DIE TEUFEL VON LOUDUN
von Krzysztof Penderecki
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Tragödie in Purpurrot
Knapp 105 Minuten Dauer, beste Spielfilmlänge also, spannend von der ersten bis zur letzten Minute, menschliche Dramen und große Politik werden gleichermaßen verhandelt: Die Rede ist nicht von einer Aufsehen erregenden Fernsehproduktion, sondern von dem Opernabend Die Teufel von Loudun an der Staatsoper Hannover. Pendereckis Oper bezieht sich auf eine historische Gegebenheit: den Prozess gegen den französischen Pfarrer Urban Grandier im Jahr 1634, der wegen Hexerei verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Grandier war von den Nonnen des Klosters der Ursulinen in Loudun beschuldigt worden, sie verhext zu haben. Dass die Anschuldigungen auf einen fruchtbaren Boden fielen, lag vermutlich auch daran, dass sich Grandier zuvor mit Kardinal Richelieu einen der mächtigsten Männer Frankreichs zum Feind gemacht hatte.
Die Schuldfrage in dieser Angelegenheit ist schwierig zu klären und diesen Aspekt schreibt die Inszenierung von Balázs Kovalik fort. Es bleibt alles in der Schwebe. Geschickt wird eine Schwarzweiß-Zuweisung vermieden. Grandier unterhält sexuelle Beziehungen zu Frauen und die Nonnen sind attraktive junge Frauen, die von Beginn an erotisiert wirken. Nur die Priorin Jeanne verzweifelt über ihrer eigenen Gefühlswelt und vermeintliche Besessenheit von Grandier. Kovalik betont den Aspekt der Sexualität, indem er von Zeit zu Zeit einen Kasten auf die Bühne schieben lässt, in dem Statisten kirchlich-historische Bilder nachstellen, leicht verschoben allerdings, nicht ganz 1:1, sondern mehr als Bildzitate aus der Welt der Malerei. Dieser Inszenierungsgriff eröffnet einen interessanten Blick auf das Verhältnis von Kirche, Gewalt, Sexualität, die Darstellung von Nacktheit etc. In einem der Bilder sind beispielsweise verschiedene Frauendarstellungen im Kontext von Jesus Christus zu sehen: die Jungfrau Maria, Maria Magdalena, alle hochschwanger. Diese lebenden Bilder haben so gar nichts Friedliches, sondern wirken bedrohlich, zugleich aber wird hier Erotik bzw. Sexualität im Kontext mit Religion und Glauben explizit dargestellt; und so steigen in einer Szene die jungen Nonne auch in eines dieser Bild hinein, geben sich ihm quasi hin. Als einzige Figur auf der Bühne baut die Priorin eine Beziehung zu diesem Kasten auf, nimmt ihn wahr, bespielt ihn. Sind diese Werke, die dort gezeigt werden und die im wahrsten Sinne des Wortes ein Eigenleben entwickeln, der Ausgangspunkt für ihre Phantasien? Möglich wäre es.
Deutlich wird Kovaliks Inszenierung in zwei Szenen: Wenn den Nonnen ihre Besessenheit vom Teufel ausgetrieben werden soll, also Exorzismus betrieben wird, und wenn Grandier gefoltert wird. Und klar ist, das Ganze hat bei aller Offenheit der Schuldfrage dennoch brutale Konsequenzen: Die Priorin bleibt geistesverwirrt zurück, Grandier wird hingerichtet und De Cerisay, Stadtrichter von Loudun, begeht Selbstmord.
Die Bühne zu dieser Hexenjagd hat Florian Parbs kongenial gestaltet: rechts eine Flucht aus meterhohen Gerüsten, in der Mitte eine verschiebbare Rampe, auf der Stühle platziert sind. Sie steigt nach hinten an und bietet genug Platz für den Chor. Vor dieser Rampe ein freier Raum für angedeutete Gottesdienste oder den einen oder anderen Menschenablauf. Die Obrigkeit nähert sich dem Schauplatz von oben, über die Gerüste, die auch eine ideale Beobachtungsposition bieten.
Pendereckis Werk zeigt in enormer szenischer Konzentration und dichter Abfolge der Ereignisse, wie sich eine Hetzjagd entwickelt, das Leben in einer Stadt durch die Anschuldigungen und das Einschreiten der Obrigkeit aus den Fugen gerät. Musikalisch ist das alles sehr verdichtet, in atemberaubender Abfolge von solistischen und chorischen Passagen. Stefan Klingele führt sein Orchester souverän zu einer konzentrierten Leistung. Sehr gut disponiert zeigt sich der Chor, immer auf den Punkt genau und sehr gut in der Gestaltung vor allem der Pianissimo-Passagen. Lobend hervorzuheben sind auch die Solisten, nicht nur stimmlich, sondern vor allem in dem, was sie szenisch leisten. Der Abend steht und fällt auch mit der darstellerischen Leistung von Brian Davis in der Rolle des Pater Grandier und von Khatuna Mikaberidze als Priorin des Klosters, der es zwar etwas an Textverständlichkeit mangelt, die dies aber durch ein intensives Spiel vergessen macht. Ihnen stehen die anderen kaum nach und so beinhaltet Kovaliks/Klingeles Sichtweise von Krzysztof Pendereckis Die Teufel von Loudun alles, was eine gute Aufführung ausmacht. Man fragt sich nur, warum diese Oper so selten gespielt wird.
Karoline Bendig - 16. Mai 2012 ID 5954
DIE TEUFEL VON LOUDUN (Staatsoper Hannover, 04.05.2012)
Musikalische Leitung: Stefan Klingele
Inszenierung: Balázs Kovalik
Bühne: Florian Parbs
Kostüme: Angelika Höckner
Choreinstudierung: Dan Ratiu
Dramaturgie: Katja Leclerc
Besetzung:
Jeanne, Priorin ... Khatuna Mikaberidze
Claire ... Neele Kramer
Gabrielle ... Ania Vegry
Louise ... Julie-Marie Sundal
Philippe, ein junges Mädchen ... Ina Yoshikawa
Ninon, eine junge Witwe ... Mareike Morr
Grandier, Pfarrer von St. Peter ... Brian Davis
Vater Barré, Vikar von Chinon ... Tobias Schabel
Baron de Laubardemont ... John Pickering
Vater Rangier ... Albert Pesendorfer
Vater Mignon ... Edward Mout
Adam, Apotheker ... Ivan Turšić
Mannoury, Chirurg ... Michael Chacewicz
D'Armagnac, Bürgermeister ... Roland Wagenführer
De Cerisay, Stadtrichter ... Frank Schneiders
Prinz Henri de Condé ... Christopher Tonkin
Vater Ambrose ... Peter Michailov
Bontemps, Kerkermeister ... Daniel Eggert
Chor der Staatsoper Hannover
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Premiere war am 24. März 2012
Siehe auch:
http://www.staatsoperhannover.de
E-Mail an die Rezensentin Karoline Bendig
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