Der Narr und 
  der Betrüger
VALUSCHKA von Peter Eötvös  am Theater Regensburg
 
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 László Krasznahorkai, nach dem frühen Tod von Péter Esterházy der wohl bedeutendste und originellste ungarische Gegenwartsautor neben Péter Nádas, hat einen Roman Melancholie des Widerstands geschrieben, den der nicht minder bedeutende Regisseur Béla Tarr unter dem Titel Die Werckmeisterschen Harmonien verfilmt hat, und den die Berliner Schaubühne mit Ernst Stötzner, Jule Böwe und Bettina Stucky in der Regie von David Marton, eher missglückt, auf die Bühne gebracht hat. 
 
 Jetzt hat der ebenfalls bedeutende ungarische und international vernetzte Dirigent und Komponist Péter Eötvös daraus unter dem Titel Valuska, in deutscher Transkription Valuschka, eine Oper gemacht, eine „Tragikomödie mir Musik“, die im vergangenen Jahr in Budapest uraufgeführt wurde und vor kurzem, nur zwei Monate danach, in Regensburg die Erstaufführung ihrer vom Komponisten eigens bearbeiteten und erheblich differierenden deutschen Version (das Theater spricht mit gewissem Recht von einer Uraufführung) erlebt hat. 
 
 Valuschka ist der Name eines Zeitungszustellers. Seine Geschichte erinnert in ihrer grotesken Fantastik ein wenig an die osteuropäische Variante des „absurden Theaters“, an Mrożek, Różewicz oder Havel, auch an den Landsmann von Eötvös Béla Pintér. Den Hintergrund liefert ein skurriler Zirkus mit einem Riesenwalfisch als Attraktion.
 
 Die Musik von Péter Eötvös bevorzugt Perkussionsinstrumente und Bläser. Gelegentlich nähert sie sich der Tonmalerei, etwa wenn sie einen sich verlangsamenden Zug illustriert. Im Zusammenhang mit dem Professor zitiert sie en passant Barockmusik. János Valuschka beschwört unbegleitet eine Sonnenfinsternis und die gleichzeitige Stille. 
 
 Der Regisseur Sebastian Ritschel hat eine exemplarische Karriere abseits der großen Häuser, also auch abseits der überregionalen Berichterstattung, absolviert. Mit 26 Jahren begann er als Hausregisseur und Dramaturg in Görlitz (ich habe dort eine bemerkenswerte Veroperung von Brigitte Reimanns Franziska Linkerhand gesehen), wo er zehn Jahre lang blieb. Nach einer Zwischenstation an den Landesbühnen Sachsen avancierte er 2022 zum Intendanten des 5-Sparten-Hauses in Regensburg, das sich auf dem Weg zum bayerischen Staatstheater befindet (eine auch materielle Ermutigung zu Uraufführungen).
 
 Benedikt Eder in der Titelrolle des Valuschka besticht, wie das ganze Ensemble, nicht nur durch ein gesangliches Niveau, das jeder namhaften Bühne zur Ehre gereichte, sondern auch als subtiler Schauspieler. Überhaupt mag die Regensburger Inszenierung im Vergleich mit anderen, stilisierten Inszenierungen zeitgenössischer Opern, in der Führung der Solist*innen und des Männerchors ein wenig konservativ erscheinen, aber sie ist auch eminent bühnenwirksam. 
 
 Ein Sonderlob gebührt dem Bühnenbild von Kristopher Kempf, etwa einem senkrecht aufsteigenden Zugwaggon oder einer Gastwirtschaft, die an Auerbachs Keller gemahnt.
 
 Gegen Ende marschiert der Chor bedrohlich und brüllt: „Zerstören, kaputt machen“. Da erlangt die Oper eine beängstigende Aktualität und eine Ahnung von Viktor Orbán, die der Roman zur Zeit seiner Entstehung, 1989, nicht haben konnte. Der „Offizier“ trägt eine Uschanka, wie der Aufseher eines russischen Straflagers.
 
 Der Narr János Valuschka, phlegmatisch in der Zwangsjacke und in Wahrheit so närrisch wie die Narren von Shakespeare oder von Beckett, warnt vor dem Prinzen, den die Massen erwarten wie einen Messias: er ist ein Betrüger, ein Gauner.
 
 
 
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 Valuschka von Peter Eötvös - am Theater Regensburg  Foto (C) Marie Liebig
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Thomas Rothschild – 11. März 2024 ID 14657
 
VALUSCHKA (Theater Regensburg, 10.03.2024)
 von Peter Eötvös 
 Musikalische Leitung: Tom Woods 
 Inszenierung & Kostüme: Sebastian Ritschel 
 Bühne: Kristopher Kempf 
 Licht: Martin Stevens 
 Choreinstudierung: Harish Shankar 
 Dramaturgie: Ronny Scholz 
 Besetzung:
 Hagelmayer (Erzähler) ... Gabriel Kähler 
 János Valuschka ... Benedikt Eder 
 Frau Pflaum ... Theodora Varga 
 Tünde (Bürgermeisterin) ... Kirsten Labonte 
 Bäuerin ... Svitlana Slyvia 
 Professor (Tündes Ehemann) ... Roger Krebs 
 Mann im Lodenmantel, Soldat ... Jonas Atwood 
 Zirkusdirektor ... Hany Abdelzaher 
 Assistent des Prinzen ... Paul Kmetsch 
 Nadaban ... Michael Daub 
 Madai ... Alexander Aigner 
 Volent ... Daniel Schliewa 
 Schaffner ... Paul Kmetsch 
 Prinz ... Chih-Yuan Yang 
 Offizier ... Seymur Karim 
 Chor Herren / Opernchor / Cantemus Chor 
 Extrachor 
 Philharmonisches Orchester Regensburg
 UA war am 3. März 2024.
 Weitere Termine: 11.04./ 11.05.2024
 
 
 Weitere Infos siehe auch: https://www.theaterregensburg.de
          
     
         Post an Dr. Thomas Rothschild
  
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