/nach besagter Uraufführung (s.o.) die Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle am gewählten Beispiel von Brahms' Dritter Sinfonie [der "Waldidylle" meinte Clara Schumann] sowie Debussys La Mer aufs Schwelgerischste aus.
Bewertung:
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Andre Sokolowski - 21. Februar 2014 ID 7622
BERLINER PHILHARMONIKER (Philharmonie, 20.02.2014)
Johannes Brahms: Symphonie Nr. 3 F-Dur op. 90
Georg Friedrich Haas: dark dreams (UA)
Auftragswerk der Stiftung Berliner Philharmoniker gemeinsam mit der Carnegie Hall New York
Claude Debussy: La Mer
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Sir Simon Rattle
Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-philharmoniker.de
http://www.andre-sokolowski.de
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