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Konzertkritik

Vergangenheit und Zukunft

Konzert des Symphonieorchesters der UdK Berlin

Bewertung:    



This Midnight Hour der britischen Komponistin Anna Clyne ist ein einsätziges Werk für großes Orchester aus dem Jahr 2015. Die amerikanische Komponistin Jennifer Higdon ist mit The Blue Cathedral aus dem Jahr 2000 ebenso mit einem einsätzigen sinfonischen Werk vertreten. Und nach der Pause: Moderne trifft Vergangenheit - Anton Bruckners Romantische, seine große Sinfonie Nr. 4 Es-Dur, die 1881 uraufgeführt wurde, spannt einen historisch-sinfonischen Rahmen.

Welch schönes Programm, was mich an Albert Einsteins Zitat: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ denken lässt. Schöner kann man nicht sagen, dass wir bei der Beschäftigung und dem Studium der Vergangenheit das Heute und die Zukunft in den Fokus nehmen sollen. Gerade im klassischen Konzertbetrieb in der westlichen Welt eine wichtige These.

Vergangenheit und Zukunft, dazu passte das Setting: Zirka 70 Musikerinnen und Musiker des Symphonieorchesters der Universität der Künste Berlin werden von dem erfahrenen Dirigenten Mario Venzago durch das Programm geführt. Venzago agiert äußerst präzise. Die alle hochgespannt auf der Stuhlkante sitzenden jungen Leute folgen ihm in jeder Phrasierung. Clynes Stück liegt ein auf Minimal Music weisender Bass zugrunde. Anitfragil schimmern ihre musikalischen Motive in einem Teppich aus Klangwellen unterschiedlicher Intensitäten. Aber auch vor der Vergangenheit schreckt die Komponistin nicht zurück: das Stück endet mit einer gefühlvoll-romantischen Aktion, jazzig agieren Trompen und der ganze Blechbläserapparat; wundervoll! Schade, dass es nach 15 Minuten schon zu Ende ist.

Higdon bewegt sich mit The Blue Cathedral im Spektrum Aron Coplands. Fast klassisch die Melodieführung, Leitmotive geben dem Stück Halt und Richtung. Der kompositorische Ansatz versteht das Musizieren als praxisorientiertes Handwerk, ob man das als neoromantisch beschreiben soll, bleibt jedem selbst überlassen. Das Werke ist rhythmisch anspruchsvoll, es zeigen sich immer wieder experimentelle, avantgardistische Akzente, welche in eine traditionelle Struktur und Klangwelt eingebunden sind. Kurzum: eine andere Art der Differenzierung von Vergangenheit und Zukunft als das erste Stück von Clyne.

Die 4. Sinfonie von Anton Bruckner beginnt mit den typischen Hörnern, ein romantisches Urgefühl wird angeteasert. Im ersten Satz der Sinfonie steht nach Bruckner die Natur im Vordergrund. Im zweite Satz treibt ein Verliebter von Tür zu Tür, wird jedoch nie eingelassen werde. Im Scherzo wird eine Jagd geschildert, und im Finale wird ein Volksfest gefeiert. So weit, so narrativ. Sicher ist, dass man als Zuhörer mit konkreten (romantischen) Bildern konfrontiert wird. Mario Venzago & Orchester schlagen sich wacker durch die sich auftürmenden Tuttis. Präzise arbeiten sie die Strukturen heraus, und in dieser Art Abstraktion lässt sich durchaus auch Zukunft sehen. Ein inspirierender Abend, den man nicht so oft im Großen Saal der Philharmonie erleben kann.



Das Symphonieorchester der UdK Berlin unter Mario Venzago - in der Philharmonie Berlin am 22. November 2024 | Foto (C) UdK Berlin/ Lene Münch

Steffen Kühn - 23. November 2024
ID 15024
SYMPHONIEORCHESTER DER UNIVERSITÄT DER KÜNSTE BERLIN (Philharmonie Berlin, 22.11.2024)
Anna Clyne: This Midnight Hour
Jennifer Higdon: The Blue Cathedral
Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 4 Es‐Dur Romantische
Symphonieorchester der UdK Berlin
Dirigent: Mario Venzago


https://www.udk-berlin.de


Post an Steffen Kühn

http://www.hofklang.de

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