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10. Mai 2012, Berliner Philharmoniker

DEM ANDENKEN EINES ENGELS

Bergs Violinkonzert u. a.


Manon Gropius (1916-1935) war die Tochter von Walter Gropius und Alma Mahler-Werfel. Alban Berg komponierte für sie sein Konzert für Violine und Orchester und nannte es Dem Andenken eines Engels.


Rosinenpicken (176)

Seit Jahren kehrt Claudio Abbado stets im Mai für drei Konzerte zurück an seine ehemalige Wirkungsstätte der Berliner Philharmoniker, deren Chefdirigent er von 1989 bis 2002 gewesen war. Und immer wieder schaffte er es - wie auch schon während der zwölfjährigen Amtszeit - eindrucksvolle Schwer- und Höhepunkte der Programmauswahl in das Orchester und von ihm quasi "heraus" zu seinen Hörern zu vermitteln; wohl am stärksten von den vielen Wiederseh-Konzerten in Erinnerung die Darbietung des ganzen Robert-Schumann-Manfred inkl. des gesprochnen Textes von Lord Byron, wo ein inniger wie exzessiver Hang des Künstlers insbesondere zu der Musik vom Zwickauer erkennbar war...

Jetzt hatte er sich wieder zwei der Schumann-Werke ausgesucht; die Ouvertüre zu der Oper Genoveva und die 2. Sinfonie flankierten aus romantisch-waldischer Gesichtung allerdings und ihrerseits den viel, viel "schwierigeren" und zugleich interessanteren Programmteil in der Mitte, wo zwei Alban-Berg-Werke platziert wurden:

Anne Sofie von Otter, eine von den jahrelangen Lieblingssängerinnen Claudio Abbados, überzeugte mit den Fünf Orchesterliedern nach den Ansichtskartentexten Peter Altenbergs (geniale lyrische Idee!) geradezu eklektisch! Sie klingt eigentlich, schon lange übrigens, nicht mehr so jugendlich und frisch, wie sie das noch zu ihren schönsten Octavian-Zeiten zurecht über sich sagen ließ - doch nun, in einem Stadium stimmlicher und freilich intellektueller Reife, kann sie es sich wahrlich leisten, eine Art von Nagelprobe zu den Idealwirkungen Text/Musik, die wahrlich selten anzutreffen sind, am Beispiel Altenberg/Berg anzustellen - nicht allein dass es fantastische "Geschichten" wären, die der Altenberg aus bloßen Ansichtskarten lyrisch zu erfinden sich entschlossen hatte; nein, auch Bergs Musik (mit großem Apparat im Übrigen!!) vermag das fast schon Unsägliche dieser Weisen fünffach musikalisch auszufühlen. Und die Otter kann das Alles singen und gestalten, aber wie!!!

Dann der Höhepunkt des Abend - Isabelle Faust spielte Bergs Violinkonzert mit der verführerischen Widmungszeile Dem Andenken eines Engels. Und die Geschichte dieses Werkes ist so schön und traurig (wie das Werk an sich), dass man sie gar nicht oft genug vernehmen könnte: Alban Berg kannte die Tochter Walter Gropius' sowie Alma Mahlers von der Kindheit an; als dann die 18jährige Manon an Kinderlähmung starb, stach Berg das derart tief ins Herz, dass er nun nicht mehr weiter an dem Auftrags-Violinkonzert, das bis zu dieser Zeit "unangefangen" auf dem Schreibtisch lag, ideenlose knaubeln musste, nein - ab da lief Alles wie von selbst. (So ist das nun mal bei den Künstlern: Manche brauchen einen Todesfall aus näherer Umgebung, und schon funktioniert es mit der Kreativität...) / Von Faust/Abbado gibt es jetzt eine CD des Violinkonzertes bei Harmonia Mundi; das Orchestra Mozart musiziert. // Am Schluss des zweiten Satzes gibt es diesen unerträglich anhaltenden hohen Ton der Solovioline; Isabelle Faust hält den so derart überirdisch aus, dass man von einer Sphäre in die nächste wegzutreiben droht. Sie würde eine sog. Dornröschen-Stradivari spielen. Passte irgendwie.




Claudio Abbado - Foto (C) http://www.berliner-philharmoniker.de


Andre Sokolowski - 11. Mai 2012
ID 00000005932
BERLINER PHILHARMONIKER (Philharmonie, 10.05.2012)
Schumann: Ouvertüre zur Oper Genoveva op. 81
Berg: Fünf Orchesterlieder nach Ansichtskartentexten von Peter Altenberg op. 4
Berg: Violinkonzert Dem Andenken eines Engels
Schumann: Symphonie Nr. 2 C-Dur op. 61
Anne Sofie von Otter, Mezzosopran
Isabelle Faust, Violine
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Claudio Abbado


Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-philharmoniker.de


http://www.andre-sokolowski.de



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