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RUHRTRIENNALE 2023

Feierliche Momente, von Stimmintensität getragen



Anna Calvi auf der RUHRTRIENNALE 2023 | Foto © Sabrina Richmann

Bewertung:    



Bewaffnet mit ihrer treuen Telecaster-Gitarre, die sie seit Jahren begleitet, zeigte die Britin Anna Calvi auf der RUHRTRIENNALE im Duisburger Landschaftspark Nord letzten Freitag eine ganze Bandbreite ihres Talents. Bereits die Vorgruppe, ein Trio um Mina Richmann, sorgte für Stimmung auf dem außergewöhnlichen Vorführungsort, der Gießhalle eines stillgelegten Hüttenwerks.

Die ersten Gitarrentöne, mit denen Calvi ihr Konzert gegen 21 Uhr eröffnete, pendelten sich kreischend, auseinander liegend und zunächst zurückhaltend ein. Sie bereiteten im Crescendo elektrische und vokale Explosionen vor. Die englische Singer-Songwriterin spielte ein Set, das ihre virtuosen Gitarrenfähigkeiten, ihren beeindruckenden Stimmumfang und ihre unbeirrbar wütende Energie offenbarte.

Mit beschwörenden Gesten wie weit ausgebreiteten Armen begrüßte Calvi ihr Publikum. In Anbetracht der reichhaltigen orchestralen Texturen, die auf ihren drei Studioalben zu finden sind, war das Setup erstaunlich reduziert. Multiinstrumentalistin Mally Harpaz setzte an einer Orgel, dem Synthesizer, an Gitarren und anderen Instrumenten Akzente. Schlagzeuger Alex Thomas ergänzte Feinheiten der Studioarrangements an den Drums, steuerte ein minimales elektronisches Setup bei und besorgte Backing Vocals.

Während der etwa 80-minütigen Performance konzentrierte sich das Trio um die charismatische Künstlerin ganz auf Calvis berauschenden Klanglandschaften. Die Bühnenbeleuchtung auf dem ehemaligen Stahlwerkgelände setzte auf dramatische wechselhafte Lichtverhältnisse. Über ihre verzerrte Gitarre gebeugt, auf den Knien für brüllende Soloparts, gelang es Anna Calvi meisterhaft, das Publikum zu elektrisieren. Die theatralischen, fast lyrischen Stimmausbrüche beeindruckten durch Emphase, während ihrer intensiven Songs wie „The Devil“ oder „Don't Beat the Girl Out of My Boy“.

Einige der bewegendsten Songs handeln von den Gefühlen, die einen in dem Moment überfallen, in dem man sich entblößt und der Welt öffnet. Diese beängstigenden und erschreckenden Momente nimmt die Songwriterin in ihren Lyrics gleichzeitig auch als aufregend und hoffnungsvoll wahr. Calvis sparsam atmosphärische Musik stellt sich stets in den Dienst der Ausdruckskraft ihrer ätherischen, kraftvollen und beschwörend tiefen Stimme. Die Londonerin kombiniert dabei rockige Rhythmen mit orchestralen Klängen und wechselhaft erstarkendem Gesang.

Anna Calvi hat zwar seit etwa fünf Jahren kein neues Studioalbum mehr veröffentlicht. Für die Alben Anna Calvi (2011), One Breath (2013) und Hunter (2018) wurde sie jedoch stets für den renommierten Mercury Prize nominiert. Die heute 42-Jährige lebt mit einer Frau zusammen und zog sich nach der Geburt ihres Sohnes vor drei Jahren etwas aus dem Showbiz zurück. Viele ihrer feministischen Songs, die auf der Ruhrtriennale dargeboten wurden, handeln auch von lesbischen Begehren, wie etwa „Eliza“, „Desire“, „I’ll be your man“ oder „Suzanne and I“.

*

Nach dem ausgedehnten Outro spielte Calvi (ähnlich wie 2019 im Kölner Gloria) keine Zugabe, obwohl das Publikum noch lange ausdauernden Beifall spendete und sichtlich begeistert war. Solcherart unkonventionelle Performances würde man oder frau sich mehr auf dem renommierten internationalen Festival der Künste in der Metropole Ruhr wünschen.



Anna Calvi mit ihrer Band auf der RUHRTRIENNALE 2023 | Foto © Sabrina Richmann

Ansgar Skoda - 27. August 2023
ID 14354
Weitere Infos siehe auch: https://www.ruhrtriennale.de


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