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19. März 2013, Staatsoper im Schiller Theater / Werkstatt

VANITAS

Natura morta in un atto von Salvatore Sciarrino


Rowan Hellier singt die Stimme und Gregor Fuhrmann spielt das Cello in Vanitas von Salvatore Sciarrino in der Werkstatt im Schiller Theater - Foto (C) Thomas Bartilla

"Vanitas, Vergänglichkeit, ist der Titel eines Musiktheaterwerks von Salvatore Sciarrino, das 1981 in Mailand uraufgeführt wurde und sich auf ganz allgemeine Art mit Vergehen und Verlöschen auseinandersetzt. Nachdem die Werkstatt im Oktober 2010 mit Infinito Nero des italienischen Komponisten wiedereröffnet wurde, wird in dieser Spielzeit die zeitlich deutlich längere musikalische Aktion Vanitas auf die Bühne kommen. Sciarrinos Kunst, Handlungsmomente zu zergliedern fand in diesem Werk seinen ersten Höhepunkt. Musikalisch am untersten dynamischen Stärkebereich angesiedelt, unterzieht Sciarrino – parallel zur Vereinzelung und Atomisierung einer Handlungsreflexion – das musikalische Material einem Abtastungsprozess mikrotonaler Bereiche mittels Glissandi und Flageoletttrillern. Damit verweigert er auch musikalisch einen klaren Handlungsverlauf. Mindestens ebenso wichtig ist für den Komponisten die Problematik der Sprachvertonung insgesamt. Im Falle des kantatenähnlichen 'Still-Leben in einem Akt' für die denkbar kleine Besetzung Mezzosopran, Violoncello und Klavier, stellt Sciarrino in fünf Sprachen eine Anthologie barocker Dichtung zusammen, die er, ohne auf den Sinn der benutzten Wörter zu verzichten oder sie in Phoneme zu zerlegen, zu einem minimalistischen Gesangstil verdichtet. Dessen neuartige Ausdruckssprache wurde nicht nur für seinen eigenen Kompositionsstil elementar, sondern prägt seitdem die Vokal- und Musiktheaterkompositionen der nachfolgenden Generation.

In
Vanitas wird die Palette sprachlicher Artikulationsweisen genutzt, um seelische Erschütterung ebenso wie menschlich entrückte Reflexion abzubilden. Vergänglichkeit wird hier gleichsam am Beispiel des Er- und Verklingens von Musik auf bis dahin ungehörte Weise erfassbar gemacht."

[Quelle: Staatsoper im Schiller Theater]


* * *


Es ist immer gut und nützlich, dass es solche einführenden Texte (s. o.) gibt. Mitunter sitzt man schon sehr einsam und verlassen da und wundert sich - außer vielleicht über sich selbst und seinen für so ganz bestimmte Hörsachen nicht ausreichenden Sachverstand - , dass Vieles oder gar das Meiste oder sogar Alles, was da so zu hören ist, von einem selber nicht, aber auch überhaupt gar nicht verstanden wird, und Zweifel (Selbstzweifel) kommen bedrohlich auf...

Und selbst nach Intensivlektüre jener aufschlussreichen Beiträge in dem von Katharina Winkler redaktionell betreuten Programmheft bleibt ein anhaltender Ohnmachts-Status des mit Hilf- und Lustlosigkeit heillos-lau geschlag'nen Rezipienten nachhaltiger Weise betoniert = nein, nein; mich hat das Stück, von der Musik her, nullhaftig erreicht.

Ganz anders allerdings erging es mir mit Dem, was ich an diesem (dennoch) kurzweiligen Abend sehen konnte oder durfte:

Inszeniererin Beate Baron holte sich - zur szenischen Verdeutlichung und/oder Kommentierung jenes 'Still-Lebens in einem Akt' - die Schauspielerin Friederike Frerichs und den Schauspieler Hans Hirschmüller hinzu. Die Beiden spielen, wie es scheint, das Elternpaar eines entweder (nicht nur geistig) ganz und gar zurückgebliebenen bzw. hochgefährlich-überintellektuellen und daher unter weißklinischem Verschluss steckenden Kindes - es könnte ein Sohn bzw. eine Tochter sein; egal - , das sie, scheinbar, besuchen. Selbstverständlich fällt zwischen den drei Betroffenen kein Wort; es ist nicht neu, dass Eltern/Kinder sich mitnichten was zu sagen hätten...

Putzig war dann schon, wie Frerichs/Hirschmüller - allein ihr großer Auftritt in der großen Doppel-Robe (wie als wären sie gerade aus der MET herabgetreppt) entpuppte sich als theatralisch und grandios in Einem und an sich - vor einem leeren Bilderrahmen (wie als würden sie noch kurz ins MoMa hochgetreppt gewesen sein) verweilten und der Gatte seine Gattin von der Seite so betrachten tat à la "was guckt sich meine Alte diesen Scheiß da an, ich kann mit dieser Scheiße so und so nichts anfangen, ich will hier endlich wieder raus".

Rowan Hellier sang linear und ausdauernd, und Gregor Fuhrmann (Cello) / Jenny Kim (Klavier) "begleiteten" sie auf den Instrumenten.




Hans Hirschmüller als Mann und Friederike Frerichs als Frau in Vanitas in der Werkstatt im Schiller Theater - Foto (C) Thomas Bartilla


Andre Sokolowski - 20. März 2013
ID 6630
VANITAS (Werkstatt im Schiller Theater)
Inszenierung: Beate Baron
Stimme: Rowan Hellier
Violoncello: Gregor Fuhrmann
Klavier: Jenny Kim
Frau: Friederike Frerichs
Mann: Hans Hirschmüller
Premiere war am 15. März 2013
Weitere Termine: 21., 26., 28. 3. / 2., 3. 4. 2013


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de



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