BAYREUTHER FESTSPIELE 2024
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Zu dunkel
und zu
zugemüllt
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Camilla Nylund (als Isolde) im Ersten Aufzug aus Tristan und Isolde bei den Bayreuther Festspielen 2024 | Foto (C) Enrico Nawrath
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Szenische Bewertung:
Im Nachklapp der Corona-Pandemie ging Katharina Wagner auf Nummer sicher und setzte 2022 (was nicht in der langfristigen Festspielplanung vorgesehen war) eine kurzfristig von ihr initiierte Tristan und Isolde-Inszenierung an - die sollte als Garant dienen, falls der ab '22 anberaumte neue RING wegen befürchteter weiterer Corona-Einschränkungen (die dann gottlob ausfielen) nicht ohne Weiteres hätte geprobt und aufgeführt werden können, also dass dann wenigstens ein neues Werk (statt jener vier Teile des RINGs) Premiere haben sollte; Roland Schwab (Regie) und Markus Poschner (musikalische Leitung) erledigten das professionell und ernteten mit ihrer von Bühnenbildner Piero Vinciguerra designten Arbeit große Zustimmung beim Publikum. Mich selbst befriedigte das v.a. auf optisch Getrimmte überhaupt nicht, das Aufzeigen oder Ausspielen zwischenmenschlicher Beziehungen kam mir da absolut zu kurz. Vier Aufführungen in zwei Jahren zählte diese Produktion, danach wurde sie wieder abgesetzt, weil sie in diesem Jahr (2024) dem langfristig geplanten und vertraglich verbindlichen neuen Tristan "regulär" Platz machen musste; Thorleifur Örn Arnarsson (Regie), Vytautas Narbutas (Bühne), Sibylle Wallum (Kostüme) waren für das Szenische zuständig, und Semyon Bychkov (!) dirigierte.
Vom Inszenierungsansatz her schien es spektakulär zu sein:
Das Unterdeck eines den gesamten Bühnenraum einnehmenden Schiffswracks diente als handlungsortgewolltes Zentrum insbesondere für den Zweiten Aufzug.
Es assoziierte bei mir sofort Das Holzschiff von Hans Henny Jahnn, auf welchem todbringende Giftgase für einen nicht näher beschriebenen Militäreinsatz gegen irgendwelche Aufständische in einer ebenso nicht näher beschriebenen afrikanischen Kolonie gelagert waren und in dem sich, halt im Unterdeck, die unerfüllte Liebesgeschichte zwischen dem Komponisten Gustav Anias Horn und der Kapitänstochter Ellena abspielte; ein mefistofelischer Superkargo, welcher selber auf das Mädchen scharf gewesen war, versuchte diese aufkeimende Liebe umständlich zu torpedieren, es kam letztlich zur Ermordung Ellenas etc. pp. Eine in ihrem Beziehungsgeflecht irgendwie ähnlich geartete Konstellation wie bei Wagners Tristan & Isolde, falls man den eifersüchtigen Melot diesbezüglich mit ins Spiel bringen würde - doch ich schweife hochbedenklich ab...
Narbutas, der litauische Bühnenbildner, hatte den Schiffsrumpf so gebaut, dass er dann auch - bei entsprechendem Beleuchtungswechsel von hinten - als Frontalansicht der Burg von König Marke deutbar wurde. Im Ersten Aufzug war ein bühnenmittig konstruiertes Loch als Abgrund erkennbar; durch diesen Ausguck würden sich dann T. & I. zum geräumigen Unterdeck des Wracks hinabbegeben haben - folgerichtig sind dann auch die Durchstoßfetzen dieses Lochs als Abgrund während des gesamten Zweiten Aufzugs oben an der Bühnendecke wiederzuerkennen. Und im Dritten Aufzug sind dann nur noch ein paar Überbleibsel jenes Schiffsrumpfs, der den zweiten Akt so optisch überdimensionierte, hie und da zu sehen. Eigentlich genial gedacht und schlüssig konstruiert.
