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Daniel Barenboim erweckt mit den Berliner Philharmonikern, dem Rundfunkchor Berlin und 3 Gesangsolisten Edward Elgars Oratorium The Dream of Gerontius aus dem Dornröschenschlaf





"Beten, Träumen, Sterben: Eine Seele entschläft der irdischen Hülle und erwacht in der geistigen Welt. Dort führt ein Engel sie an Dämonen vorbei bis vor den Thron Gottes. Die Fürsprache des Todesengels lässt den Richtspruch milde ausfallen, das Fegefeuer wird dieser Seele nichts anhaben können. Hundert Minuten Musik für eine Handlung außerhalb von Zeit und Raum - im Finale wähnt man sich schon weit, doch dann wehen noch einmal aus dem Haus des Verstorbenen die Gebete der Hinterbliebenen in die Himmelsmusik hinein." - So unübertreffbar beschreibt Olaf Wilhelmer (in seinem als eine sonderbare Erquickung getitelten Programmeinführungstext) Elgars groß angelegtes Seelenwanderungenstück.

Gemutmaßt wurde/wird auch über Dies und Das, weswegen eigentlich dieser Gerontius so nicht und nie in das kontinentale Repertoire geraten war und ist; das lag und liegt nicht etwa an gewissen antibritischen Resentiments, mitnichten, nein - - allein wenn sich der Leser (nur der Leser, wohl genmerkt) die grauenhaften Verszeilen des Kardinals John Henry Newman (1808-1890), die dem anderthalbstündigen Elgar-Oratorium zugrunde lagen, nachträglicher Weise zugemüte führt, wird schnell und deutlich klar: Solch ein geseeltes oder durchgeseelt(-katholisches) Gesülze tut dann schon ein Heldenmaß an (leserischer) Überwindung abverlangen, um letztendlich überhaupt noch "bei der Stange", sozusagen aufrecht - und im ausschließlichen Sinne dieser so erstaunlich aufgeblasnen Elgar'schen Musik - gehalten zu bleiben; eine halbe Stunde Agonie im Diesseitigen zuzüglich 60 Minuten ausufernder jenseitiger Seelen-Quark: das nervte schon!! Aber - und wie schon angedeutet - die Musik von Elgar lohnte diese wohl vorübergehend-schöne Auferweckungstat!

Und Daniel Barenboim, der der Berliner Zeitung eine ganze Seite Rede/Antwort zum Gerontius, ja und weswegen er den jetzt mit den Berliner Philharmonikern reanimierte, gab, wusste dann auch nicht eineindeutig zu beschreiben, was der eigentliche Hauptanstoß für diese zweifelsohne großambitionierte Aufführung gewesen war - was überhaupt nichts zu der überwältigenden Qualität, die nach diesen drei Abenden zu registrieren war, zu meinen schien:

Der Rundfunkchor Berlin (Choreinstudierung: Simon Halsey) brachte Engel, Seelen, aber auch die abtrünnigen "teuflisch" Seelenlosen süß und mächtig zu Gehör.

Ian Storey hatte mit seiner Hauptpartie (Gerontius) zu kämpfen und zu hadern - meistens kam er aber ganz erfolgreich gegen das Orchester an. Altistin Anna Larsson spielte sich als Engel über jede Dimensionen hörbar auf. Und Kwangchoul Youn donnerte alle zwei KollegInnen von sich glattredend an die Wand.

Vieles klingt irgendwie schon mal gehört; Elgar hätte aus seiner Leidenschaft zu Wagners Parsifal (z. B.) keinen großen Hehl gemacht. [Beim Parsifal stimmt wenigstens dann "tröstlich", dass sein Schöpfer auch dem unergründlich Bösen oder Dunklen, Klingsor oder Kundry, eine aufmunternde Stimme im Gesamt-Gesülze gab.] Beim Elgar'schen Gerontius leuchtet hingegen dieses unergründlich Böse oder Dunkle leider nur sekündlich auf.

Das Idealste wäre jetzt, wenn der Konzertmitschnitt der insgesamten Rarität als CD freigegeben würde - gut für so Archive; und obgleich ich mir den zähen Schinken sicherlich nicht noch mal antun würde.

Andre Sokolowski - 14. Januar 2012
ID 00000005684
BERLINER PHILHARMONIKER (Philharmonie, 14.01.2012)
Edward Elgar: The Dream of Gerontius, Oratorium op. 38
Anna Larsson, Mezzosopran
Ian Storey, Tenor
Kwangchoul Youn, Bass
Rundfunkchor Berlin
(Choreinstudierung: Simon Halsey)
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Daniel Barenboim



Siehe auch:
http://www.berliner-philharmoniker.de


http://www.andre-sokolowski.de



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