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Premierenkritik

9. März 2014 - Staatsoper im Schiller Theater

REIN GOLD

von Elfriede Jelinek


Elfriede Jelineks Rein Gold im (C) Rowohlt Verlag


"Eigentum ist Diebstahl."

Fürs 2013er Wagnerjahr erbat die Bayerische Staatsoper von der Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek einen es schmückenden, bereichernden und adäquaten Text. Die Stardichterin ließ sich also hierzu von der Institution "anregen" und titelte ihn Rein Gold. Ein Bühnenessay. Als Urlesung richtete ihn Nicolas Stemann (einer der von Jelinek für die Umsetzung ihres dramatischen Werks bevorzugten Regisseure) im Prinzregententheater ein; diese Aufsehen erregende Performance fand nur einmal statt, und zwar am 1. Juli 2012; danach erst ging die neue Jelinek-Prosa in den Verlagsdruck...

* * *

Nunmehr hätte man sehr gern gewusst, wie es zu der vermessen-törichten Idee gekommen war, das vor zwei Jahren szenisch bereits anprobierte Jelinek'sche Rein Gold nicht nur nochmals auf die szenisch-spielerische Machbarkeit hin abzuklopfen, sondern es (zusätzlich) als großehrgeiziges "Musiktheater von Nicolas Stemann, Markus Poschner, Benjamin von Blomberg, Thomas Kürstner, Sebastian Vogel und David Robert Coleman unter Verwendung der Musik aus Richard Wagners Ring des Nibelungen" an der Staatsoper im Schiller Theater hinzuzuerfinden und zu produzieren? Dass der Kraftakt jetzt - für lediglich drei März-Aufführungen in diesem Jahr bestimmt - nicht mehr ganz jubilarskonform ist, unterstreicht selbstredend ein gewisses hausinternes Jubiläums-Unabhängigsein; ein zwingend-nachvollziehbares Motiv für all die Mühen liefert es hingegen, und "in Anbetracht" all des Gehörten und Gesehenen, mitnichten:

222 Seiten Text misst die von den o.g. Beteiligten (also denjenigen der angestellten Liste mit den kreativen, geistigen Verursachern dieser walhalligen "Ergänzungen") zur Hand genomm'ne Prosa der Elfriede Jelinek! Als Ganzes freilich unaufführbar!! [Einschränkung: Der Schleef hätte womöglich, würde er noch leben, diese Prosa ungekürzt verhandelt; aber Schleef war halt dann auch ein ähnlich ernst zu nehmendes Kaliber wie die Jelinek - die Beiden taten sich ja ihrerzeit aufs Göttlichste am Sportstück abarbeiten und gewiss auch auf das Königlichste amüsieren.]

Macherische Konsequenz muss freilich [für die Hinterbliebenen nach Schleef] sein, dass nun aus dem O-Text ein verhandelbarer Bruchteil rausgebrochen wird - ich schätze mal, dass es sich hier um einen Prozentsatz zwischen 5 und 10 gehandelt haben könnte. Vieles wird dann auch - quasi zum Einprägen oder zum Auf-uns-Eindreschen - von Philipp Hauß und Katharina Lorenz und Sebastian Rudolph (die als spielende SprecherInnen engagiert waren) gebetsmühlenhaft wiederholt.

Das Rein Gold ist nicht mehr und auch nicht weniger als der (geniale) Einfall und Versuch der Jelinek, die zwei ProtagonistInnen Brünnhilde/Wotan mittels unendlich ausufernder und von der "eigentlichen Handlung" mehr und mehr abweichender Tochter-und-Vater-Dialoge (mehrere Repliken von à 50 Seiten Fließtext) miteinander monologisieren zu lassen. Das erfolgt dann durch gigantophile Sprechblasen, wie wir sie von der Jelinek erwarten und ersehnen; ich [der ich mich als ein wahrer Fan von ihrer Schreibe sehe und begreife] ganz zuvörderst und mit leserischer Lust an ihren sprachlichen Details.

Als für Jelinek-Außenstehende oder für Projekt-Unbeteiligte einiger Maßen mitgehbarer Grundplot tat sich gleich von Anfang an (fast wie im O-Text) rauskristallisieren, dass der Papa halt ein neues Eigenheim für sich, die Tochter und für beider Mama bauen ließ, doch die Erbauer dieses neuen Eigenheims (die beiden Riesen) nicht bezahlte oder nicht bezahlen wollte à la "den Verträgen bin ich nun Knecht" ganz frei nach Richard Wagner.

Übrigens - das fand ich prickelnd - hatte der projektführende Dramaturg der Riesen-Chose, Benjamin von Blomberg, ein paar E-Mails, die er mit der Jelinek stückvorbereitend austauschte, im Programmheft abgedruckt. Dieses Zitat hier, beispielsweise, ist ein Brüller für sich; nach ihrem Verhältnis zu Wagners Musik befragt, rückmailte die Jelinek: "Ein leidenschaftliches. Ich höre einmal bewußt nicht analytisch (was man unwillkürlich ja tut, wenn man selber lange Musik gemacht hat), sondern ich schmeiße mich hinein wie ein Schwein in die Suhle. Lustvoll."