Wenn da jetzt nicht die beiden großen Aber wären, denn:
Zum einen war der Schiffsrumpf voll mit seemännischem Zeugs und maritimen Antiquitäten zugemüllt; sah irgendwie aus, als wenn es eine zu veräußernde Ladung des Kaufmanns Daland aus dem Fliegenden Holländer wäre. In der BR klassik-Liveübertragung am Premierentag konnte man immerhin einige Details des hundertfachen Gerümpels identifizieren, falls die Kamera sich die Mühe machte hie und da mal hinzuzoomen. Dass man allerdings in Anbetracht dieser gesamten Zugemülltheit T. & I., die diesen Raum ja immerhin die ganze Zeit für sich in Anspruch nahnmen, visuell kaum wahrzunehmen oder zu erkennen vermochte, hätte so natürlich nie passieren dürfen!
Und zum zweiten spielte sich fast alles - von Akt eins bis drei - in einem andauernden Halb- und Volldunkel ab; das Halbdunkel wurde zusätzlich mit einem die Augen permanent ermüdenden Sepia-Farbton etwas "aufgehellt". Ja und die ganze Zeit wünschte ich mir irrigerweise Schwabs 2022er Tristan zurück, wo es erfreulich heller zugegangen war.
Diese zwei Einwürfe (= zu dunkel und zu zugemüllt) bestärkten mich dann auch zu meinem abschließenden Urteil hinsichtlich der szenischen Gereichung dieses neuen Tristans in 2024: katastrophal.
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Was das Musikalische betraf, sah es dann etwas besser aus - allen voran der Vollblutklang des Festspielorchesters unter Bychkovs Leitung. Eine Wonne!
Camilla Nylund debütierte als Isolde; ihre Figurenzeichnung war ganz vordergründig auf das Außen- und Innenleben einer Rachefurie ausgerichtet, und vom Schauspielernden her machte sie das sehr glaubwürdig, ja und der Sound von ihrer Stimme hat was Angenehmes, und obgleich sie zunehmend vibrierte.
Andreas Schagers Titelpartie zählt zu den heikelsten und strapaziösesten im so schon heiklen als wie strapaziösen Wagner-Fach. Im zweiten Akt baute er mehr und mehr dann ab, im dritten fing er sich allmählich wieder - insgesamt bezeugte "es" dann wieder mal, dass man doch bitteschön nicht ständig alles und überall singen sollte. Die menschliche Stimme ist kein endlos dehnbares Gummiband.
Am erfreulichsten: Günther Groissböck (als Marke) - nachdem er vor drei Jahren den für ihn bestimmten Wotan/Wanderer im RING von sich aus erstmal abgab, fängt er nunmehr wieder an sich Stück um Stück im Starkollegenkreis des Grünen Hügels rückzuetablieren.
Christa Mayer (als tantenartige Brangäne) und Olafur Sigurdarson (als konturloser und blasser Kurwenal) komplettierten unauffällig die Besetzung - und auch Birger Radde (Melot), Daniel Lenz (Ein Hirt), Lawson Anderson (Ein Steuermann) und Matthew Newlin (Junger Seemann) waren mit dabei.
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Bühnenbild-Totale aus Tristan und Isolde bei den Bayreuther Festspielen 2024 | Foto (C) Enrico Nawrath
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Andre Sokolowski - 5. August 2024 ID 14861
TRISTAN UND ISOLDE (Bayreuther Festspiele, 03.08.2024)
Musikalische Leitung: Semyon Bychkov
Regie: Thorleifur Örn Arnarsson
Bühne: Vytautas Narbutas
Kostüme: Sibylle Wallum
Dramaturgie: Andri Hardmeier
Licht: Sascha Zauner
Chorleitung: Eberhard Friedrich
Besetzung:
Tristan ... Andreas Schager
Marke ... Günther Groissböck
Isolde ... Camilla Nylund
Kurwenal ... Olafur Sigurdarson
Melot ... Birger Radde
Brangäne ... Christa Mayer
Ein Hirt ... Daniel Jenz
Ein Steuermann ... Lawson Anderson
Junger Seemann ... Matthew Newlin
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele
Premiere war am 25. Juli 2024.
Weitere Termine: 06, 09., 15., 18., 26.08.2024
Weitere Infos siehe auch: https://www.bayreuther-festspiele.de
https://www.andre-sokolowski.de
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