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Rezension


Christian Gerhaher sang Lieder von Heinz Holliger und Robert Schumann



Das ist Christian Gerhaher - Fotoquelle: http://www.koelner-philharmonie.de



Christian Gerhaher - den wir zuletzt im Berliner RSB-Tannhäuser als durch ihn signifikant herausmanifestierten Wolfram lyrisch nachvollziehen und erleben konnten - bot nun gestern Abend in der Kölner Philharmonie einen fulminanten Liederabend; er sowie sein ständiger Klavierbegleiter Gerold Huber hatten ein Programm mit zweimal zwei Werkzyklen von Heinz Holliger und Robert Schumann konzipiert...

Im von Sebastian Loelgen hochvorzüglich zusammengestellten Begleitheft wird der (Mit-)Leser - nicht nur aller vertonten Liedtexte - sogleich mit einer Art von "Klammer", die den Liederabend sozusagen aneinanderhielt, vertraut gemacht; es handelte sich nämlich beinah ausschließlich um Wortgut von an geistigen Umnachtungen Dahingeblichenen: Trakl und Lenau. Dass auch Schumann dahingehend auf das Jämmerlichste "unterging", rundete das Konzept freilich noch weiter ab.

"Bei meinem Elis, drei Nachtstücke, ist die Beziehung zu Schumann natürlich durch den Titel gegeben, aber bei Schumann ist mit 'Nacht' wirklich das Eindunkeln der Seele und der Psyche gemeint, so dass keine Farben mehr eindringen; es ist eine unglaublich düstere Welt, Schumann hat seine 'Nachtstücke' op. 23 ja zuerst 'Leichenphantasien' genannt. Bei mir jedoch dominiert der Aspekt der Mondnacht, also eigentlich die romantische Vorstellung des Traumes und der Dunkelheit, die einfach einhüllt, etwas Schönes verhüllt. Die Mottotexte von Trakl stehen für eine viel farbigere Welt, als ich sie mir eben bei Schumann vorstelle."
(Heinz Holliger über seinen Elis / Quelle: Originalbeitrag von Egbert Hiller, Programmheft Die Kunst des Liedes 5, KölnMusik GmbH)

In Holligers nach der Pause aufgeführtem Lunea-Zyklus bilden 23 Lenau-Sätze jenes geistig-wortwörtliche Rüstzeug, das den Komponisten zur Vertonung animieren sollte. Wir erfahren (wieder per Programmheft), dass der Lenau unglücklicher als wie einseitiger Weise in die Frau seines besten Freundes verliebt gewesen sein musste; um jene und sich selbst vor dieser einseitigen Liebe zu "schützen", schrieb er seine an die Angebetete gerichteten Briefe jeweils zweifach; die erste (ungefährlich-abgeschwächte) Variante schickte er ihr mit der Post, die zweite (sehnsuchtsaufdeckende) formulierte er allein für sich - auf sogenannten Zetteln, welche wiederum, nach seinem Tod, publik geworden waren.

Gerhaher & Huber scheinen einen weithin einsam-einmaligen Aufeinanderabgestimmtheitsgrad erreicht zu haben, der den Liedern - insbesondere was diesen merkwürdigen Dunstkreis der romantischen Melancholie betrifft - am ehesten entspricht oder zugute kommt.

Frenetische Begeisterung.


a. so. - 22. April 2013
ID 6691
DIE KUNST DES LIEDES 5 (Kölner Philharmonie, 21.04.2013)
Heinz Holliger: Elis (1961, rev. 1966);
Drei Nachtstücke für Klavier
Robert Schumann: Zwölf Gedichte von Justinus Kerner op. 35 (1840) für Singstimme und Klavier
Holliger: Lunea, 23 Sätze von Nikolaus Lenau (2013) für Singstimme und Klavier
Schumann: Sechs Gedichte von N. Lenau und Requiem op. 90 (1850) für Singstimme und Klavier
Christian Gerhaher, Bariton
Gerold Huber, Klavier


Weitere Infos siehe auch: http://www.koelner-philharmonie.de


http://www.gerhaher.de



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