Höchstwahrscheinlich hätte sie am solitären Sound der in Großstärke aufgebotenen Staatskapelle Berlin, die das Projekt rein musikalisch veredelte, eine hörerische Freude gehabt. Das Orchester spielte unter der Leitung von Markus Poschner; und es gab halt Ausschnitte als auch Verzerrungen, Verwandlungen aus Wagners Ring zu hören - das Alles machte wiederum ca. die Hälfte des fast 3stündigen pausenlosen Abends aus.

Elfriede Jelinek beschäftigte sich selbstverständlich nicht allein mit diesem ganzen interfamiliären Kram und dieser ganzen "Zauberscheiße" der Tetralogie - sie zog zudem das Marx'sche Kapital zurate, um das Grund-Bescheißerische, worum's auch in Wagners Ring geht, zu versachlichen. Die knapp vor einem Jahr von Staatstheater Stuttgart und DT Berlin versuchte Klärung des Verunterscheidungsmerkmales "Geld oder Liebe" in Andreas Veiels Himbeerreich vermochte da womöglich etwas sinngebender und v.a. sinnlicher den Finger auf die Wunde abgelegt zu haben; doch auch dort liefen all die erklärerischen Halbversuche irgendwie ins Leere. Marxens Kapital "verstehen" scheinbar wirklich nur die allerraffgierigsten Erzbescheißer; und man sollte also, um sich geldvermehrerischen Rat zu holen, bestenfalls und auf direktem Wege bei den Bankern anklingeln - - meint, sinngemäß, sicher auch Jelinek.

"Meine Methode ist ja, das Hohe ins Niedrige runterzuziehen." (Quelle: Programmheft)

Was mir bereits bei der Lektüre Rein Golds nebulös und also "unklar" blieb, sind die Hinzuflechtung der NSU-Thematik (= Zwickauer Terrorzelle, deren Wohnmobil die Bühnen-Ausstattung von Katrin Nottrodt kurz vor Stückschluss optisch werden lässt) oder das Aufgetretensein des Rosaroten Panthers (aus dem gleichnamigen Film); das waren dann die beiden Stellen, denen mein bemühter Geist nicht weiter folgen konnte.

Die doch hoffentlich bald auch mal "richtig" an der Staatsoper im Schiller Theater zu erlebende Rebecca Teem sang Brünnhilde-Passagen. Hochgrandios! / Bariton Jürgen Linn probte das Eine und Andere vom Wotan. / Narine Yeghiyan, Katharina Kammerloher und Annika Schlicht zwitscherten die drei Rheintöchter, und auch die Nornen (aus der Götterdämmerung).

Die Fluktuation hielt sich in Grenzen. Der Premierenbeifall war mehr als anständig. Die künstlerische Gesamtwirkung des Projektes muss - schon wegen des verführend-ablenkenden Spiels der Staatskapelle - schiefgeseitet sein.

Jelineks Prosa - bitte still und einsam (nur für sich) LESEN!!




Elfriede Jelineks Rein Gold an der Staatsoper im Schiller Theater - Foto (C) Arno Declair



Bewertung:    

Andre Sokolowski - 10. März 2014
ID 7661
REIN GOLD (Staatsoper im Schiller Theater, 09.03.2014)
Musikalische Leitung: Markus Poschner
Inszenierung: Nicolas Stemann
Dramaturgie: Benjamin von Blomberg
Bühnenbild: Katrin Nottrodt
Kostüme: Marysol del Castillo
Licht: Olaf Freese
Video: Claudia Lehmann
Arrangements/Klavier: David Robert Coleman
Komposition für Elektronik/modularen Synthesizer: Thomas Kürstner und Sebastian Vogel
SchauspielerInnen: Philipp Hauß, Katharina Lorenz und Sebastian Rudolph
SängerInnen:
Brünnhilde ... Rebecca Teem
Wotan ... Jürgen Linn
Woglinde ... Narine Yeghiyan
Wellgunde ... Katharina Kammerloher
Flosshilde ... Annika Schlicht
Urlesung war am 1. Juli 2012 im Prinzregententheater, München
UA der neuen musikalischen Fassung: 9. März 2014 im Schiller Theater, Berlin
Weitere Termine: 12. + 15. 3. 2014

Rein Gold von Elfriede Jelinek erschien im Rowohlt Verlag


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


Rezensierte Werke von Elfriede Jelinek auf KULTURA-EXTRA:

Schatten (Eurydike sagt)
(12. Juni 2013 / Burgtheater Wien)

FaustIn and out
(10. Juni 2012 / Schauspielhaus Zürich)

Kein Licht
(12. Oktober 2011 / Schauspiel Köln)

Winterreise
(20. Juni 2011 / Münchner Kammerspiele)

Das Werk / Im Bus / Ein Sturz
(7. November 2010, Schauspiel Köln)

Die Kontrakte des Kaufmanns
(4. Juni 2009, Schauspiel Köln)

Rechnitz (Der Würgeengel)
(21. Mai 2009, Münchnert Kammerspiele)

Neid, Privatroman

Über Tiere
(13. Oktober 2007, Deutsches Theater Berlin)

Der Tod und das Mädchen: Prinzessinnendramen I-III
(20. April 2007, Grillo Theater Essen)

Jackie: Prinzessinnendramen / Der Tod und das Mädchen IV
(15. Oktober 2006, Theatre du Rond-Point Paris)

Prinzessinnendramen
(22. Juli 2006, Theaterkapelle Berlin)





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