BAYREUTHER FESTSPIELE 2023
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Mit oder
ohne Brille,
das war hier
die Frage
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Andreas Schager (li.) als Parsifal | Foto (C) Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath
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Bewertung:
Der absolute Hype der diesjährigen BAYREUTHER FESTSPIELE war und ist das bewusstseinsverzerrende Mini-Kino überm Nasenbügel:
"'AR' ist die Abkürzung für 'Augmented Reality' und bedeutet 'erweiterte Realität'. AR gehört zu den immersiven Technologien und ermöglicht so ein Eintauchen in neue, virtuelle Welten. Bei Augmented Reality wird die Umgebung mit digitalen Bildern überlagert und der reale Bühnenraum erweitert. Sie folgen der Inszenierung auf der Bühne, während gleichzeitig der gesamte Raum vor und neben der Bühne digital erweitert und bespielt wird. Die transparente Brille erlaubt die Sicht auf die Bühne auch immer dann, wenn keine digitalen Bilder zu sehen sind. Mittels Kameras wird die Position im Raum bestimmt, sodass das virtuelle Bilder z.B. ortsgenau im Bühnenportal eingeblendet werden können. Dadurch können Sie den gesamten Raum durch ihre Kopfbewegung erkunden." (Quelle: bayreuther-festspiele.de)
Muss man eigentlich dabei gewesen sein - doch denkste, denn: Es gab nur jeweils 300 Brillen pro Parsifal, und der großteilige Rest der Wagnerianer (2.000 Leute passen in den Saal) musste bzw. durfte diesen Hype verpassen, doch so richtig verpassen tat er da auch nichts:
Video-, Performance- und Regiekünstler Jay Scheib, der ambitionsgeladene Erfinder dieses Visualspektakels, überbilderte halt das, was vorne auf den Bühnenbildern Mimi Liens zu sehen war, zusätzlich für die hoffentlich auch mitdenkenden Hirne der nicht immer glücklichen Brillenträger (Brille zu schwer, zu eng, zu heiß; halt wie so'n Bordcomputer mitten im Gesicht), und oftmals flog das viele Zeugs, was er sich da zur insgesamten Raumausfüllung ausgedacht hatte, so weit umher, dass man sich um 180 Grad zu seinem Sitznachbarn die Reihe hinter einem umdreh'n hätte müssen, was man freilich dann aus Höflichkeit und Rücksichtnahme letztlich doch nicht wollte. Mein privates Lieblings-AR war der Fuchs im Dritten Akt, der streunte plötzlich unterhalb der Handlung, also in Oberschenkelnähe, neugierig umher, setzte sich dann auf seine Hinterpfoten, gähnte immer wieder mal und schien das viele Flug-Zeugs leidenschaftlos über sich ergehen zu lassen bis er irgendwann dann wieder weg war; hübsch gemacht.
Wir fassen kurz zusammen: Die Idee mit dem AR in einer Opern- und/ oder Theaterinszenierung ist ganz sicher zeitgemäß und durchaus tragbar. Die Begleitumstände (s.o.) etwas weniger. Summa summarum lenkt es ab von dem, weswegen man dann eigentlich - im Falle Bayreuth insbesondere - an Ort und Stelle ist. Mit andern Worten ausgedrückt, die Inszenierung vorne auf der Bühne hätte man sich sparen können, konzertant hätte vollauf gereicht - bei dieser Dauer-Flug-Zeugs-Flut...
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Ich war dann also derart von dem Eigentlichen abgelenkt, dass ich hier nachgerade überhaupt nicht mitzuteilen in der Lage bin, worum es Scheib in seiner Inszenierung ging; null Ahnung. Der erste Akt war (soweit konnte ich dann "durch die Brille" erkennen) nicht viel mehr als stumpfsinniges Stehkonzert. Der zweite Akt wollte in seiner exzessiven Farborgiastik alles überbieten, was in andern Produktionen Jahre und Jahrzehnte vorher mal gewesen war; die großflächigen Nahaufnahmen, wo dann Elīna Garanča sehbar war, veranlassten mich ab und zu die Brille auch mal abzusetzen. Und im Dritten Akt war dann ein vor sich hin rostendes Panzerungetüm im HR Giger-Stil bestaunenswert. Alles in allem aber furchtbar langweilig und irgendwie auch sinnlos. (Erinnert sich noch irgendwer an Christoph Schlingensiefs philosophinen Parsifal vor wieviel Jahren? Da gab es noch richtig was zum Mitdenken!)
Rein musikalisch sei auf Georg Zeppenfeld (als Gurnemanz) verwiesen; dieser Mann war, ist und bleibt die wahre sängerische Attraktion all dessen, was z.Z. der Grüne Hügel präsentiert. Der Rest bleibt gut durchwachs'nes Staats- und Stadttheaterniveau.
Der Spanier Pablo Heras-Casado dirgierte "unauffällig", dafür lieferte das Festspielorchester einen ausgewogenen und erwartungsgemäß soliden Klang. Die Sonder-Qualität des in jedem Jahr neu zusammengewürfelten Festspielchors (Einstudierung: Eberhard Friedrich) bedarf keines weiteren Einwandes.
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Klingsors Zaubergarten in Parsifal, 2023 | Foto (C) Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath
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Andre Sokolowski - 1. August 2023 ID 14316
PARSIFAL (Bayreuther Festspiele, 30.07.2023)
Musikalische Leitung: Pablo Heras-Casado
Regie: Jay Scheib
Bühne: Mimi Lien
Kostüme: Meentje Nielsen
Licht: Rainer Casper
Video: Joshua Higgason
Dramaturgie: Marlene Schleicher
Chorleitung: Eberhard Friedrich
Besetzung:
Amfortas ... Derek Welton
Titurel ... Tobias Kehrer
Gurnemanz ... Georg Zeppenfeld
Parsifal ... Andreas Schager
Klingsor ... Jordan Shanahan
Kundry ... Elīna Garanča
1. Gralsritter ... Siyabonga Maqungo
2. Gralsritter ... Jens-Erik Aasbø
1. Knappe ... Betsy Horne
2. Knappe ... Margaret Plummer
3. Knappe ... Jorge Rodríguez-Norton
4. Knappe ... Garrie Davislim
Klingsors Zaubermädchen ... Evelin Novak, Camille Schnoor, Margaret Plummer, Julia Grüter, Betsy Horne und Marie Henriette Reinhold (auch Altsolo)
Der Festspielchor
Das Festspielorchester
Premiere war am 25. Juli 2023.
Weitere Termine: 12., 15., 19., 23., 27.08.2023
Weitere Infos siehe auch: https://www.bayreuther-festspiele.de
https://www.andre-sokolowski.de
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